Thomas Randisek steht als Vertreter des Dachverband Salzburger Kulturstätten für die Interessen der freien Kulturszene des Bundeslandes. Im Gespräch mit Lucia Laggner erörtert er die konkreten Aufgabenbereiche, stellt überdimensionierte, politisch motivierte und unter dem Deckmantel der heimischen Kunst propagierte Feste in Frage und den Fördergebern die Rute ins Fenster, indem er unter anderem die Abwanderung der heimischen Kunstschaffenden als gefährdende Tatsache ansieht. Kulturarbeit muss aus öffentlicher Hand gefördert werden. Davon ist Randisek überzeugt.
Auf eurer Homepage lässt sich unter dem Punkt Mission das Schlagwort Interessenvertretung finden. Welche Interessen vertritt der Dachverband Salzburger Kulturstätten und warum tut er das?
Thomas Randisek: Der Dachverband Salzburger Kulturstätten ist die Interessenvertretung der zeitgenössischen Kulturproduzenten und Kulturhäuser im Bundesland Salzburg und hat derzeit 73 Mitglieder in Stadt und Land Salzburg. Wir sind eine Landesorganisation der IG Kultur Österreich und vertreten die Interessen gegenüber Politik und Verwaltung: Lobbying, Öffentlichkeitsarbeit, Service und politischer Diskurs – das umreißt unser Portfolio. Unsere Struktur ist minimal – sie besteht aus einem Büro und einem Beschäftigten.
Wer waren die Initiatoren dieses Vereins?
Thomas Randisek: Die Versuche die Kulturstätten im Bundesland zu vernetzen gingen ursprünglich von Oberösterreich aus. Die KUPF (Kulturplattform Oberösterreich) ist einer der ältesten dieser institutionalisierten Interessenverbände. 1992 würde die österreichweite IG Kultur gegründet und der Dachverband Salzburger Kulturstätten, eine Vorläuferinstitution, im Jahr 1988.
Das war also eher eine Kettenreaktion als eine idealistische Aktion?
Thomas Randisek: Eine der Gründe in Salzburg lag auf der geringen Präsenz der Kulturstätten in den Medien. Die damaligen Aktivisten haben Ende der 1980er Jahre beschlossen aktiv zu werden, um die freie Kulturszene in Salzburg sichtbarer zu machen. Aus diesem Gedanken entstand ist ein monatliches Veranstaltungsplakat, welches wir nach wie vor herausgeben. Dieser Veranstaltungskalender gibt einen kompakten Überblick auf fast alle zeitgenössischen Kunst- und Kulturveranstaltungen im Bundesland Salzburg.
Wie macht ihr auf euch aufmerksam und wo gibt es noch Ausbaubedarf?
Thomas Randisek: Im erster Linie soll unsere Arbeit den Kulturstätten und den dort Arbeitenden (»fair pay für Kulturarbeit«) nützen. In zweiter Linie Politik und Verwaltung, letztendlich auch dem Publikum. In den zentralen Bereichen Lobbying und Öffentlichkeitsarbeit sind wir gut etabliert. Einerseits durch die Publikation eines Veranstaltungskalenders, aber auch durch eine Reihe von öffentlichen Stellungnahmen zu kulturpolitischen Fragen – vor allem in Hinblick auf das Land Salzburg etwa durch unsere »Elf Punkte zur Reform der Landeskulturpolitik«.
Ausbaubedarf sehe ich bei den öffentlichen Förderungen des Dachverbandes – im Vergleich zu den Interessenvertretungen in anderen Bundesländern – gering. Ein Salzburger Spezifikum ist es, dass sich die Kulturstätten den Großteil ihrer Interessenvertretung selbst finanzieren, unser Eigenfinanzierungsgrad liegt bei knapp 60 Prozent.
Woran liegt es, dass Salzburg schlechter finanziert ist?
Thomas Randisek: Dies ist im wesentlichen eine politische Frage. Defizite auf Grundlage von Förderkriterien kann man uns keine nachweisen. Politiker versuchen unangenehme Gegner möglichst klein zu halten, indem man ihnen möglichst wenig Förderungen gibt. Diese sind dadurch auch gezwungen, Zeit damit zu verbringen, ihr Überleben über andere Finanzierungsquellen zu sichern.
Um auf deine Aussage von vorhin zu präzisieren: wogegen habt ihr vor vier kurzem Stellung bezogen?
Thomas Randisek: Salzburg ist durch den »Finanzskandal«, der 2012 aufflog, in einer schwierigen finanziellen Situation. Die Regierung hat sich »verzockt«, indem sie hohe Risiken bei der Finanzverwaltung auf sich genommen und dadurch immensen öffentlichen Schaden angerichtet hat. Auch wenn die Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen ist, kann man von einer Schadenssumme von Euro 320 Millionen ausgehen. Der derzeitige Schuldenberg des Landes Salzburg wird auf 1,9 Milliarden Euro geschätzt.
Ein rigoroses Sparprogramm – vor allem auch im Kulturbereich – wurde angekündigt und genau in dieser Situation wurde nun bekannt, dass man 2016 zu feiern gedenkt: Die 200 Jahre Zugehörigkeit Salzburgs zu Österreich. Geplant ist ein Programm mit rund 200 Kulturveranstaltungen mit einem Gesamtvolumen von 5 Mio. Euro, davon eine Million aus dem Landesbudget. Das war für uns Anlass zu Kritik: der Kulturszene ein Sparpaket vor die Türe stellen und gleichzeitig aus Landesmitteln knapp eine Million für 2016 locker machen.
Musik braucht Raum, ist ein Thema des 20-jährigen Jubiläums des mica. Bietet das Land Salzburg Raum für den künstlerischen Nachwuchs?
Thomas Randisek: Es existiert ein starkes Stadt-Land Gefälle. In der Stadt ist die Situation um einiges besser – dies betrifft die Infrastruktur wie auch die öffentlichen Förderungen. Außerhalb der Stadt sieht es weniger gut aus. Daraus resultiert unsere politische Forderung, dass in jedem der fünf Salzburger Verwaltungsbezirke (»Gaue«) zumindest ein zeitgenössisches Kulturhaus steht – mit entsprechende Infrastruktur und zeitgenössischer Architektur. Zur entsprechenden Infrastruktur gehören neben Personal auch Räume für Probe und Aufführung. Unser Ziel sind Mehrspartenhäuser. Bislang gibt es solche nur im Pinzgau (Kunsthaus Nexus) und im Flachgau (Kulturhaus Emailwerk). Vor eineinhalb Jahren ist im Lungau der Versuch gescheitert, ein weiteres derartiges Kulturhaus auf die Beine zu stellen.
Ihr nennt einige Hilfestellungen auf eurer Homepage, die ihr euren 73 Mitgliedern anbietet. Sie bilden ein solides Fundament, um sich rechtlich und wirtschaftlich gut zu organisieren. Wie steht es um Marketing und Werbung? Schließlich müssen die vorhandenen Räume mit ihren spannenden Angeboten auch gefüllt werden. Bietet ihr dahingehend Workshops an?
Thomas Randisek: Angebote zu Marketing und Werbung haben wir in der Anfangsphase verstärkt angeboten mittlerweile aber wieder eingeschränkt. Die Kulturstädten haben sich über die Jahre professionalisiert und Personal angestellt, das diesen Bereich gut abdeckt. Salzburg als Bundesland hat keine großen Industriebetriebe, es ist mittelständisch strukturiert, so ist in Sachen Kultursponsoring nur bedingt Geld aufzutreiben. Kulturarbeit sehen wir als gesellschaftliche Aufgabe und halten fest, dass diese öffentlich gefördert werden muss.
Wie sieht euer Lobbying aus?
Thomas Randisek: Aktuell stehen viele persönliche Treffen an. Wir sprechen mit möglichst vielen Beamten und mit jenen politischen Entscheidungsträgern, die im Mai 2013 neu gewählt wurden. Auch in der Stadt Salzburg wurde im April 2014 der Gemeinderat neu gewählt. Diese Entscheidungsträger besuchen wir zum Erfahrungs- und Meinungsaustausch – etwa um unser »Elf Punkte Programm zur Reform der Salzburger Landeskulturpolitik« zu debattieren.
Dominiert in Salzburg im Bereich der Kunst die Tradition über die modernen Vielfalt? Wie verhält sich das Kräftespiel zwischen diesen zwei Polen?
Thomas Randisek: Von der öffentlichen Förderungen steht der freien Kulturszene in Salzburg etwa 1/10 des Gesamtkulturbudgets zu, das sind in Summe rund 4,7 Mio. Euro. Das definiert das Verhältnis mal in Zahlen. Was das kulturelle Angebot in der Stadt Salzburg anbelangt, bin ich der Überzeugung, dass diese den Vergleich mit anderen 150.000 Einwohner-Städten nicht zu scheuen braucht. Von Galerien, die nicht gewinnorientiert arbeiten, über einen eigenen Fernseh- und freien Radiosender, vom Rockhaus zum Jazzit, dem Literaturhaus, dem Filmkulturzentrum und mehreren freien Theatern bietet die Stadt ein solides Angebot. Außerhalb der Stadt fehlt diese Breite, bedingt durch fehlende Infrastruktur und geringer öffentlicher Förderung.
Hast du das Gefühl, dass dadurch die Abwanderung gefördert wird?
Thomas Randisek: Mit Sicherheit. Aus dem Filmbereich und Tanzbereich etwa gehen viele nach München oder Wien. Ich weiß nicht, ob es dort substantiell besser ist, aber es ist Tatsache, das Kunstschaffende abwandern. Zentral ist für diese Menschen die Frage, ob sie sich in ihrer Sparte etablieren und von ihrem künstlerischen Schaffen leben können. Salzburg ist sehr teuer, die Gehälter österreichweit unterdurchschnittlich. Im freien Kulturbereich bietet Salzburg im Moment etwa 300 Jobs. Allein die Salzburger Festspiele haben – zum Vergleich – zu Spitzenzeiten ein Personal von 2.200 Personen. So lassen sich die Verhältnisse recht gut darstellen.
Kannst du deinen biografischen Abriss skizzieren und schildern, wie du zu dem gekommen bist, was du heute tust.
Thomas Randisek: Klassische Schulausbildung in einer »extended version«, Zivildienst, Studium, mich politisch engagiert, Job gesucht, Job gefunden. In diesem befinde ich mich seit mittlerweile 20 Jahren. Ich bin seit 1993 bei diesem Dachverband, auch weil ich seitens des Arbeitsmarkservice eine Einstiegshilfe bekommen habe.
Stellt der Dachverband Salzburger Kulturstätten PraktikantInnen ein?
Thomas Randisek: Nein. Persönlich lehne ich es eine Form von Ausbeutung ab, für den Dachverband bringen kurzfristigen Arbeitsverhältnisse nicht wirklich viel. Unser Ziel als Verein ist es vielmehr eine zweite Stelle zu schaffen, die derzeitige »One Man Show« ist nicht das Optimum. Verunglücke ich etwa, hat der Dachverband zumindest mittelfristig ein gröberes Problem. Darüber hinaus wird der Arbeitsaufwand durch zahlreiche Seitenprojekte immer größer und Praktikanten stehen meist nur im Sommer zur Verfügung, der die veranstaltungsschwächste Zeit des Jahres darstellt.
Was sind deine Ziele für die nächste Zeit?
Thomas Randisek: Wir haben mit unseren »Elf Punkten zur Reform der Landeskulturpolitik« ein klares Ziel, das wir Schritt für Schritt umsetzen wollen. Sobald diese elf Punkte realisiert sind und es zudem einen Kollektivvertrag für KulturarbeiterInnen gibt, werde ich mich zurückziehen. Ich schätze, das dauert aber noch.
Die Diskussions- und Vortragsreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.
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