Mitte des 18. Jhdt. wurde der Linzer Posthof als Außenstelle der Postmeisterei errichtet. Heute dient der im Hafenviertel gelegene Bau als Repräsentant der lieben Kunst. Das Konzept eines “Mehrsparten-Kulturzentrums” macht das Haus zum Melting Pot aus Musik, Tanz, Theater, Kleinkunst und Literatur. Seit drei Jahren zeichnet sich Gernot Kremser als Verantwortlicher für den musikalisch programmatischen Spielplan der Posthofs. Mit seinem Wunsch, die genrespezifische Vielfältigkeit, den internationalen Einfluss und die Regionalität hoch zu halten, hat er sich den steinigen Weg selbst gepflastert. Keiner Diskussion müde und dem Haus verpflichtet, scheint er genau der richtige für diesen Job zu sein. So streut er im Gespräch mit Lucia Laggner nicht nur dem ganzen Team Rosen, sondern betont, neben allen hoch gesteckten Zielen, seine Verpflichtung, den Standort zu sichern und spannend zu halten.
Der Linzer Posthof lässt sich als Veranstaltungsort charakterisieren. Was ist das besondere an der Institution Posthof?
Gernot Kremser: Für mich ist der Posthof als Nahversorger in Sachen Pupkultur zu verstehen. Er kann und muss auf Grund der Größenordnung viele verschiedene Dinge leisten. Wir haben drei Säle, wovon der kleinste 100 und der Größte 1200 Menschen fasst. Das Programm ist ausgesprochen vielfältig und reicht von independent Produktionen und Geheimtips bis zu interessanten Mainstreamproduktionen, wie etwa Sportfreunde Stiller. Das können alles internationale oder nationale Artists sein. Auf Grund dieser Begebenheiten ist der Posthof sehr differenziert zu betrachten.
Welche Zielgruppe erreicht der Posthof noch nicht? Für welchen Bereich würdest du dir neues Publikum wünschen?
Gernot Kremser: Ich bin jetzt seit drei Jahren Leiter des Posthof und für die Musik zuständig. Gleich zu Beginn habe ich gemeinsam mit Aka Tell von AG Trio eine Elektroreihe initiiert, weil ich gemerkt habe, dass eine solche in unseren Räumlichkeiten noch fehlt und wir diese intelligente, spannende und urbane Musik auch in Oberösterreich sichtbar machen müssen. Wir sind an dieses Projekt mit viel Leidenschaft herangetreten und kläglich gescheitert. In diesem Bereich würde ich mir nach wie vor mehr Besucher wünschen. Ich bin dahinter gekommen, dass dem Posthof anscheinend noch immer der Mythos nachhängt, ein Rockschuppen zu sein und unser oberösterreichisches Publikum Musik zwischen Alternative, Mainstream Metall und Hardcore liebt. Manche Orte sind einfach definiert. Interessanter Weise haben wir es im letzten Jahr nicht geschafft hier eine Umdeutung bzw. Erweiterung zu erreichen und ich würde mir wünschen, dass es uns bald gelingt.
Ist der Posthof selbstständig oder bekommt die Institution von Stadt und Land Förderungen?
Gernot Kremser: Der Posthof ist grundsätzlich ein Teil der Unternehmensgruppe Linz, daher sind wir auch in die Linzer Veranstaltungsgesellschaft “LIVA” eingegliedert. Aus historischer Entwicklung besitzt der Posthof eine inhaltliche Autonomie. Prinzipiell ist diese insofern beschränkt, da wir von der Stadt Linz gefördert sind. Das sehe ich allerdings als wahnsinnigen Vorteil, da ich mir Programme leisten kann, die mir wichtig sind. Ich kann ein Angebot garantieren, dass nicht immer wirtschaftlichen Nutzen für den Posthof einfährt. Als Musiknahversorger, wie ich den Posthof ganz bewusst definiere, müssen wir bestimmte Dinge leisten, die sich finanziell nicht ausgehen würde, wenn wir nicht gefördert wären. Ich habe in den letzten drei Jahren keine irgendwie geartete politische Intervention erfahren.
Dass der Posthof inhaltlich sehr breit aufgestellt ist, liegt an dem zugrundeliegenden Konzept des “Mehrsparten-Kulturzentrums”, das eine programmatische Aufteilung in Musik, Tanz, Theater, Kleinkunst und Literatur vorsieht. Kommt man durch eine so breite Aufstellung nicht in einen organisatorischen Spagat? Wie arbeitet die zuständigen Mitarbeiter zusammen? Wie entsteht das Programm?
Gernot Kremser: Die Erstellung der Jahrespläne und der zeitlichen Abfolge ist wirklich eine Herausforderung, da wir eben die Bereiche Kleinkunst, Literatur, Tanz, Theater, Kabarett und Musik in ihrer jeweiligen Mannigfaltigkeit abzudecken versuchen. Wir haben ein strenges Gerüst, wer den Saal an welchen Tagen bekommt. Innerhalb dieses Gerüsts darf dann getauscht werden. Das hat sich als ungemein angenehm herausgestellt. Natürlich haben wir in der Entwicklung auch alte Hasen, die sich auskennen und routiniert handeln. Gepaart mit unseren jungen Mitarbeitern, die viele dazulernen, ergibt das eine super Synergie. Zu 99,9% läuft alles rund. Diese Umstände haben uns beim letzten Ahoi Pop Festival, das vor drei Jahren neu in unser Programm gekommen ist, einige Komplimente eingebracht. Große Acts, wie Thees Uhlmann, die in Deutschland normaler Weise riesen Hallen bespielen, haben uns als die Benchmark europäischer Clubs bezeichnet. Das ist natürlich ein unglaubliches Lob für uns. Bei uns läuft zwischen Technik, Organisation und Hausleitung eine super Kommunikation. Gerade haben wir den Cateringbereich, der auch sehr wichtig ist, umgestellt und wir arbeiten ständig an Verbesserung.
Arbeiten am Posthof auch PraktikantInnen mit?
Gernot Kremser: Es bewerben sich Praktikanten und ich würde auch gern mehr Praktikanten aufnehmen. Die meisten wollen im Sommer kommen, aber da jährlich zu dieser Zeit unsere Umbaupause statt findet, in der das Haus einmal umgedreht und für den Saisonstart wieder aufgestellt wird, ist das kaum möglich. Ich würde mir wünschen auch unter dem Jahr mit PraktikantInnen arbeiten zu können. Gemeinsam mit der Eventschule in Kufstein versuche ich dahingehend gerade etwas aufzubauen, weil wir eigentlich ständig in Personal- und Finanznot stecken.
“Musik braucht Raum” ist ein Thema des 20-jährigen Jubiläums des mica. Inwiefern bietet der Posthof Raum für den nationalen Nachwuchs, die nationale Musikszene?
Gernot Kremser: Da gibt es mehrere Punkte zu berücksichtigen. Der Posthof hat traditionell im Keller Proberäume. Das war einer der Leit- und Grundgedanken, ein Haus zu betreiben, in dem wir selbst proben, Dinge ausprobieren und gleichzeitig Leute einladen können, die wir toll finden. In der damaligen “Rockhouse” Bewegung ist der Posthof entstanden und hat sie auch getragen. Die Proberäume aus dieser Zeit, gibt es heute immer noch. Als ich allerdings vor drei Jahren gekommen bin, habe ich mich bemüht, dass Bands, die schon 30 Jahre in diesen Räumlichkeiten zusammen spielen, auch Platz machen für jüngere Formationen. Zum Teil hat das sehr gut funktioniert. Auf der anderen Seite gibt es schon seit langer Zeit das sogenannte “Heimspiel” in Linz, das früher österreichweit statt gefunden hat. Das war ein MusikerInnenaustausch zwischen Salzburg, Linz, Wien usw. Mit der Zeit ist das Reservoire leider ausgeschöpft und die zündenden Ideen fehlen manchmal. Trotzdem gibt es diese Veranstaltung weiterhin und wir versuchen Labels wie etwa Konkord zu präsentieren, die gemeinsam einen Abend gestalten. Insgesamt präsentieren wir im Rahmen des Heimspiel zwischen Jänner und März sechs Produktionen. Darüber hinaus haben wir mit Lautstark einen neuen Musikwettbewerb ins Leben gerufen. Derartige Formate sind üblicherweise nicht mein Fall, daher war es mein Anspruch eine spannende Variante zu schaffen, welche die Sichtbarmachung von jungen Bands im Vordergrund hält. In erster Linie kommen die Bands aus Linz und Oberösterreich. Wir arbeiten mit einer Jury, die ein sehr breites Spektrum abdeckt. Von Parov Stelar über Susanne Sawoff bis hin zu Saint Lu und wieder zurück. Dieses Jahr im Jänner hat der Wettbewerb zum zweiten Mal statt gefunden und im Juni wird es ein Schlusskonzert geben, wo die top gereihten Bands auftreten. Im vergangenen Jahr wurden die unterschiedlichsten Genres hochgehalten. Das hat sich von Elektronik über Alternative Rock bis hin zu urbanem R’n’B bewegt. Dieses Geschichte werden wir weiterführen, weil wir auch merken, dass durch breitenwirksame Medien wie etwa das oberösterreichische Radio, das live übertragt, derartigen Formaten auch Raum gegeben wird.
Bietet Linz generell genug Raum für Musik bzw. MusikerInnen. Besitzt der Posthof die notwenige Konkurrenz?
Gernot Kremser: Die Linzer Situation ist spannend, weil sie auch historisch gewachsen ist. Wir hatten die Kapo etwa, die im Hardcorebereich angesiedelt war und durch Huckey und Flip (Texta) zu dem Hiphop Club in Österreich geworden ist. Dazu kommt die Stadtwerkstadt, wo viel im Future Sounds und Elektronik Bereich geleistet wird. Es gibt Ann and Pat als Jugendclub, der im Punkbereich ein starkes Standing und einen Namen hat. Das Cuba kommt als Jugendzentrum hinzu, welches auch Songwriterworkshops anbietet. Das Smaragd wiederum gilt als Reggae-Club. Das Solaris ist ein Club, der House, Electro und Hip Hop vermischt. Eine weitere Location ist der Hof. Es lässt sich demnach sagen, dass die Genres sich recht klar auf unterschiedliche Locations aufsplitten. Der Posthof bleibt breit aufgestellt. Wir Kooperieren etwa mit der Kapu, weil wir auch den größeren Raum haben und uns gerne mit anderen zusammen tun. Das Miteinander ist anders geworden. Wie sich das für die Musiker und Musikerinnen auswirkt, kann ich schwer beurteilen. Ich spreche eher von der Veranstalter und Clubbetreiber Seite, wo sich durch die neue Generation alte Bedenken aufgelöst haben, die es früher vielleicht gegeben hat. Um auf deine Frage konkret zurück zu kommen, denke ich, dass das Angebot in Linz gar nicht mal so schlecht ist.
Im Bereich der Proberäume haben wir mit Sicherheit einen Mangel in Linz. Das wird auch immer wieder thematisiert. Trotz der Wiederentdeckung der Tabakwerke, die etwa 80.000 m2 zur Verfügung stellen würden, hat sich seit 2009 nichts getan. Außer, dass dort Partys veranstaltet werden.
Die gegenwärtigen Entwicklungen in Punkto “Amadeus”, die Absagen einiger Nominierter geben Einblick in die teils doch sehr desolate Situation der österreichischen Musikszene, die nicht zuletzt im vergangenen Jahr in der Kürzungen der Förderungen seitens des ORF gegipfelt ist. Wo ist Raum für die österreichischen MusikerInnen? Wie kann neuer Raum auch in den Medien (Radio, Fernsehen usw.) geschaffen werden?
Gernot Kremser: Ich kann diesbezüglich nur von mir ausgehen. Mein Versuch ist es, damit bin ich auch angetreten und habe es vollmundig erklärt, größere Produktionen im Posthof mit regionalen Supportbands zu kombinieren. Das ist gar nicht so einfach, weil es meist eine Streiterei ist, aber ich lasse mich auch nach drei Jahren auf jede Diskussion ein, weil ich davon überzeugt bin, dass es sich bezahlt macht. Warum das gescheit ist, muss ich wohl gar nicht erläutern. Da ich selbst aus dem Musikjournalismus komme, kenne ich die KollegInnenschaft sehr gut und weiß auch, dass man als Band in diese Kreise gar nicht so leicht einen Fuß hineinbekommt. Im öffentlich-rechtlichen Bereich ist das sowieso schwierig. Es ist leider Gottes so, dass der Weg der MusikerInnen dann oft über Deutschland führt.
Was sind die formulierten Ziele für die Zukunft? Was treibt euch an, was strebt ihr an?
Ein formuliertes Ziel ist immer, den Standort zu sichern. Dann natürlich auch, was wir vorhin besprochen haben, nämlich den Anteil an spannenden regionalen und nationalen Inhalten auszuweiten. Das Europop Festival zu verfestigen. Letztes Jahr waren HVOB eingeladen, die ja ihre Amadeus Nominierung aktuell zurückgezogen haben. Die beschäftigen sich intensiv mit der tatsächlichen Situation österreichischer Popmusik und ich kann ihren Standpunkt nachvollziehen. Umso spannender wird es das Europop auszubauen. Wichtig wird es auch in Zukunft sein, Unterschiedlichkeiten und Abwechslung im Programm zu reflektieren und zu gewährleisten. Die Versuchung ist natürlich immer groß, gut funktionierende Bereiche, bei uns etwa Heavy Metall, besonders zu pushen. Ich will alle mit einbeziehen. Wir sind extrem divers und gleichzeitig bleibt der gemeinsame Nenner immer die Qualität. Das ist auch für die Zukunft wahnsinnig wichtig. Es bleibt erstrebenswert den schwierigen, sich reibenden Dingen nicht aus dem Weg zu gehen und keine weichgespülte und oberflächliche Programmierung vorzunehmen, sondern immer etwas Unerwartetes zu tun, die Leute zu überraschen und wachzurütteln, aber trotzdem zu unterhalten. Dieser Spagat soll auch in Zukunft möglich sein.
Foto Credits: Posthof
Die Diskussions- und Vortragsreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.