„WIR HABEN UNS DEN LOU REED-LIEDERN MIT GROSSER BEWUNDERUNG UND RESPEKT GENÄHERT“ – DIE BUBEN IM PELZ IM MICA-INTERVIEW

Am 27. Oktober 2023 findet im Volkstheater “Die große Velvet Underground Revue” statt. An diesem Abend präsentieren DIE BUBEN IM PELZ ihr neues Album „Verwandler“, auf dem sie wieder Songs von Lou Reed und Velvet Underground nach Österreich transferieren. Jürgen Plank hat mit DIE BUBEN IM PELZ über Lou Reed-Purist:innen genauso gesprochen wie über eines der ersten Lieder, das sich mit queeren Aspekten befasst: „Walk on the wild side“. Und die Band erzählt zudem, worin der Reiz besteht, englischsprachige Songs ins Wienerische zu übertragen. Für die Revue im Volkstheater sind Gäste wie MONSTERHEART und FRITZ OSTERMAYER eingeladen.

Wie ist das neue Album entstanden, auf dem ihr wie bei eurem ersten Album Stücke von Velvet Underground ins Wienerische übertragt?

David Pfister: Auf unserem Debüt-Album haben wir ja das erste Album von Velvet Underground gecovert. Wir haben das Album ins Wienerische übersetzt und damals hatten wir schon andere Songs der Band bearbeitet und im Auge. Auch mit unserer Vorgängerband Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune, mit der ich und Christian Fuchs unterwegs waren, haben wir schon Velvet Underground-Songs aufgenommen. Unser erstes Album war recht erfolgreich, die Skizzen sind liegen geblieben und das Label Konkord hatte die Idee, diese anderen Lieder jetzt zu veröffentlichen.

Habt ihr euch damals dem Werk von Lou Reed als Fans angenähert oder was war der Anlass dafür?

David Pfister: Christian und ich sind von der Neigungsgruppe übriggeblieben und wollten im Dialekt weiter machen. Wir sind große Fans von Lou Reed und Velvet Underground und es war Christians Idee als erste Standortbestimmung dieses neuen Bandprojekts das Wagnis zu machen, ein ganzes Album zu covern. Wir haben uns den Lou Reed-Liedern mit großer Bewunderung und Respekt genähert. Eine gewisse Respektlosigkeit ist aber auch nötig, wenn man sich einem Künstler nähert, der von vielen Leuten ikonisch, nahezu transzendent wahrgenommen wird.

„DER NAME VELVET UNDERGROUND HAT EINFACH EINE GEWISSE STRAHLKRAFT.“

Die eigenen Fans sind natürlich immer angesprochen, wenn man eine neue Platte veröffentlicht. Wollt ihr auch die Lou Reed-Fans erwischen?

Bernd Supper: Für uns war das ein sehr schönes Projekt. Das Label hat uns ein Studio zur Verfügung gestellt. Ich hoffe und glaube schon, dass wir nicht nur den Bandnamen vor uns hertragen und Leute ansprechen können, die uns noch nicht kennen. Der Name Velvet Underground hat einfach eine gewisse Strahlkraft.

Vermutlich bleiben die Purist:innen beim Original, die erwischt ihr vielleicht nicht.

Bernd Supper: Oder schon und sie regen sich darüber auf.

David Pfister: Da gibt es alle Variationen, bei den Purist:innen gibt es Ablehnung, Euphorie und Gefühle dazwischen. Die Musik ist so ikonisch, dass es einfach ein Wagnis ist und spannender als andere musikalische Projekte.

Bernd Supper: Wir haben von musikjournalistischer Seite auch schon Sätze gehört wie: Lou Reed ist ja ein Gott, bin schon sehr gespannt auf eure Versionen.

Bild Die Buben im Pelz
Die Buben im Pelz (c) Christian Zschammer

Ich weiß gar nicht, ob ich da mit so einem extremen Respekt an die Lieder herangegangen bin, wie sich das mein Gegenüber vielleicht erwartet, wenn wir schon von Purist:innen sprechen. Das ist aber vielleicht gar nicht so schlecht, dass es da durchaus Überraschungen und Reibflächen gibt und einen Diskurs. David hat ja beim ersten Album den Song „I’m waiting for my man“ auf den Schwedenplatz transferiert. Das ist nicht das Naheliegendste, aber hat den Geist des Songs gut eingefangen. Wahrscheinlich besser als würde man die Lieder eins zu eins übersetzen.

Ich würde meinen, dass es sich um Übertragungen handelt.

David Pfister: Genau. Eine Übersetzung kann ja Google auch ganz gut erledigen. Es geht um eine emotionale Übertragung.

Ihr habt für das neue Album etwa „Walk on the wild side“ übertragen, das ist einer der ersten Songs, der sich dem Menschsein aus einer queeren Perspektive annähert. Inwiefern habt ihr darauf referenziert?

Bernd Supper: Zu Lou Reed bin ich erst relativ spät gekommen und ich habe mich natürlich mit ihm und diesem Song beschäftigt: es geht in „Walk on the wild side“schon um eine Art Travestie und eine Verwischung der Geschlechtergrenzen. Eine sehr frühe Auseinandersetzung damit, dass es nicht nur eine Weltsicht braucht, die auf zwei Geschlechtern beruht. Das ist für mich Anlass gewesen, in meinem Leben zu kramen und die eine oder andere Situation in den Text zu gießen, die mir so passiert ist. Ich würde mich selbst nicht als queer bezeichnen, aber nichtsdestotrotz gibt es bei so Winzigkeiten wie einem Haarband oder einem Rock, den man trägt, schon Anfeindungen, die ich in meinem Fall im Burgenland erlebt habe. Das habe ich von Anfang an nie verstanden, wieso das so sein muss. Ich habe Fußball gespielt und trotzdem ein Haarband getragen. Auf saloppe Art und Weise habe ich mich dem Song genähert und im Text Erfahrungen platziert, wie ich als Jugendlicher wegen Nichtigkeiten auf die Schaufel genommen worden bin.

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Was ist für dich das Besondere an Lou Reed als Songwriter?

David Pfister: Lou Reed stellt den Glamour und das Transzendente des Alltags gut dar. Und gleichzeitig stellt er in der Tragödie, im Drama das Banale dar. Das ist eine unglaublich perfekte, vollkommene und schöne Art das Leben abzubilden: in diesen Extremen alles zu finden, das Drama des Alltags, aber auch das Glorreiche und Heilige des Alltags. Und im Drama das Banale. Ich glaube, das spricht so viele Menschen, universell an.

Und das noch dazu auf sehr poetische Weise, Reed hatte ja einen Poeten als Lehrer. Über Respekt haben wir schon gesprochen. Würdet ihr zustimmen, dass man bei ihm spürt: die Latte liegt ein bisschen höher als bei anderen Pop-Songs?

David Pfister: Ja, das merkt man ganz klar, wenn man sich mit den Texten beschäftigt. Aber gleichzeitig finde ich auch eine gewisse Respektlosigkeit angemessen, mit der man sich diesem Werk nähert. Was Lou Reed gemacht hat, war Rock’n’Roll, Popmusik. Dieser Kunst wohnt eine gewisse Respektlosigkeit inne und deswegen finde ich es total legitim mit seinem bedeutsamen Werk so umzugehen, wie wir das gemacht haben. Ich würde mich trauen, zu sagen, dass das im Sinne eines Lou Reed oder eines John Cale ist. Für beide war auch eine frühe Rockabilly- oder auch eine folkloristische Bluestradition wichtig, die jeweils darauf beruhen, dass man einen bestehenden Kanon neu interpretiert. Besonders Lou Reed kommt aus dieser Bluestradition und deswegen finde ich es schön und richtig, wenn man das fortführt.

Dann schmeiße ich euch ein Zitat von Lou Reed um die Ohren.

David Pfister: Oje, große Angst!

Reed hat mal gesagt: „Es gibt nur eine Beschäftigung, die die Welt verändern kann: das ist Rock’n’Roll.“

David Pfister: Das ist doch wunderbar! Dann habe ich ja gerade Recht gehabt, das ist eine Adelung aus dem Jenseits. Das passt wirklich schön.

Warum sind Übertragungen von Liedern aus eurer Sicht reizvoll? Ich kenne das zum Beispiel auch von Liedern von Bruce Springsteen.

David Pfister: Das ist eine gute Frage. Es sind immer Lieder, die einem etwas bedeuten. Es ist auch spannend, wenn man den Auftrag bekommt, sich einem Lied zu nähern. Wenn man das nicht selbst auswählt. Das sind, glaube ich, die zwei Motive dafür, das zu tun. Entweder gibt es eine Nummer, die einem so viel bedeutet, dass man sie sich eigen machen und für sich selbst als Ventil benutzen will. Es ist schön, wenn man das in die Welt hinausschießen kann. Oder es ist ein Auftrag, das ist natürlich auch reizvoll, wenn man sich einem Auftrag stellen und Perspektiven finden muss.

Bernd Supper: Musikalisch finde ich es interessant, denn wenn man ein eigenes Lied schreibt, ist das ein Moment, den man einfängt. Vielleicht auch ein Zufall. Oft sind es Wörter, die sich aufzwingen und die singt man dann in der Wiederholung und dann stabilisiert sich das Gerüst und baut sich zu einem Gebäude. Da beginnt es mit einem weißen Blatt.

Bild Die Buben im Pelz
Die Buben im Pelz (c) Christian Zschammer

Bei der Annäherung gibt es schon etwas, was ich in meinem Fall nicht in 3 Versionen hundertzwanzig Mal anhöre, bis ich das Bild in allen Facetten ganz genau kenne und dann versuche, es mir zu eigen zu machen. Sondern ich wische einmal drüber und habe dadurch eine Atmosphäre und von der gehe ich aus. Und dann beginnt der Umgang damit und alle anderen machen das vielleicht auch so, und in Summe sind es ein paar Farbkleckse, die vielleicht daran erinnern, wie das ursprüngliche Gemälde aussieht, um diese Metapher zu strapazieren. Und es entsteht eben doch etwas Organisches, etwas Eigenes. Man nimmt eben nicht das Gerüst dieses Songs her und befüllt es neu, sondern man nimmt eine Atmosphäre, ein Gefühl und paart es mit eigenen Erlebnissen et cetera.

„WIR MÖCHTEN EINEN SCHÖNEN ABEND FÜR ALLE FANS VON LOU REED UND VELVET UNDERGROUND GESTALTEN.“

Da passt auch wieder ein Lou Reed-Zitat dazu: „Es geht darum, seinen eigenen Sound zu finden.“ Zitat Ende.

David Pfister: Sehr schön. Das erinnert mich wieder an die Blues-Sache: es gibt ein Lied, dem man sich widmet und welches man neu interpretiert.

Am 27. Oktober 2023 gibt es eine Live-Umsetzung eurer Songs im Volkstheater in Wien. Was ist geplant?

David Pfister: Ja, am 10. Todestag von Lou Reed kommt das neue Album heraus und wir machen eine Show, bei der wir ausschließlich Lieder aus diesem und unserem ersten Album spielen. Nummern von Lou Reed und Velvet Underground. Gäste werden sein: Monsterheart, Robert Zikmund, Fritz Ostermayer, der auch eine Lesung machen wird. Und es wird eine queere Burlesque-Show geben, die sich an den Shows von Velvet Underground und Andy Warhol orientieren wird, in denen auch ein Peitschentanz gemacht wurde. Es wird auch entsprechende Visuals geben. Wir wollen uns ein bisschen an diese Factory-Sache anlehnen und: Wir möchten einen schönen Abend für alle Fans von Lou Reed und Velvet Underground gestalten.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

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Die große Velvet Underground Revue
Fr 27.10.2023
Volkstheater, Wien, 22h

Gäste: Monsterheart, Robert Zikmund, Fritz Ostermayer u.v.m.
www.volkstheater.at/event/1914638/die-buben-im-pelz

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Links:
Die Buben im Pelz
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Konkord Records