Kulturpreise des Landes Niederösterreich

Wien (OTS) – Seit dem Jahr 1960 vergibt das Land Niederösterreich jährlich Kulturpreise. Aus diesem Anlass wird im Rahmen einer Gala, welche am 26. November im Festspielhaus St. Pölten über die Bühne geht,  neben der Verleihung der Kulturpreise heuer einmalig ein Jubiläumspreis vergeben. Darüber hinaus erscheint eine Festschrift zu 50 Jahren Kulturpreise, die an diesem Abend präsentiert wird.

In insgesamt acht Sparten – Bildende Kunst, Literatur, Architektur, Medienkunst (Sparte Spielfilm), Kunst im öffentlichen Raum (Sonderpreis 2010), Musik, Volkskultur und Kulturinitiativen sowie der Jubiläumspreis für “Innovation und Forschung in Museen
Niederösterreichs” – werden je ein Würdigungspreis (EUR 11.000,-) und zwei Anerkennungspreise (je EUR 4.000,-) durch Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll verliehen.

Ablauf
JournalistInnen haben von 18.00 Uhr bis kurz vor 19.00 Uhr die Möglichkeit, den PreisträgerInnen in gemütlicher Atmosphäre ihre Fragen zu stellen. Durch die Gala ab 19.00 Uhr führt die beliebte ORF-Moderatorin Katharina Huemer. Die Gastrede hält der Unternehmer und Gründer der Sammlung Essl Prof. Karlheinz Essl. Musikalisch wird die Gala vom Jugendsinfonieorchester Niederösterreich und den Global.Kryner “Take Five” gestaltet.

18.00 Uhr Journalistenempfang im Pausenfoyer (G2) mit Buffet(In Anwesenheit der Preisträgerinnen und Preisträger mit der Möglichkeit für Fotos und Interviews)

19.00 Uhr Beginn der Gala im Großen Saal

Datum: 26.11.2010, um 18:00 Uhr
Ort: Festspielhaus St. Pölten, Kulturbezirk 2, 3100 Sankt Pölten

Rückfragehinweis und Anmeldungen:
Mag. (FH) Katharina Salzgeber
Presse & Medienarbeit
Festspielhaus St. Pölten
Tel.: +43(0)2742/90 80 80-811
Fax: +43(0)2742/90 80 81
Mobil: +43 (0)664/604 99-811
katharina.salzgeber@festspielhaus.at
www.festspielhaus.at/presse

Preisträger Musik

Anerkennungspreis Musik Sonja Huber

Absolute Musik
Sonja Huber, 1980 in Wiener Neustadt geboren, überzeugt mit einer außerordentlichen Bandbreite an musikalisch-kreativen Leistungen: Als Komponistin, Pianistin, Dirigentin, Wissenschafterin und Pädagogin präsentiert sie einen ernsthaften und „neugierigen“ Zugang zur Musik verbunden mit einem hohen Niveau in der Ausführung. Die Idee, dass Musik etwas „Absolutes“ ist und frei von nicht-musikalischen Einflüssen ihre Existenzberechtigung hat, verfolgt Huber auch in ihrem kompositorischen Schaffen und versucht dies auch in einer Tonsprache auszudrücken, die sie selbst – in einer „vorsichtigen“ Art und Weise – als „atonal“ beschreibt.

Ihre musikalische Ausbildung erhielt Sonja Huber an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, wo sie Komposition bei Michael Jarrell und Detlev Müller-Siemens, Konzertfach Klavier bei Jürg von Vintschger sowie Stephan Möller und Musiktheorie bei Dieter Torkewitz studierte. Meisterkurse u. a. bei Helmut Lachenmann unterstützen ihre kompositorischen Fertigkeiten im Bereich Neuer Musik.

Ihre Kompositionen dokumentieren ein weitreichendes kreatives Potenzial. Das Orchesterwerk „Spurensuche“ (2005) war ein kompositorisches Auftragswerk des Landes Niederösterreich, wurde auch im Wiener Konzerthaus aufgeführt und zeigt, dass sie als Komponistin und Musikerin der jüngeren Generation bereits über einen erheblichen Erfahrungsschatz verfügt, der von Interesse an verschiedensten Epochen und theoretischen Analysen ergänzt wird. Für ihre Leistungen hat Sonja Huber 2006 den Kulturanerkennungspreis für Musik ihrer Heimatstadt Wiener Neustadt erhalten.

Als eine der relativ seltenen „Species“ komponierender Frauen war Sonja Huber von 2003 bis 2009 als Vorstandsmitglied der „Österreichischen Gesellschaft für Zeitgenössische Musik“ (ÖGZM) aktiv, ist seit 2009 Mitglied der INÖK – Interessengemeinschaft niederösterreichischer Komponist(inn)en und hat eine Lehrtätigkeit an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien inne.
Richard Graf

Anerkennungspreis Musik Harry Sokal

Rhythmischer Jazzsound
Der Jazz als eine der wichtigsten musikalischen Hervorbringungen des 20. Jahrhunderts fordert von seinen Protagonisten im Gegensatz zu vielen anderen Stilen und Genres die unbedingte Verbindung von Erfinder (Komponist) und Übermittler (Interpret). Somit sind die stilbildenden Persönlichkeiten der Jazzgeschichte immer Komponisten und  Interpreten ihrer Werke in Personalunion. Der Begriff des Komponierens geht zusätzlich weit über die klassische Definition hinaus: Jazzmusiker(innen) komponieren „in real time“, indem sie im Moment und improvisierend Musik erfinden.

Harry Sokal tut das auf höchstem Niveau und international und in größter stilistischer Breite seit Jahrzehnten. Der 1954 geborene Niederösterreicher brachte sowohl als Bandleader von Ensembles wie „Full Circle“, „Roots Ahead“, „Voices of Time“ oder dem aktuellsten und in ganz Europa tourenden Trio „Depart“, als auch in seiner Rolle als Sideman mit prägenden Jazzpersönlichkeiten wie Art Blakey, Dave Holland, Michel Portal, Carla Bley oder Joe Zawinul seine persönliche Stimme ein. Diese seine Stimme definiert sich vor allem durch ein lyrisch-kraftvolles Spiel auf dem Tenorsaxophon, zu dem sich zusätzlich ein in allen Registern kontrolliert beherrschtes Sopransaxophon gesellt. Und Sokal prahlt nicht in erster Linie mit instrumenteller Virtuosität, die er natürlich jederzeit abrufen kann, sondern nützt seine Gabe, mit klaren Linien und größtem harmonisch-melodischen Können dem jeweiligen Stück und seinem ästhetischen Kontext gerecht zu werden.

Sokals Soli können zu wahren Erlebnissen, Erzählungen werden: Hier ruft jemand nicht bloß angesammelte Phrasen und Möglichkeiten ab, sondern begibt sich mit Haut und Haar in das momentane, interaktive und spontane Musizieren ohne Netz, das den Jazz ausmacht. Unzählige solcher elektrisierender Momente des Improvisierens schenkte er u. a. 33 Jahre lang dem „Vienna Art Orchestra“, dessen Gründungsmitglied er ist, und von 1979 bis 1999 dem legendären „Art Farmer Quintett“.

Dass Harry Sokal neben seinen Tourneen und Produktionen seine Erfahrungen als verantwortungsvoller und inspirierender Lehrer auch an den Nachwuchs weitergibt, ist nicht hoch genug zu schätzen.
Christian Muthspiel


Würdigungspreis Musik Otto Kargl

Pädagoge, Domkapellmeister, Veranstalter

„Keine Kunst ist in ihrer Entwicklung so sehr gehemmt durch ihre Lehrer wie die Musik. Denn niemand wacht eifersüchtiger über sein Eigentum als der, der weiß, dass es genau genommen, nicht ihm gehört!
(Arnold Schönberg)

Nein, der 1957 in Gaal (Steiermark) geborene Otto Kargl, aufgewachsen ebendort in einem Landgasthaus in der Nähe der Benediktiner-Abtei Seckau (Steiermark) im „Spannungsfeld von Volkslied und Gregorianischem Choral, Alkoholikern und Mönchen und im Umfeld einer sing- und musizierfreudigen Großfamilie”, hemmt mit seiner Unterrichtstätigkeit am Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese St. Pölten keinesfalls die Entwicklung der Musik und den Werdegang musizierender Menschen. Seit 1991 gibt der Ausnahme-Könner in den Fächern Gregorianik, Chordirigieren und Chorsingen das kostbare Wissen einer musikalischen Tradition weiter, damit jene wertvollen Informationen über Kunst- und Handwerk weiterleben, nicht verloren gehen, somit uns allen gehören und folglich einen jeden bereichern und beglücken.

Kargl ist nicht einer jener vielen selbstbezogenen Talentevernichter in den Talentevernichtungsanstalten einer sich selbst genügenden universitären Kunstwelt. Er ist ein engagierter, die Neugier entzündender, Mut zusprechender, inspirierender „Ermöglicher“.
Von 1984 bis 1992 arbeitete Otto Kargl als Regionalkantor der Diözese St. Pölten und seit 1992 als Domkapellmeister. Die Chor- und Kirchenmusikpflege bedeutet nicht nur ein gemeinsames Werken und Wirken mit „professionellen“, sprich Berufsmusiker(inne)n. Viele „Amateure“ stellen ihre wertvolle Freizeit in den Dienst einer gemeinsamen Sache: dem engagierten Musizieren. Dieser ungemein kostbare Kulturvermittlungswert kann in Vergangenheit, Gegenwart und in Zukunft nicht hoch genug geschätzt und bewertet werden. Das betrifft die Arbeit mit den musizierenden „Amateuren“ (franz. einer, der etwas liebt) wie auch die oftmals hervorragende Leistung der musizierenden „Dilettanten“ (ital. der, den etwas entzückt).

In diesem Sinn leistete Otto Kargl in all den Jahren als Chorleiter und Dommusikkapellmeister wunderbares, wirklich einzigartiges – selbstverständlich, bescheiden, unermüdlich, unbeirrbar.

Seit 1992 wirkt Kargl als künstlerischer Leiter des Kirchenmusikfestivals „Musica Sacra“ in Niederösterreich und erstellt jedes Jahr ein musikalisches Programm, welches abseits aller Komfort- und Ohrenwellness sehr viel bewegt. Kargl orientiert sich nicht an den ausgetretenen Pfaden einer stets nach neuen (Über)Reizungen lechzenden Event-Kultur. Der Domkapellmeister lädt ein, zu einer gemeinsamen Suche: nach neuen Hörerlebnissen, welche die musikalische Tradition sowie selbstredend auch die Moderne betreffen. An- und Zuhören, Mit- und Weiterdenken, Dialog und Diskurs sind ihm wertvolle Anliegen. Weit über die Grenzen Niederösterreichs hinaus wirken Otto Kargls Impulse. Selten findet man ein solch lebendiges Kirchenmusikfest in den europäischen Kulturlandschaften: ein Herz, Seele und Geist bewegendes Klang-Ereignis, wohltuend fern jedweder Weltanschauungs-Dogmatik.

Otto Kargl, Domkapellmeister und Freigeist am Dom zu St. Pölten, bekam den Würdigungspreis für Musik des Landes Niederösterreich zugesprochen. Endlich.
Wir gratulieren von ganzem Herzen. Möge Otto Kargl, ein Musiker der Kirche und als solcher folglich ein wahrer „Kirchenmann“, auch weiterhin viele „Con- und Dissonantien” erzeugen, lehren und veranstalten. „…damit diese eine wohlklingende Harmonie zur Ehre Gottes und zulässiger Ergötzung des Gemüths” ergeben. „Denn es könnte doch vielleicht durchaus möglich sein“, so Johann Sebastian Bach in seiner Schrift „Kurtzer Unterricht von den sogenannten General Bass”, dass allzu leicht sonst folgendes geschieht (z. B. bei fehlenden Dissonantien): „ Wo dieses nicht in Acht genommen wird da ists keine eigentliche Music sondern ein Teuflisch Geplerr und Geleyer.”
Renald Deppe