mica-Interview mit Freischwimma

Freischwimma stehen für Musik, die durch ihre Ehrlichkeit und Authentizität geprägt ist. Hier trifft musikalische Spielfreude auf eindrucksvollen Sprachwitz. Wortgewaltig, bilderreich werden Momentaufnahmen des Lebens in Songformen gepresst und mit spielerischer Leichtigkeit zu einem Spiegel geformt. Oftmals werden Alltagsbanalitäten zu den tiefgehenden großen Themen des Lebens hochstilisiert. Wer sich darin nicht wiederfindet, dem ist nicht zu helfen. Gesungen wird in Mundart. Direkt, ohne Rettungsanker, ohne doppelten Boden, singen Freischwimma über ihre Lieben, ihre Laster, ihre Fehler und Wünsche. Neue Dialektmusik im zeitgemäßen Mantel aus räudigen Gitarrenklängen, verwunschenem Orgelspiel, kraftvollem Gesang und druckreichem Beat. Ein musikalischer Leckerbissen, der genussvoll nach Mehr verlangt. Ein Mehr an Lebensfreude, ein Mehr an Ausdruck und Originalität, ein Mehr an Vielfalt und Kreativität. Clemens Engert traf sich mit folgenden drei der insgesamt fünf Bandmitglieder zum Gespräch: Florian Kargl (Gesang, E-Gitarre), Alex Lausch (E-Gitarre, Gesang) und Stefan Haslinger (Hammond-Orgel).

Bitte zunächst die obligatorische Kurzbiographie – wie hat alles begonnen, wie habt ihr als Band zusammengefunden?

Florian: Als „Freischwimma“ gibt es uns seit den Aufnahmen zu unserem ersten Album „FS1“, das 2010 entstanden ist. Ich hatte vorher schon in Alex´ Studio ein Soloalbum aufgenommen und durch diese Zusammenarbeit hat sich herauskristallisiert, dass wir gerne einmal etwas zusammen machen würden. Stefan ist dann bei unserem aktuellen Album „Rostiga Nogl“ zum Line-Up hinzugestoßen. Wir kommen ja alle aus dem Waldviertel und haben uns schon vorm gemeinsamen Musikmachen gekannt.

Wenn man sich als Band entscheidet, in der Mundart zu singen, muss man quasi davon ausgehen, dass man kaum über die österreichischen Grenzen hinweg bekannt werden kann – habt ihr das bewusst so in Kauf genommen?

Alex: Wir haben da bis jetzt eigentlich keine wirklich negativen Erfahrungen gemacht.

Florian: Ich denke mir immer, wenn man auf irgendeinem World Music-Festival ist und dort spielt eine bulgarische Band, weiß man ja auch nicht, was die singen. Trotzdem kann der Funke überspringen.

Alex: Außerdem versteht man ja auch bei einem Großteil der englischen oder amerikanischen Bands, die im Radio laufen, oft die Hälfte nicht. Die Leute interessiert das auch nicht immer, was da gesungen wird. Und die Zuhörer, die es wirklich interessiert, die setzen sich dann auch tatsächlich aktiv damit auseinander und googeln zum Beispiel nach den Texten im Internet. Das ist auch bei Freischwimma so. Wir haben auch nie daran gedacht, dass wir uns durch die Mundart irgendwie in unseren Möglichkeiten einschränken. Man gründet ja nicht eine Band und kalkuliert gleich von Anfang an damit, in Frankreich auf Tour zu gehen.

Habt ihr Bedenken, dass sich viele Leute bei euch zu sehr auf die Dialekt-Texte konzentrieren und dabei die Musik zu kurz kommt? Ihr habt ja schließlich auch vom Sound und von den Arrangements her Einiges zu bieten, wie ich finde.


Alex:
Ja, ich denke, man muss da ein bisschen aufpassen, was diesen Dialekt-Aspekt betrifft. Es geht uns nicht darum, irgendetwas zu erhalten – der Dialekt an sich ist kein eigener Teil der Musik. „Sprache“ an und für sich nimmt bei Freischwimma natürlich einen großen Stellenwert ein, aber es geht da nicht darum, den Waldviertler oder Wiener Dialekt wieder aufleben zu lassen, sondern wir singen einfach so, wie uns der Schnabel gewachsen ist.

Stefan: Ja, die Texte sind einfach in der Sprache geschrieben, in der auch wir miteinander kommunizieren. Gute Musik und Dialekt-Texte sind ja kein Widerspruch.

Florian: Wir sind aber definitiv nicht von der Mundartpolizei – die Mundart steht sicher nicht im Zentrum unseres Schaffens. Wir machen das einfach so, wie wir uns am besten ausdrücken können.

Alex: Ob der Konjunktiv „taratn“ oder „tättatn“ ist, ist uns zum Beispiel vollkommen wurscht (allgemeines Gelächter).

Florian: Was unsere Zuhörerschaft betrifft, habe ich jedenfalls nicht den Eindruck, dass wir rein auf den Dialekt-Aspekt reduziert werden. Meine Erfahrung ist, dass es da eher um das Gesamtbild geht. Eine gute Band wird als eine gute Band wahrgenommen – egal, in welcher Sprache gesungen wird. Auch die Rezensionen zu unseren bisherigen beiden Alben beschränken sich keineswegs ausschließlich auf den Dialekt-Aspekt, sondern beziehen sich auch auf unsere musikalischen Fähigkeiten und unsere musikalische Authentizität.

Stefan:
Ja, es passiert bei uns musikalisch ja auch sehr viel. Es ist nicht so, dass man sich gleich an uns satt hört.

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Findet ihr, dass sich viele Bands zu sehr darauf konzentrieren, möglichst erfolgreich zu werden und sich entschließen, auf Hochdeutsch oder Englisch zu singen, anstatt auf Authentizität zu bauen, wie ihr das macht?

Florian: Mich persönlich stört es nicht, wenn eine österreichische Band meint, auf Englisch singen zu müssen. Ich finde es gut, dass es da eine gewisse Vielfalt gibt. Jeder soll da seinen eigenen Zugang finden.

Ich mutmaße einmal, dass Humor eine relativ große Rolle bei Freischwimma einnimmt.

Florian: Nein, wir sind ein komplett ernster Haufen. Wir haben – glaube ich – in den letzten vier Jahren insgesamt drei „Schmähs gerissen“ und die waren ganz schlecht. Dann haben wir extra einen Vertrag aufgesetzt, dass wir das nicht mehr machen. Wenn einer jetzt bei einer Probe einen Schmäh bringt, wird die Probe sofort abgebrochen (lacht).

Alex: Eigentlich sind wir Alle ganz schlimme Zyniker. Deswegen müssen wir uns selbst eine Grenze setzen, und diese Grenze ist die Bühnenkante. Man darf halt nie vergessen, dass man viele Sachen von vornherein erklären müsste, damit sich die Leute nicht vor den Kopf gestoßen fühlen. Manche Sachen lassen sich einfach nur referenziell verstehen und die kann man dann auf der Bühne nicht so bringen.

Florian: Ich habe eigentlich auch keine Lust, auf der Bühne den Clown zu spielen. Auf der anderen Seite will ich aber auch nicht, dass die Leute Eintritt zahlen und ich präsentiere ihnen dann ein zynisches Konzert und hau ihnen irgendwie die Nummern um die Ohren. Einen gewissen Zynismus braucht man vielleicht, wenn man in Österreich Musik macht, aber den muss man nicht auf die Bühne bringen. Das bringt ja nix.

Welchen musikalischen Hintergrund habt ihr? Mit welcher Art von Musik wurdet ihr sozialisiert?

Florian: Musikalisch sozialisiert wurde ich grundsätzlich im nördlichen Waldviertel Mitte der 80er-Jahre bis Mitte der 90er-Jahre mit Ö3 (lacht). Ich persönlich hatte auch den Vorteil, dass wir in Waidhofen einen Jazz-/Blues-Club hatten, wo man als Jugendlicher halt hingegangen ist und sich diverse Konzerte angeschaut hat.

Stefan: Für mich waren die Beatles eigentlich immer relevant – besonders natürlich die Songs mit Orgelteilen. Bei Bob Dylan sind natürlich auch viele Hammond-Elemente drinnen und in letzter Zeit beeinflusst mich zum Beispiel John Mayer sehr dabei, was ich für Freischwimma mit meinem Instrument mache.

Alex: Grundsätzlich kommen wir aber alle aus recht unterschiedlichen Bereichen. Ein gemeinsamer Nenner, auf den wir uns vielleicht einigen könnten wäre Led Zeppelin.

Eure Musik klingt teilweise sehr energiegeladen und intensiv – wie setzt sich das Klangbild bei Freischwimma zusammen?

Alex:
Das Stilelement „Orgel“ kommt zum Beispiel grundsätzlich von der Vorstellung, was Rockmusik für uns ausmacht. Ich meine damit, dass Rockmusik schon so arrangiert ist, dass es „in“ den Instrumenten passiert und es weniger daran liegt, was die Instrumente spielen. Ein Schlagzeug macht eben das, was ein Schlagzeug macht und ein Bass macht das, was ein Bass macht – und nicht beides gleichzeitig. Dasselbe trifft auf die anderen Instrumente zu. So ergibt sich dann ein Klangbild, das bewusst so roh wie möglich gehalten ist. Das hat zum einen den Grund, dass wir uns nicht in der Produktion „verlaufen“ wollen – wir wollen eben lieber eine Woche lang an etwas arbeiten als ein Jahr lang – und zum Zweiten ist es dann auch live viel besser und einfacher umzusetzen.

Florian: Die Songs entstehen normalerweise so, dass ich zuhause mit meiner akustischen Gitarre eine Grundidee erarbeite und diese dann gemeinsam im Proberaum fertig arrangiert wird. Mittlerweile kommt es aber immer häufiger vor, dass Lieder schon beim gemeinsamen Jammen entstehen. Das bedeutet für mich dann etwas Stress, weil ich erst noch einen Text dazu schreiben muss.

Euer Debüt „FS 1“ ist 2011 erschienen, im Vorjahr folgte „Rostiga Nogl“ – was sind eurer Meinung nach die markantesten Veränderungen, wenn man die beiden Alben vergleicht?

Alex: Ich glaube, dass die Arrangements einfach punktgenauer sind und wir einen gewissen Mut zur Dynamik entwickelt haben. Wir haben eine Portion Selbstvertrauen aus der Produktion des ersten Albums mitgenommen und wussten deshalb schon genauer, was wir wollten.

Florian: Die Entstehungszeit von „Rostiga Nogl“ war auch kürzer als bei „FS1“, das halt eine etwas längere „Vorgeschichte“ hatte. Dadurch wurde der Prozess irgendwie intensiver – auch mit den ganzen emotionalen Hintergrundgeschichten, die während des Schreibens des Albums passiert sind. Vielleicht wirkt das aktuelle Album auch deswegen runder und geschlossener.

Apropos „emotionale Hintergrundgeschichten“ – im Song „Hoiba Fünfe“ singst du unter anderem „Ist es die Liebe, die uns zum Menschen mocht oder das Scheitern, des uns erst wochsen losst?“.

Florian: Text und Musik sind halt immer ein Versuch, eine emotionale Stimmung umzusetzen und etwas zugängig zu machen – sei es für einen selbst, für den Zuhörer oder für einen Freund, dem es gerade nicht gut geht. Bezogen auf diese Zeile ist eben meine Erfahrung, dass Scheitern einfach dazugehört und man dadurch auch immer etwas lernt. Aber das möchte ich jetzt nicht unbedingt auf T-Shirts drucken lassen und als allgemein gültige Weisheit verkaufen.

Alex: Das Schöne daran ist, dass da oft ein Diskurs mit den Fans entsteht. Unterschiedlichste Leute kommen zu uns und sagen, dass eine Textzeile genau auf ihr Leben zutrifft. In unseren Texten gibt es kaum klare Aussagen, sondern es ist immer eine zweite Ebene, ein Interpretationsspielraum für den Zuhörer dabei. Ansonsten könnte ich ja gleich eine Zusammenfassung schreiben, wie was gemeint ist und auf die Homepage stellen (lacht).

Ihr habt zum Beispiel auch schon Auftritte in Tschechien absolviert? Wie war das Feedback dort?

Florian: Eigentlich war das Feedback dort wirklich gut. Die sprachliche Ebene war halt dabei nicht so im Vordergrund, aber das hat im Prinzip nichts ausgemacht und es war schön zu sehen, dass es auch so funktioniert.

Ihr wart zuletzt Teil der Austrozone-Reihe von Eberhard Forcher, wo Videos von österreichischen Bands vorgestellt werden – wie findet ihr dieses Konzept?

Florian: Ja, das ist eine sehr coole Sache. Soweit ich weiß, kommt das Format ja jetzt auch ins Fernsehen.

Was ist das schönste Dialektwort, das man nicht ins normale Hochdeutsch übersetzen kann?

Florian: Der Vorteil an der Mundart ist halt, dass es Worte gibt, die im Hochdeutschen eher umschrieben werden. Das macht die Sprache irgendwie runder und einfacher. Eine Phrase wie „Jo, eh“ würde in Deutschland zum Beispiel niemand verstehen. Das gibt es dort einfach nicht.

Alex:
Ich weiß zwar nicht, ob wir das in irgendeinem Text drinnen haben, aber mir würden spontan die Begriffe „zuwa“ und „daune“ bzw. „zuwe“ und „dauna“ einfallen. Das kann man eigentlich nicht direkt ins Hochdeutsch übersetzen. Ein wunderschönes Feld in diesem Zusammenhang ist natürlich auch der Konjunktiv – solche Lautmalereien wie „kunnt ma“ und „tarat“. Die kann man in Texten so schön punktuell setzen und haben gleichzeitig eine ganz eigene Bedeutung.

Eure Pläne für dieses Jahr?

Florian: Wir sind bereits im Studio und arbeiten am nächsten Album, das 2015 bei Monkey Music erscheinen soll. Der Fokus liegt derzeit dezidiert auf der kreativen Arbeit – deswegen werden wir heuer auch nicht mehr sehr viel live spielen.

Alex: Ich denke, dass die neue Platte noch fokussierter wird als die Bisherigen. Wir werden einfach jene Dinge weglassen, die nicht notwendig sind und das konsequent so durchziehen. Ich glaube, das Endprodukt wird dann noch „näher“ am Zuhörer sein – sowohl textlich als auch musikalisch.

Danke für das Interview.

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