„Ich wollte zeigen, dass da eigentlich viel mehr ist“ – DAME im mica-Interview

DAME wollte dieses Mal weg von den ausgetretenen Pfaden, hin zu etwas Neuem, das zeigen sollte, dass er an Facetten viel reicher ist, als man es von ihm bislang gekannt hat. Der Rapper aus Salzburg wagt auf seinem neuen Album „All meine Farben“ (Sony; VÖ: 9.9.) das Experiment und zeigt sich als vielfältiger Songwriter, dessen Breite an musikalischem Ausdruck nicht wenige überraschen wird. Im Interview mit Michael Ternai erzählte der Salzburger, welchen Einfluss Corona auf das Album ausübte, warum er etwas Neues ausprobieren wollte und warum dieses Mal der Entstehungsprozess der Songs ganz anders war.

Dein neues Album überrascht. Vor allem dahingehend, dass du deine Geschichten musikalisch sehr vielfältig erzählst. Auch von der Stimmung her unterschiedet es sich von vorangegangenen Alben. Wie ist es zu diesem Wandel gekommen?

Dame: Dass das Album so geworden ist, hat viel damit zu tun, dass ich an diesem zu arbeiten begonnen habe, als es mit Corona so richtig losging. Das hat viel verändert und eine andere Herangehensweise erfordert. Normalerweise arbeite ich bei einem Album mit vielen Leuten zusammen. Da sind dann schon einige Beats vorproduziert, über die ich dann eigentlich nur mehr drüberschreiben muss. Das war dieses Mal nicht möglich. Ich bin während der Lockdowns wie die meisten zu Hause gesessen und hab mir überlegt, was ich jetzt anders machen könnte. Während dieser Zeit war es auch so, dass ich immer wieder zu meiner Gitarre gegriffen oder mich ans Klavier gesetzt habe und begonnen habe, an Songs zu arbeiten. Was viele vielleicht nicht wissen, ist, dass ich auch viel für andere Leute schreibe. Und das in vielen verschiedenen Sparten. Ich mache das wirklich sehr gern, weil mir das die Möglichkeit gibt, in unterschiedliche Richtungen zu arbeiten.
Es ist auch noch hinzugekommen, dass ich begonnen habe, mir Gedanken darüber zu machen, wie es denn live mit meinem Material aussieht. Mein Repertoire besteht ja hauptsächlich aus Hip-Hop-Songs und Ähnlichem. Ich hatte das Gefühl, dass da auch etwas anderes hergehört, damit es nicht irgendwann einmal eintönig wird, ein musikalischer Kontrast zu dem, was ich bisher gemacht habe.
In dieser Zeit sind zu Hause eben sehr viel Melodien und Ideen entstanden. Und die ruhige Umgebung hat auch eine ruhigere Herangehensweise bedingt. All das hat mich dazu angespornt, etwas Neues zu probieren. Ich wollte zeigen, dass da eigentlich viel mehr ist.

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„Ich wollte schon auch zeigen, dass meine Stimme mehr kann.“

Dieses „etwas Neues probieren“ zeigt sich auch darin, dass du auf „All meine Farben“ sehr viel singst.

Dame: Das kommt auch daher, dass ich privat sehr gern singe. Und ich habe auch in der Vergangenheit in meinen Songs gesungen. Speziell in Refrains. Diesmal bin ich es umgekehrt angegangen. Die Rap-Elemente sind etwas weniger geworden, dafür der Gesang mehr. Ich wollte schon auch zeigen, dass meine Stimme mehr kann. Von der Arbeit und der Aufnahme her empfand ich da jetzt aber keinen großen Unterschied. Einzig das Schreiben war anders, denn je weniger Wörter du verwendest, desto gezielter musst du mit diesen umgehen. Wenn ich einen normalen Rap-Text schreibe, weiß ich: „Okay, da habe ich noch zehn Zeilen, um auf den Punkt zu kommen.“ Das ist bei einem Sing-Text anders. Da muss man sich schon überlegen, wo man was hinsetzt.

Auf dem Album ist der poppige Anteil doch etwas nach oben geschraubt. Wie sehr war das beabsichtigt?

Dame: Ich würde jetzt nicht sagen, dass das wirklich beabsichtigt war. Der Sound des Albums ist eher das Ergebnis davon, dass ich wirklich nur mit Gitarre und Klavier gearbeitet habe und die Songs wirklich alle von mir allein kommen. Ich bin eigentlich mit relativ fertigen Songs ins Studio gekommen. Erst dort habe ich mit Jojo [Johannes Herbst, Anm.] an der Umsetzung gearbeitet. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, dass die Sachen einen viel melodiöseren und ruhigeren Charakter angenommen haben. Und natürlich übten auch die Lockdowns einen Einfluss aus. Es war in dieser Zeit so ruhig. Es war einfach keine Power da, weil jede*r in so einer gedämpften Stimmung war. Da habe ich selber irgendwie die Lust verloren, irgendetwas zu machen. All diese Dinge haben eben dazu geführt, dass die neuen Songs diesen ruhigeren Charakter haben.

Bild Dame
Dame (c) Miguel Vera Casso

Was auffällt, ist auch die sehr vielfältige Soundarbeit. Die Songs sind gespickt mit vielen Details. Auch etwas, was neu ist.

Dame: Das war früher tatsächlich ganz anders. Jojo ist ein echter Multiinstumentalist und hat sich, was den Sound betrifft, natürlich sehr eingebracht. Und auch ich spiele in jedem Song entweder Gitarre oder Klavier, was früher nicht der Fall gewesen ist. Wir haben auch nicht versucht, einen roten Faden für das Album zu finden, sondern geschaut, welcher Sound am besten zu jedem einzelnen Song passt. Und so haben wir einfach dahingearbeitet. Und die Dinge haben erfreulicherweise wirklich gut ineinandergegriffen, sodass wir relativ rasch fertig waren. Es war ein sehr angenehmes Arbeiten, denn es hat überhaupt keinen Releasedruck gegeben. Es war ja lange nicht klar, wann Touren und Konzerte wieder möglich sein werden. Das hat uns die Gelegenheit gegeben, ganz ohne Druck das zu machen, was uns taugt.

„Ich habe in meinem Umfeld viele bewegende Geschichten gesehen.“

Du hattest natürlich auch schon davor persönliche Songs auf deinen Alben, nur sind auf deinem neuen fast ausschließlich solche. Woher kommen die Geschichten?

Dame: Es sind Dinge, die in meinem engeren Umfeld bzw. auch mir passiert sind. Mit Corona sind einfach sehr viele Dinge auf mich eingeprasselt. Eindrücke, Beobachtungen und persönliche Erlebnisse. Ich habe in meinem Umfeld viele bewegende Geschichten gesehen. Leute sind plötzlich auf einem viel engeren Raum zusammengepfercht gewesen, viele haben ihren regulären Jobs nicht nachgehen können und mussten überlegen, was sie stattdessen tun sollten, manche sind auch in eine finanzielle Notlage geraten und, und, und. Ich machte in dieser Zeit auch eine Trennung durch. Es sind so viele Sachen passiert, die letztlich auch diese Nachdenklichkeit in dieses Album hineingebracht haben.

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Ich will mit den Songs die Menschen auch ein wenig dazu aufrufen, dass sie sich nicht verbiegen lassen und die Dinge auch offen ansprechen. Ich hatte eine Zeit lang Panikattacken, sprach aber lange mit niemandem darüber, bis ich einmal für die „Rock EP“ einen Song darüber gemacht habe. Danach ist plötzlich auch in meinem Freundeskreis darüber gesprochen worden und es stellte sich heraus, dass die Hälfte der Leute mit solchen Attacken zu kämpfen hat. Nur hat sich nie jemand getraut, das Thema anzusprechen. Jeder dachte, das wäre etwas, worüber man nicht reden sollte. In Wirklichkeit sind das aber alles Sachen, die zu einem dazugehören.

Es war also ein Bedürfnis, diese Sachen in deiner Musik zu verarbeiten.

Dame: Einerseits ja, weil ich in meiner Musik immer irgendetwas verarbeite. Musik war für mich immer ein Ventil. Aber ich habe auch gesehen, dass es wegen Corona sehr vielen Menschen schlecht gegangen ist. Und denen will ich mit meinen Songs genauso Mut und Hoffnung geben. Ich finde, es war einfach nicht die richtige Zeit für ein typisches Rap-Album. Ich habe das Gefühl, dass die Leute jetzt einfach etwas anderes wollen.

Das Schöne an den Songs ist, dass sie trotz der nachdenklichen Texte nicht ins Schwarzmalerische und Wütende hineinkippen. Die Songs transportieren auch Hoffnung und Optimismus.

Dame: Mein Grundgedanke war immer, den Leuten etwas mitzugeben. Natürlich gibt es auch bei mir Rap-Songs, die über die Rap-Thematik und das Musikbusiness nicht hinausgehen. Ich mache das ja schon sehr lange. Und natürlich hat sich auch mein Bezug zur Musik im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Ich werde nie wieder solche Texte schreiben, die ich mit 15 oder 16 geschrieben habe, in einem Alter, in dem wir auf der Bühne gestanden sind und uns in Live-Battles duelliert haben. Damals haben wir über die Worte, die wir verwendet haben, nicht viel nachgedacht. Ab dem zweiten Album, glaub ich, hat sich da etwas begonnen zu verändern. Ich merkte, dass diese Sprache eigentlich nicht zu mir passt. Jetzt war es eben wieder an der Zeit, ein wenig weiterzugehen. Und es ist ja nicht ausgeschlossen, dass ich in Zukunft auch mal wieder ein Feature mit einem härteren Rap-Test machen werde. Aber ich genieße es im Moment einfach, mit meiner Stimme zu jonglieren und neue Dinge auszuprobieren. Deswegen ist das neue Album so geworden.

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Das Album ist in der Coronazeit entstanden. Was ist dir in dieser am meisten abgegangen? Die Bühne?

Dame: Ich muss sagen, dass ich die Zeit extrem gut genutzt habe, auch wenn es zum Teil auch extrem frustrierend war. Man plant mit großem Aufwand eine Tour, die dann wieder einmal verschoben wird, beim Bühnenbild gibt es Lieferschwierigkeiten. Es gab einige Sachen, die nicht nach Plan verlaufen sind. Wir mussten überall Umwege suchen und konnten eigentlich nie wirklich die hundert Prozent bieten, die wir eigentlich bieten wollten. Das war schon frustrierend. Auf der anderen Seite habe ich während dieser Zeit sehr viele wertvolle Erfahrungen gemacht, die mich privat wie auch als Künstler schon weitergebracht haben. Die Coronazeit hat mir die Gelegenheit gegeben, einmal aus dem Hamsterrad herauszutreten und genau hinzuschauen, was in der Vergangenheit vielleicht nicht so optimal gelaufen ist. Und da haben wir dann umjustiert.

Mit „All meine Farben“ wagst du eine gewisse musikalische Richtungsänderung. Was sind deine Erwartungen bezüglich des Albums? Wie sieht das bisherige Feedback aus?

Dame: Ich bin schon gespannt, wie es bei den Fans ankommen wird. Das Feedback, dass ich aus meinem Umfeld erhalten habe, ist auf jeden Fall positiv. Natürlich ist es für jede*n erst einmal etwas Neues, aber dennoch ist der Zuspruch groß. Es wird vielleicht Leute geben, vor allem solche aus der Gamer-Szene, die mich schon seit 2011 kennen und vielleicht enttäuscht sein könnten. Aber es hätte mir dieses Mal einfach keinen Spaß gemacht, ein anderes Album als dieses zu machen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Ternai

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Dame live
Fr 09 Sep Szene, Salzburg
Sa 10 Sep Im Wizemann, Stuttgart
So 11 Sep Club Central, Erfurt
Di 13 Sep Reithalle, Dresden
Mi 14 Sep Täubchenthal, Leipzig
Do 15 Sep Factory, Magdeburg
Fr 16 Sep Capitol, Hannover
Sa 17 Sep Schlachthof, Bremen
So 18 Sep Grosse Freiheit, Hamburg
Di 20 Sep Max Nachttheater, Kiel
Mi 21 Sep Huxley’s Neue Welt, Berlin
Do 22 Sep Löwensaal, Nürnberg
Fr 23 Sep TonHalle, München
Mi 09 Nov Carlswerk Victoria, Köln
Do 10 Nov Skaters Palace, Münster
Fr 11 Nov Turbinenhalle 2, Oberhausen
Sa 12 Nov Komplex 457, Zürich
So 13 Nov Kofmehl, Solothurn
Mo 14 Nov Batschkapp, Frankfurt
Mi 16 Nov Music Hall, Innsbruck
Do 17 Nov Orpheum, Graz
Fr 18 Nov Planet TT im Gasometer, Wien
Sa 19 Nov VAZ, St. Pölten
So 20 Nov Posthof, Linz


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