Musikleben mit Kindern – wie geht es Musiker*innen im Berufsalltag? Teil 12: Shlomit Butbul

In der Serie „Musikleben mit Kindern“ geht mica – music austria der Frage nach, wie es professionellen Musiker*innen geht, wenn sie Kinder haben. Die Sängerin und Schauspielerin SHLOMIT BUTBUL gibt uns im zwölften Teil der Serie Einblick in ihren Berufsalltag mit drei Kindern: SHLOMIT BUTBUL, die sowohl auf Hebräisch als auch im Wiener Dialekt singt, war neben ihrer künstlerischen Karriere auch jahrelang selbst als Veranstalterin tätig und kennt den Kulturbetrieb von beiden Seiten. Wo ließe sich die Situation für Künstler*innen mit Kindern verbessern? Was sind ihre persönlichen Erfahrungen?

Im mica-Interview spricht sie über die permanente Verantwortung als Alleinerzieherin, den Wunsch Künstlerin zu sein und es auch bleiben zu dürfen, und die Schwierigkeit, nach Jahren im Ausland wieder an die Karriere anzuknüpfen, die sie sich einst in Österreich aufgebaut hat. Shlomit Butbul unterrichtet auch als Vocal Coach und ist Dozentin für Musikdramaturgie an der Schauspielschule Kraus.

Was hat sich für dich verändert, seitdem du Mutter geworden bist?

Shlomit Butbul: Ich habe Verantwortung, die NIE mehr aufhört, denn es ist IMMER etwas! Ja, es wird leichter, aber als alleinerziehende Mama ist die Verantwortung eben zu hundert Prozent IMMER gegenwärtig. Herzensbildung und Gesellschaftsbildung 24/7, versuchen sich treu und konsequent zu bleiben, denn man ist oft SEHR müde. Dinge nicht schleifen zu lassen, ist oft hart und es bedarf einer großen Disziplin, die wahrlich meist keinen Spaß macht.

Werden Mütter in der Musikszene anders behandelt als Väter?

Shlomit Butbul: Im Gespräch und in der Kommunikation gibt es große Ehrfurcht, Verständnis und Respekt, aber in der Durchführung ist der Veranstalter darauf angewiesen, dass das Rad läuft.

Auf Tour mit (kleinen) Kindern?

Shlomit Butbul: Für mich persönlich NEIN! Kinder brauchen ihren Raum und ihren gewohnten Ablauf – was nicht heißen will, dass es nicht auch andere Muster gibt, die hervorragend funktionieren. (Mit nur einem Kind ist es vermutlich leichter …)

Abends im Konzert und Kinderbetreuung?

Shlomit Butbul: Mich persönlich lenkt es zu sehr von meiner Arbeit ab, denn ich will mich meinem Publikum ganz hingeben und das kann ich nie, wenn meine Kids um mich sind, weil sie für mich immer an erster Stelle stehen und dies auch meist einfordern.

Welche Netzwerke nützen Musiker*innen?

Shlomit Butbul: Ich habe jahrelang den Ausstieg gewagt und war Intendantin eines eigenen Kulturhauses in Luxemburg mit 220 Veranstaltungen im Jahr [L’Inouï Café-Concert Café-Théâtre, Anm.]; so konnte ich mir das selbst einteilen. Ich höre bei Kolleginnen jedoch von Au-pairs, Haushaltshilfen, Großeltern, öffentlichen Einrichtungen etc. Das war bei mir alles irgendwie nicht der Fall, denn ich wollte immer ganz für die Kids da sein!

„Es braucht mehr Sensibilität auf allen Ebenen, denn lieb und großartig findet es schnell jemand, aber effektive Hilfe in der gegenwärtigen Situation will meist keiner mittragen.“

Was würdest du dir von Veranstalter*innen wünschen und wo muss man dringend etwas verändern?

Shlomit Butbul: Ein Raum mit Babysitter*in, der bzw. die das Kind übernimmt – vom Soundcheck bis zum Ende der Veranstaltung – mit Schlafmöglichkeit, einer Spielecke, einer kleinen Kochnische zur Zubereitung von Milchbrei etc. Das wäre sicher sehr cool. Diese Einrichtung wäre halt eine Investition seitens des Veranstalters.

Braucht es allgemein mehr Sensibilität in der Szene?

Shlomit Butbul: Es braucht mehr Sensibilität auf allen Ebenen, denn lieb und großartig findet es schnell jemand, aber effektive Hilfe in der gegenwärtigen Situation will meist keiner mittragen. Weil natürlich viel passieren kann und der Veranstalter müsste sich via Versicherung absichern und das ist meist mit Kosten verbunden. Ich habe dafür Verständnis, weil ich eben lange selbst Veranstalterin war!

Was fehlt?

Shlomit Butbul: Es akzeptieren zu wollen, dass Musikerinnen einfach auch Mütter sind!

 Wird auf Special Needs eingegangen?

Shlomit Butbul: Mal ja, mal nein.

Die Zeiten haben sich geändert, Social Media bedient das Privatleben als auch das professionelle Umfeld. Wie gehst du damit in Hinblick auf deine Doppelrolle als Mama und Musiker*in um?

Shlomit Butbul: Ich lasse meine Kids da völlig raus. Meine Kinder sind stolz auf mich, wollen aber ihre eigenen Wege finden und mögen den Bekanntheitsgrad der Mama erst, wenn Freunde es cool finden (LOL…). Und das ist auch ganz OK so. Eine bekannte Großmutter bzw. Mutter zu haben, mit der sie in der Öffentlichkeit stehen, sollten sie sich selber aussuchen dürfen.

„Es erfordert Disziplin und den Wunsch, Künstlerin zu sein, und es bleiben zu dürfen.“

Gibt es sonst noch etwas, das du mit uns teilen möchtet?

Shlomit Butbul: Ich finde es schön, dass ihr dieses Interview anbietet, denn so kommen unsere Gedanken und Gefühle etwas nach außen. In meinem Fall habe ich nach achtzehn Jahren im Ausland, wo ich Intendantin eines eigenen Hauses war, einem hauseigenen Kindertheater [MINOUÏ, Anm.] mit Schauspielkursen für achtzig Kids jährlich, zwei neue Sprachen zu erlernen, drei Kids ohne Hilfe von außen groß zu ziehen – wahrlich, das ist schon extrem – schon einiges geleistet. Jedoch mit drei Kids nach Österreich/Wien zurück zu kommen, alleine, sich als Sängerin und Schauspielerin wieder zu etablieren und dort anzuknüpfen, wo ich 1999 aufgehört habe, ist wirklich eine große Herausforderung. Es erfordert Disziplin und den Wunsch, Künstlerin zu sein, und es bleiben zu dürfen. Ich bin von ganzem Herzen Mutter, aber mein Beruf als Sängerin, Schauspielerin, Vocal und Release Coach ist mir auch SEHR wichtig. Und für das alles möchte ich gerne gesehen werden. Was eigentlich immer mehr geschieht, denn das zu erkennen, beginnt immer in einem selbst!

Termine unter https://www.shlomitbutbul.com/shows/

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