mica-Interview mit Thomas Amann

Der 1978 in Innsbruck geborene Thomas Amann zählt ohne Zweifel zu den hoffnungsvollsten heimischen Komponisten, die im Moment hierzulande am Werken sind. Nun wurde als Composer in Residence des Internationalen Zentrums für zeitgenössische Musik in Kärnten gewählt.Thomas Amann im Gespräch mit Doris Weberberger.

Was sich für mich beim Hören deiner Werke gezeigt hat, sind ganz lange Pausen, die sich durch deine Stücke wie Roto-Spiegel ziehen. Was bedeutet die Pause für dich?
Das hat für mich damit zu tun, dass ich mit kleinsten Klangpartikeln gearbeitet habe und konzentrierte Momente schaffen wollte, die untereinander Verbindungen über Abstände hinweg herstellen sollten. Ich wollte bewusst gegen größere musikalische Zusammenhänge arbeiten. Jetzt im Nachhinein würde ich diese Arbeit, dieses Konfrontieren von Stille und Klangereignis als etwas plakativ bezeichnen, mittlerweile haben sich die Stücke auch ein wenig mehr zusammengefügt. Aber es war damals für mich sehr wichtig, die Pausen zwischen den Ereignissen immer und immer wieder durchzuhören. Abgesehen davon habe ich mich mit dem Phänomen der Langeweile beschäftigt, damit, wie man speziell in der Langeweile Zeit wahrnimmt. Ich wollte Zustände schaffen, in denen man wartet, durchaus auch etwas erwartet: Wird die Erwartungshaltung erfüllt, kann ich da dagegen arbeiten. Diese Fragestellungen haben sich aber mittlerweile verändert, Roto-Spiegel ist schon vor ein paar Jahren entstanden.

In welche Richtung hat es sich verändert?
Ich habe gemerkt, dass die musikalischen Partikel mehr und mehr zusammenwachsen, dass mich das einerseits mehr interessiert. Andererseits geht diese Veränderung auch von den Klängen aus. Ich habe gemerkt, dass die Klänge es brauchen, andere Verbindungen einzugehen. Der Aspekt der Abstände ist für mich ein abgearbeitetes Kapitel. Die Klänge bieten jetzt für mich einfach ganz andere Möglichkeiten, woanders hinzugehen. Sie haben nach und nach so ein bisschen die Stille und die Pausen überlagert, durchwachsen, habe ich das Gefühl.

Worum geht es in deiner neuen Komposition für die Klangspuren?
„On Vanishing“ ist das erste längere Stück für große Besetzung, in dem ich mehr in Texturen und mehr über längere Zeiträume hinweg gedacht habe und in dem ich auch versucht habe, aus den Klängen heraus mehr zu entwickeln, als das vorher vielleicht der Fall war. Viele Stücke der letzten Jahre waren immer relativ statisch; die Klangereignisse, auch wenn sie bewegt oder aggressiv oder sonst wie waren, waren blockhaft, in sich geschlossene Momente. Das habe ich ein bisschen verlassen. Ich habe bei der Arbeit an dem Stück gemerkt, dass es mehr Zeit gibt, quasi mehr Raum. Gleichzeitig wollte ich in dem Stück gegen Masse und gegen das Orchesterkollektiv arbeiten. Ich habe mich mit dem Verschwinden beschäftigt, einem Thema, das mich nach wie vor sehr beschäftigt, durchaus auch in der Hinsicht, dass ich ab und zu gerne eine Tarnkappe hätte, um sie aufzusetzen und zu verschwinden. Ich wollte dieses Thema also bewusst angehen, weil ich mir auch gedacht habe, dass es da Reibungspunkte gibt: Die Masse des Orchesterapparats, und gegen diese Masse ankämpfen, die so eine ungeheure Präsenz darstellt. Ich wollte Dinge verschwinden lassen, Texturen, durchaus auch das Orchesterkollektiv. Das Stück ist am Anfang relativ plakativ, es beginnt auch mit vollem Orchester, aber es wird im Verlauf immer diffiziler und splittert sich mehr auf. Aber bei all diesem Verschwinden von verschiedenen Dingen war mir bei dem Stück auch sehr wichtig, dass es vom Anfang bis zum Ende Widerstand gegen das Verschwinden gibt, in verschiedener Hinsicht, also durchaus auch dahingehend, dass das Kollektiv irgendwann wieder zum Tragen kommt oder dass mehr rhythmische Prägnanz erscheint, obwohl sie vorher verschwunden war.

Also durchaus auch die Arbeit mit Extremen?
Schon. Eigentlich fand und finde ich nach wie vor Zustände interessant, in denen etwas noch nicht ganz verschwunden ist, noch ein wenig aufflackert, wo man merkt, dass es sich selbst noch vor dem Verschwinden bewahren möchte. Also diese Art Zwischenbereich hat mich schon sehr interessiert.

Das ist ja auch in der Wahrnehmung ein ganz entscheidender Punkt, wo man nicht sicher ist, was man jetzt wirklich hört und was man sich dazu denkt. Ist die Wahrnehmung für dich wichtig?
Die Zeitwahrnehmung war mir von Anfang an wichtig. Das hat auch mit der Stille zu tun, von der wir vorher gesprochen haben. Obwohl das jetzt ein wenig paradox klingen mag, aber mich interessiert die Musik weniger als Klänge, mit denen man die Zeitwahrnehmung sensibilisieren kann. Ich gehe weniger von harmonikalen Dingen, von Querverweisen oder Konzepten aus, sondern mehr vom Klang, von Texturen, von bestimmten Energiezuständen.

Kannst du ein bisschen genauer beschreiben, was du mit den Texturen meinst?
Es sind für mich bestimmte Energiefelder. Das hat vielleicht auch mit meiner Arbeitsweise zu tun. Es gibt zwei entgegensetzte, widerständige Arbeitsaspekte. Einerseits ist es mir sehr wichtig, das Potenzial von Klangkombinationen, von Ereignissen zu erkennen, also zu erkennen, wohin sich Klänge, Klangkonstellationen entwickeln könnten. Das ist die eine Sache, also die Arbeit im Kleinen, mit kleinen Partikeln und Ereignissen. Andererseits, und das war mir auch schon immer wichtig und das hat sich auch nicht verändert, will ich diese Klänge oder diese Entwicklungen begrenzen. Was ich tue, ist, Zeitstrukturen zu schaffen, unabhängig von den Klängen, verschiedene, sich überlagernde Zeitebenen, die dann quasi ein Korsett bilden. Was ich dann immer spannend finde, ist, wo dieses Korsett oder diese Begrenzung auf die Entwicklung von Klängen trifft, und man merkt: Aha, jetzt sollte sich etwas ändern, aber der Klang möchte noch wohin, ich kann ihn jetzt nicht stoppen, ich stoppe ihn aber trotzdem und schaue: kann man diese Energie, die da abgebrochen ist, später wieder aufgreifen oder verpufft sie oder was weiß ich. Was passiert mit Klängen, die begrenzt sind? Oder mit Entwicklungslinien, die abgebrochen werden? Ich habe vorher gesagt, dass ich bewusst gegen größere Zusammenhänge gearbeitet habe. Eigentlich ist das nach wie vor so, nur dass es jetzt noch viel mehr Raster gibt, die immer wieder Entwicklungen abschneiden. Ich finde es sehr interessant, wenn Klänge, wenn Entwicklungen einfach gestoppt oder begrenzt werden, also letzten Endes auch die Klänge deformiert werden.

Nur damit ich das richtig verstehe: Du schaffst zuerst die Zeitabschnitte auf unterschiedlichen Ebenen?
Nicht zuerst, aber unabhängig von den klanglichen Entwicklungen. Diese Arbeitsschritte sind gleichzeitig, also einerseits die Raster zu bauen, und andererseits die Klangentwicklungen in Gang zu setzen und miteinander zu konfrontieren.

Meinem Eindruck nach ist es ein sehr direktes Arbeiten mit dem Klang. Du hast vorher erwähnt, ein Konzept dahinter ist dir nicht wichtig.
Das stimmt. Ich habe eigentlich nie mit Konzepten gearbeitet. Meine Arbeit ist sehr am Klang orientiert. Es ist mir wichtig, dass es nichts Abstraktes ist, obwohl ich mir manchmal denke, je abstrakter desto besser, aber der Klang sollte schon sehr präsent sein. Ich habe gesagt, dass es mich interessiert, Klänge auszubremsen und zu deformieren. Das hat auch mit Körperlichkeit zu tun. Bei einem Streichinstrument gibt es ja beispielsweise verschiedene Druckgrade des Bogens. Wenn man mehr Druck ausübt, verändert sich der Klang automatisch, auch wenn man nur ganz wenig Druck gibt, verändert sich der Klang. Diese Deformation der Klänge beginnt also eigentlich beim Spiel des Musikers. Wenn Kräfte auf den Klang wirken, bedeutet das ja auch im Grunde eine Begrenzung. Und diese Spieltechniken in dem Sinne, dass sich der Klang selbst nicht frei entfalten kann, sind mir sehr wichtig.

Sowohl bei den Klängen zeigt sich in deiner Arbeit ein breites Spektrum, aber auch rhythmisch, oft mit sehr diffizilen Gebilden.
Das hat sicher mit meinem Interesse an zeitlichen Strukturen zu tun. Zur Polyphonie habe ich immer schon eher einen Bezug gehabt als jetzt beispielsweise in Harmonien zu denken. Es gibt meist keine harmonischen Dispositionen in meinen Stücken. Wenn, dann kommen harmonische Entwicklungen  aus den Klängen selbst. Da beschäftigen mich Fragen, wie z.B., ob man ein bestimmtes Spektrum in einer gewissen Weise filtern kann und so weiter. Aber es ist die Rhythmik, die mich interessiert. In vielen Stücken der letzten Jahre gab es eher  komprimierte Momente, in denen sich die Rhythmik noch nicht so frei hat entfalten können. In „transcription studies“ dann, einem Cello-Kontrabass-Duo, das ich letztes Jahr geschrieben habe, hat dieses Rhythmische mehr Dauer, mehr Zeit eingeräumt bekommen, um fortzuschreiten.

Welche Bedeutung haben außermusikalische Bezüge, wie sie z. B. im Titel transcripts on améry zu entdecken sind?
Das hat meistens nicht mit den Arbeitsprozessen zu tun, sondern mit dem, was mir begegnet und worauf ich reagiere. Verschiedene Texturen von Flächen, von Wänden oder von Stoffen können mich begeistern. Architektur, vor allem leere Räumlichkeiten, Filme, Fotografien. Es gibt speziell auch einiges in der Literatur, eben auch Jean Améry oder zur Zeit gerade Hans Henny Jahnn, Josef Winkler, das mich persönlich angeht, wo ich mich sehr angesprochen fühle. Das bestimmt mich natürlich in irgendeiner Weise auch in meiner Arbeit. Aber es ist nicht so, dass ich das dann eins zu eins übertrage. Da versuche ich schon eher, im Klang verhaftet zu bleiben, also vom Klang auszugehen. Ich kann selbst auch nicht so viel damit anfangen, wenn sich Musik auf etwas anderes bezieht. In dieser Hinsicht ist Musik doch Akt des Geistes.

Welche Rolle spielt die Elektronik für dich?
Da gibt es eigentlich nicht viele Stücke. „transcripts on améry“, das Du eben erwähnt hast, ist letztes Jahr im Rahmen eines Elektronik-Ateliers für die Darmstädter Ferienkurse entstanden. Es gibt von diesem Stück zwei Versionen: für Cello und Live-Elektronik und für Schlagwerk und Live-Elektronik. Ich habe es gern unmittelbar, grob, handfest. Auch hinsichtlich der elektronischen Hilfsmittel. Klangsynthesen oder Klangveränderungen interessieren mich eigentlich wenig. In „transcripts on améry“ ging es mir darum, ein dichtes Netz aus Aufgenommenem und wieder Abgespieltem zu knüpfen. Der Instrumentalist ist das ganze Stück hindurch auf unterschiedlichen Zeitebenen mit seiner Vergangenheit konfrontiert, verstrickt sich sozusagen mit und in sich selbst.

Du hast vorher von der Kraftausübung auf das Instrument gesprochen: Bist du selber als Instrumentalist tätig?
Nein. Ich habe Bratsche in Innsbruck am Konservatorium studiert, aber nicht abgeschlossen. Ich bin dann nach Graz gegangen und habe dort mein Kompositionsstudium begonnen, seitdem spiele ich eigentlich nicht mehr. Es ist allerdings schon so, dass ich ab und zu etwas ausprobiere oder den Klang von Instrumenten einfach unmittelbar hören muss. Bevor ich mit einem Stück anfange, beschäftige ich mich mit den Instrumenten, weil ich da die jeweilige Klanglichkeit für mich brauche, um zu beginnen. Da probiere ich schon manchmal aus, wenn es beispielsweise um ein Streichinstrument geht. Obwohl vieles mittlerweile auch ohne Instrument schon sehr klar für mich ist.

Du hast ja bei prominenten LehrerInnen studiert. Welche Anregungen waren für dich besonders wichtig?
Der Beginn des Kompositionsstudiums in Graz war ziemlich schwierig, weil ich mich da erst orientieren musste. Das ganze Studium bedeutete für mich, Orientierung, Halt zu suchen. Ich habe einige Stücke geschrieben, war aber mit keinem wirklich zufrieden, habe mich mit Kompositionstechniken und allem möglichen beschäftigt. Aber das Kennenlernen von so vielem hat mich letztlich begrenzt und eingeschränkt. Es ist blöd zu sagen, die eigene Sprache zu finden, weil es die nicht gibt, aber das habe ich versucht und es hat das ganze Studium auch nicht geklappt. Beat Furrer, bei dem ich in Graz studierte, hat mir Orientierung in dieser Zeit gegeben, zumindest so weit, dass ich auf schwankenden Brettern gestanden bin.

Wie hat diese Orientierung ausgesehen?
Dass es zumindest ein paar Interessensschwerpunkte gab, wie zum Beispiel eben die Langeweile, Zeitwahrnehmung, das Erwarten von und das Warten auf Klangereignisse. Nach dem Studium habe ich aber nach und nach in mir einen Stillstand bemerkt. Stillstand als Phänomen hat nach wie vor große Bedeutung für mich, vor allem auch deshalb, weil ich generell dazu neige, die Dinge zu entkleiden. Es gibt in mir diese Angst vor dem Stillstand. Aber gleichzeitig fasziniert mich das Extrem der nackten, leeren Zeit auch, wo sich also nichts tut, oder wo sich etwas tut, aber sich nichts verändert. Eigenartigerweise kam es damals zum Stillstand in meinem Komponieren. Mit Chaya Czernowin in Wien habe ich dann intensiv daran gearbeitet, diesen Stillstand zu durchbrechen. Da habe ich gespürt, dass mehr in mir ist und dass auch mehr herauskommen kann. Das war für mich eine sehr wichtige Zeit. Ich habe gemerkt, dass mich das Komponieren wirklich angeht, weil ich mich manchmal auch gefragt habe, ob das der richtige Weg ist. Ich weiß zwar jetzt noch immer nicht, ob es der richtige ist, aber ich tu es und momentan geht es recht gut.

Ist es nicht im künstlerischen Bereich oft so, dass es darum geht, sich selbst zu überwinden?
Was es bedeutet, Komponist zu sein, zu komponieren oder überhaupt künstlerisch tätig zu sein, das verstehen wenige. Ich merke für mich, dass das sehr existenziell ist. Wenn ich komponiere, bin ich abgeschottet und mit meinen Ängsten konfrontiert. Das Komponieren ist für mich also sehr existenziell, die Arbeit, das bewusste Ausführen dieser einsamen Tätigkeit. Ich empfinde diese intensive Arbeit manchmal auch als Krankheit, die man durchstehen muss. Man könnte das psychoanalytisch deuten, aber ich habe manchmal das Gefühl, dass das etwas ist, das mich sehr belastet und das ich hinter mich bringen will. Wobei dann aber die Euphorie kommt.

Arbeitest du lange an deinen Stücken?
Schon. Am liebsten arbeite ich lange an Stücken, was aber Deadlines oftmals einfach nicht zulassen. In der Vergangenheit habe ich mir auch manchmal frühere Stücke wieder vorgenommen. Ich sehe es nach wie vor so, dass Stücke nichts Abgeschlossenes sind. Wobei es immer schwierig ist, etwas, das man vor einiger Zeit gemacht hat, wo man auf einer ganz anderen Entwicklungsstufe stand, dann auf einer neuen Entwicklungsstufe wieder zu bearbeiten. Das kann manchmal schief gehen. Aber früher habe ich schon oft etwas bearbeitet, um es in neue Richtungen zu lenken. Am liebsten arbeite ich lange und gebe mir Zeit, vor allem, wenn das Stück einmal eine Gestalt hat, wenn es fertig ist. Ich lasse es dann oft liegen und nehme es mir später noch einmal vor. Es tut gut, Abstand zu bekommen und dann noch einmal drüber zu gehen. Und es ist einfach wichtig für mich, etwas immer und immer wieder durchzukauen, weil dann vieles klarer wird. Manchmal ist man so in die Arbeit vertieft, dass man ein bisschen die Kontrolle verliert. Das ist manchmal auch gut so. Aber wenn man dann Abstand hat und sich das Stück wieder vornimmt, dann sieht man z. B., dass formal etwas nicht ganz stimmig ist. Was nicht heißt, dass es immer stimmig sein muss, aber es gibt Dinge, die einem dann bewusst werden, die, wenn man sie in der Arbeit unmittelbar macht, einem einfach unterkommen.

Du sagst, es muss nicht stimmig sein, du bearbeitest es immer wieder. Wie würdest du den Werkbegriff definieren?

Am liebsten wäre es mir, wenn die Stücke so eigenartige Gebilde wären, die sich von selbst richten, was sie aber nie tun. Das ist schwierig. Ich habe keinen Werkbegriff. Es gibt schon manchmal das Gefühl, dass ein Stück abgeschlossen ist, also wenn man beispielsweise so erschöpfend daran gearbeitet hat, dass man merkt, dass man da nichts mehr machen kann und es gut ist, so wie es ist. Eigentlich ist das auch bei den letzten Stücken mehr oder weniger der Fall. Stücke verändern sich auch, je nach Aufführung. Das gibt einem dann zu denken, ob das, was man in manchen Dingen gemacht hat, zutrifft. Welche Interpretation kommt dem nahe, klappt das, klappt das nicht … das meine ich ein bisschen damit, dass es ein veränderliches Gebilde ist. Aber an sich ist es natürlich schon etwas Abgeschlossenes. Deswegen habe ich auch ein Problem mit improvisatorischen Teilen. Ich möchte die Kontrolle über das Stück doch eher behalten und möglichst wenig dem Interpreten überlassen. Das hat ein bisschen was mit formalen Gesichtspunkten zu tun. Mir ist die Architektur von Stücken sehr wichtig und bei Improvisation ist das sehr schwierig, da geht man ganz anders an ein Stück heran. Da verwischt die Architektur dann zu sehr.

Noch eine allgemeine Frage: Wie siehst du die Rolle des Komponisten, die Rolle von jungen, noch nicht sehr bekannten Komponisten?

Die Rolle ist leider oftmals eben keine. Ich habe dazu jetzt aber keine bestimmten, nennenswerten Ansichten, wahrscheinlich weil die Tätigkeit, die ich ausübe, zu sehr mit mir verbunden und verwachsen ist, als dass ich da klar sehen würde. Ich selbst kann in letzter Zeit mehr oder weniger gut davon leben, allerdings nach einigen Jahren der Unsicherheit und der Rückschläge, was jetzt nicht heißt, dass zurzeit alles bestens ist. Ich weiß auch nicht, wie es weitergehen wird. Da befinde ich mich zu sehr im Nebel, wie wahrscheinlich viele meiner Kollegen. Neue Musik interessiert mittlerweile mehr Menschen, aber immer noch sehr wenig. Allerdings sollte niemandem etwas aufgezwungen werden. Manchmal finde ich die Tendenz ein bisschen zu verkrampft, Neue Musik an den Mann und an die Frau zu bringen, was natürlich absolut notwendig ist, aber es kommt darauf an, wie das geschieht. Als Komponist ist man nach wie vor so etwas wie ein Alien in der Gesellschaft, daran wird sich auch nichts ändern. Daraus schöpft man aber letztenendes auch seinen Widerstand. Abgesehen davon denke ich, dass man aus sich selbst heraus den Drang verspüren sollte, vor allem auch als Zuhörer, sich mit Dingen zu beschäftigen, denen man sich nicht gewachsen fühlt. Das ist auch immer ein Versuch des Überschreitens und ein Schritt zum Anderen, zum Fremden hin. Wenn dabei, sozusagen als Nebenwirkung, etwas aufflackert, was man vielleicht entfernt als so eine Art Ahnung von Freiheit bezeichnen könnte, dann wäre das in dieser Auseinandersetzung wahrscheinlich die schönste Utopie.

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