mica-Interview mit Fräulein Hona

Fräulein Hona ist ein – in Wien ansässiges – Quartett, das seit seiner Gründung im Herbst 2010 auf den diversen Theater- und Festivalbühnen und in Cafés und Wohnzimmern der österreichischen Singer/Songwriter-Szene zu hören und zu sehen ist. Mit  gewitzten Arrangements und ausgefeilten Instrumentierungen werden ganz im Sinne von „quiet is the new loud“ Geschichten von melancholischen Zimtstangen, blauen Matrosen und verlassenen Plätzen erzählt. Vierstimmig treiben Fräulein Hona das Konzept zwischen Müßiggang und Alltagsverlust so weit, bis ihnen jegliche Portion  Traurigkeit scheißegal wird. Die eigene musikalisch-kulinarische Schubladisierung lautet: „Bitterschokolade eingelegt in Chilivodka“. Bereits sehr beeindruckend umgesetzt wurde diese Formel auf dem Debüt-Album des Quartetts mit dem Titel „The Ground Beneath Our Feet“, das mit einem ganz eigenen, intimen Charme zu überzeugen weiß und die eine oder andere wahre Singer-/Songwriter-Perle bereit hält. Clemens Engert traf sich mit den vier Protagonistinnen Kerstin Eckert (Gesang, Gitarre, Piano, Percussion, Melodica), Melanie Künz (Gesang, Gitarre, Cello, Percussion, Glockenspiel, Melodica), Johanna „Hanna“ Schmid (Gesang, Gitarre, Piano, Cello, Ukulele, Percussion) und Judith Prieler (Gesang, Violine, Glockenspiel, Percussion) in einem Wiener Café zum Gespräch.

Ihr habt höchstwahrscheinlich den „Shitstorm“ rund um das Interview von Ö3-Moderatorin Elke Lichtenegger mitbekommen – was ist eure Meinung dazu?

Wir finden es – gerade, wenn man bedenkt, dass Ö3 ja eigentlich einen Bildungsauftrag haben sollte –ziemlich seltsam, dass kaum österreichische Musik gespielt wird. In anderen Ländern wie Frankreich oder England gibt es ja auch eine Quote für einheimische Musik. Es müssen ja nicht gleich 50 % sein, sondern vielleicht 20 oder 30 %.

Würdet ihr überhaupt gerne auf Ö3 gespielt werden?

Dass wir zum Beispiel bereits auf Ö1 gespielt wurden, freut uns besonders und hat uns sehr geehrt. Wir finden, dass es schon in Ordnung ist, wenn Sender ihre eigenen Sparten haben und es gibt ja in allen Sparten gute österreichische Bands. Wir freuen uns aber natürlich über jeden Menschen, dem unsere Musik gefällt und wollen da kein Publikum ausschließen. Wir würden uns also natürlich auch freuen, wenn dem/der typischen Ö3-HörerIn unsere Musik zusagt. Es gäbe wahrscheinlich auch ein paar Songs von uns, die Ö3-tauglich wären.

Könnt ihr kurz den Entstehungsprozess euer Band beschreiben? Wie habt ihr euch kennengelernt?

Wir waren schon Freundinnen, bevor die Band entstanden ist. Drei von uns haben Musikwissenschaften bzw. Musiktherapie studiert und dann haben wir einfach mal zu improvisieren begonnen. Es gab aber eigentlich nie eine offizielle Bandgründung, es hat sich einfach so mit der Zeit entwickelt.

Eure Texte sind zum Teil in deutscher Sprache und zum Teil auf Englisch – war das eine bewusste Entscheidung oder ist das ganz natürlich so entstanden?

Das war eigentlich sehr spontan und für uns von vornherein eine normale Herangehensweise. Wir hatten einfach verschiedene Songideen im Kopf – manchmal waren die eben auf Deutsch und manchmal auf Englisch. Wir haben auch unterschiedliche Zugänge, weil die Songs von unterschiedlichen Bandmitgliedern geschrieben werden.

Welchen Stellenwert nehmen bei euch die Texte insgesamt im Verhältnis zu der Musik ein?

Es ist wahrscheinlich ziemlich ausgewogen, aber eigentlich ist immer von Beginn an schon ein Text da. Wir fangen also nicht an, rein instrumental zu improvisieren und schreiben dann einen Text dazu, sondern die Grundlage ist eigentlich immer der Text in Verbindung mit einer Melodie. Möglicherweise sind uns die Texte sogar wichtiger und die Musik unterstreicht dann quasi die Botschaft. Das Thema des Textes bildet schon die Basis, wie wir dann die musikalische Atmosphäre darum herum gestalten wollen- ob es zum Beispiel eher reduziert sein soll oder opulenter.

Viele eurer Texte wirken sehr direkt und gerade heraus – z.B. beim Song „Es tanzt nicht“ – ist euch dieser Zugang generell lieber, als die Botschaften hinter Metaphern zu verstecken?

Unterschiedlich. Hanna schreibt zum Beispiel lieber in Metaphern, weil sie manchmal nicht will, dass sich die Personen, die mit einem Text gemeint sind, direkt angesprochen fühlen. Deswegen lässt sie da gerne ein paar Interpretationsmöglichkeiten offen. „Es tanzt nicht“ kommt möglicherweise so rüber, weil es in der „Du“-Form geschrieben ist und der Text schon beim Schreiben an jemanden gerichtet war, aber generell sind schon auch viele Metaphern in unseren Texten. Wir finden es gut, wenn es einen gewissen Interpretationsspielraum für die Leute gibt, die die Musik hören.

Euer Album „The Ground Beneath Our Feet“ verströmt eine schöne Live-Atmosphäre und klingt streckenweise sehr intim – wie genau sind die Aufnahmen entstanden?

Ja, wir haben im Prinzip zuerst die Instrumente – bis auf ein paar wenige Spuren, die nachher dazu kamen – gemeinsam eingespielt und dann in einem zweiten Schritt die Stimmen aufgenommen, ebenfalls gemeinsam. Wir wollten ganz gezielt, dass das Album ein bisschen einen Live-Charakter erhält und nicht zu „produziert“ klingt. Es freut uns also, wenn das auch so rüberkommt. Wir haben das Album übrigens im Atelier von Kerstins Vater aufgenommen und die künstlerische Atmosphäre dort hat wohl auch zur richtigen Stimmung beigetragen.

Wenn ihr ein Wort hättet, um das zu beschreiben, was ihr mit eurer Musik ausdrücken wollt – was wäre es?

Oje, das ist eine ziemlich schwierige Frage. Vielleicht „Bilder“? Das kann man ja verschiedenartig interpretieren. Naheliegend wären vielleicht auch die Begriffe „Stimmung“ und „Gefühle“ oder vielleicht sogar „Brücke“, aber das klingt dann vielleicht doch ein bisschen zu kitschig, Vielleicht fällt uns ja noch etwas weniger Kitschiges ein. (allgemeines Gelächter)

Welche Künstler oder welche Art von Musik inspirieren euch beim Songschreiben?

Eigentlich sehr viele Sachen. Es ist bei uns Vieren jeweils  auch ein bisschen unterschiedlich. Teilweise sind es Singer-/Songwriter-Bands wie Bon Iver und Daughter oder „Klassiker“ wie Leonard Cohen und Bob Dylan, die wir irgendwie schon von klein auf gehört haben, aber zum Beispiel auch Radiohead. Bei Hanna sind es machmal Bücher, die sie inspirieren. Der Albumtitel „The Ground Beneath Our Feet“ ist ja eine Anspielung auf Salman Rushdies Buch „The Ground Beneath Her Feet“ (Anm. d. Red.: deutscher Titel „Der Boden unter ihren Füßen“), bei dem es um das Thema „Migration“ geht und darum, wo man gerade im Leben steht. Auch die Natur kann zum Beispiel sehr inspirierend sein – gerade deswegen, weil es ein Ort ist, wo nichts verändert wurde und die Menschen nicht ihre Finger im Spiel hatten.

Was ist eurer Meinung nach die meistüberschätzte Band der Welt?

Hanna: Ich hoffe das kommt jetzt nicht zu böse rüber, aber ich habe in letzter Zeit sehr oft mit meinen Freunden darüber gesprochen, dass wir „Ja, Panik“ ziemlich überschätzt finden. Ich denke, dass da ein bisschen zu viel medial breitgetreten und intellektuell gehandelt wird und mir erscheint das im Verhältnis schon ein bisschen zu viel „Trara“. Aber das ist meine persönliche Meinung.

Alle:
Wenn wir vorher schon bei Ö3 waren: Justin Bieber, Beyoncé und so weiter kann man eventuell auch als „überschätzt“ einstufen, aber das ist wohl eine Frage des Geschmacks. Vielleicht sagen die ja das Selbe über so manchen Singer-/Songwriter. Aber bei solchen Acts besteht halt oft der Eindruck, dass die Show und das Drumherum mehr zählt als die Musik selbst.

Und die meistunterschätzte?

Da würden uns schon ein paar Bands einfallen, die halt überhaupt nicht berühmt sind. Letztes Jahr haben wir zum Beispiel die deutsche Band „Talking to Turtles“ auf dem Waves-Festival gesehen. Die haben uns sehr gefallen. Die kennt eigentlich kaum jemand und wir würden sie wahrscheinlich auch nicht kennen, wenn wir sie nicht zufällig gesehen hätten. Aber wahrscheinlich gibt es in der Größenordnung sehr viele Bands, die nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient hätten.

Wie geht es in diesem Jahr mit Fräulein Hona weiter?

Wir gehen im August auf Tour – Deutschland, Niederlande und Belgien stehen auf dem Plan. Wir booken alles selbst, was teilweise halt ein bisschen mühsam ist, weil im Schnitt von 70 Locations, die man anschreibt, sieben zurückschreiben – und da sind dann auch ein paar Absagen dabei. Aber wir werden im Zuge der Tour auch viel Straßenmusik machen. Das haben wir schon letztes Jahr, als wir auf Tour waren, so gemacht,  und das hat eigentlich super funktioniert und war eine sehr positive Erfahrung. Natürlich hat es länderspezifisch kleine Unterschiede gegeben, wie das Ganze aufgenommen wurde. In Deutschland war das Feedback zum Beispiel sehr positiv, in der Schweiz wiederum waren die Leute doch etwas kritischer. Aber insgesamt sind die, die sich beschweren, doch klar in der Minderheit.

Danke für das Interview.


Fräulein Hona live:

16. Mai –  Jazzcafe Bird / Melodica Festival, Wien
25. Mai – Xandl Bräu Bierbrauerei / Salon Ditta, Vitis
14. Juni – Austria Tabak Pavillon / Rad & Roll, Wels
31. Oktober – Kulturverein Bahnhof, Andelsbuch
01. Dezember – Porgy & Bess / Wiener Adventkalender, Wien

https://www.facebook.com/FraeuleinHona
http://fraeuleinhona.bandcamp.com