Echoraum: Beckett und Jandl – Zwei Sprechopern mit Musik von Josef Klammer und Katharina Klement

Echoraum: Beckett und  Jandl – Zwei Sprechopern mit Musik von Josef Klammer und Katharina Klementdramagraz – die freie Truppe aus dem Grazer Griesviertel zu Gast in der Sechshauser Straße 66 in Wien – eine weitere der Ruhmestaten der unermüdlichen Produktionen im Echoraum. Ernst Binder und sein Team beschäftigten sich mit Texten von Samuel Beckett und Ernst Jandl als zwei Seiten einer Medaille. Während Beckett’s  “a piece of monologue” (mit Musik von Josef Klammer) – einen stillen inneren Monolog eines Schauspielers über das Leben (und Schreiben) darstellt, erlaubt die Umsetzung von Ernst Jandl’s wunderbarer Sprechoper “aus der fremde” (Musik: Katharina Klement) eine komödiantische Form der Darstellung. Wiederholungen des Abends: 14./15./16. Jänner 2010.

Es geht um das Leben eines Dichters, der mit sich hadert. Der Mann (Rudi Widerhofer) in Samuel Becketts Stück “A Piece of Monologue” (“Ein Stück Sprache”) ist Künstler und Lautsprecher. “Er hat nichts zu erzählen. Er spricht nur von seiner Verpflichtung, der Geschichte seines Kampfes, etwas erzählen zu müssen. Wie in allen Texten Becketts findet auch in diesem Monolog eine Auseinandersetzung mit dem Leben statt, hier konzentriert auf die Verbindung von Mensch und Wort und Licht.”

 

Für “a piece of monologue” komponierte und spielt der Musiker Josef Klammer die Musik. Das Konzept ist typisch für die Arbeit dieses Komponisten, der seine Musik wie schon einmal als “Latente Partitur” bezeichnet – das tat er etwa auch 2008 bei “Die Latente Partitur”, Konzert für Funkorchester und Schlagzeug, mit  8 Amateurfunkern der OEVSV-Ortsgruppe Judenburg uraufgeführt.

 

Diese Partitur öffnet und schließt Lautstärkenregler, aktiviert Filter und Tonhöhenänderungen gemäß einer präzisen Komposition. “Der Computer erzeugt nicht die Klänge sondern er öffnet lediglich Zeitfenster – akustische Stroboskope.” Das Klangmaterial liefert Klammer live auf der Bühne, einmal als Teil 1 als Einleitung zum Sprechmonolog, dem Mittelteil des Stücks, sodann genau von hinten wieder nach vorne, als Schlusskapitel.  Dabei versetzt er den Resonanzkörper Bühne mit einer Reihe von Stimmgabeln,  eine nach (und über oder unter) der anderen in Schwingung, insgesamt ca. acht, das ergibt wundersame Zusammenklänge, denen man nachsinnen kann. Rudi Widerhofer agiert als Figur des Dichters dann das gesamte Stück hindurch splitterfasernackt.

 

Nach der Pause gibt es dann aber gottlob auch sehr viel zu lachen. Ernst Jandls Sprechoper wurde übrigens einst 1979 beim steirischen herbst in Graz uraufgeführt. Gespielt wurde es mit drei Protagonisten, Werner Halbedl als Schriftsteller, Ninja Reichert als dessen Schriftstellerinnenfreundin und wieder Rudi Widerhofer als “Bekannter” zu Besuch. Manchmal “singen” die den Text auch, wenn es besonders banal wird. Sehr gekonnt und spannend jeweils die kurzen elektronischen “Zwischenaktmusiken” Katharina Klements als Markierungen der (tages-)zeitlichen und szenischen Wechsel in der Großstadtwohnung des sehr viel Whiskey trinkenden Schriftstellers, der zu überhaupt nichts kommt. “Zwischen Alltäglichem, Selbstzweifel, Produktivität, Alltagsöde, Krankheiten und Einschlafstörungen, der Beziehung mit einer Schriftstellerfreundin und Tabletten oder der Whiskey-Flasche mit und ohne Mineral” spielt das Stück.

 

Besonderes Markenzeichen des Textes: Alle Sätze wurden von Ernst Jandl in den Konjunktiv verwandelt, was den alltäglichen Banalitäten eine besondere Bühnenwirksamkeit verleiht. Auch die Sätze in dem Stück, das der Schriftsteller zu schreiben versucht, sollen alle im Konjunktiv sein, der Dichter liest der Freundin im Konjunktiv daraus vor und erklärt ihr im Konjunktiv, was am Konjunktiv so besonders daran sei (Pardon: ,läse der Freundin vor und erkläre im Konjunktiv ,was besonderes daran wäre’, hätte er schreiben wollen – ein “ich” gibt es nämlich auch nicht im Jandl-Text).

 

Das Stück zeigt den Schriftsteller in seiner Privatsphäre: “Da ist von Einschlafschwierigkeiten zu hören, vom schweren Aufstehen, von der Einnahme von Medikamenten, der Besorgung der Einkäufe, von der Korrespondenz, die zu erledigen ist. Die Beziehung zu einer Dichterin verläuft nicht wunschgemäß: Zu viele Friktionen trüben das Beziehungsleben. Sie ist die erfolgreichere Schriftstellerin, er kämpft gegen Staubwolken, seinem Drang zum Alkohol und gegen quälend weiße Papierblätter, leidet an der öden Fruchtlosigkeit mancher papierenen Tage. Das Stück, das er schreibt, sei einfach ,alltagsdreck / chronik der laufenden ereignislosigkeit’. Historische Dramen wolle er nicht schreiben, diese seien für die ,großen historischen dramatiker / diese gebe es schließlich / wenn man die großen unaufgeführten hinzuzähle / zum saufüttern’. Das Schreiben fällt einfach schwer, ist mühsame Arbeit. ,aus der fremde’ konterkariert das romantische Bild des genialen Dichters, dessen Sätze von Herz und Kopf förmlich widerstandslos aufs Papier fließen. Gegen die Schreibhemmung nützen die verschiedenen Verfahren der Selbstreflexion nicht, selbst das Verlassen der gehassten Schreibhöhle fällt schwer: ,das düstere Treppenhaus / zeige ihm / dass er hier fremd sei’. (Zitat Peter Landerl, aus http://www.literaturhaus.at/)
Heinz Rögl

Echoraum
Samuel Beckett : a piece of monologue
Ernst Jandl : aus der fremde

 

Premiere : 13. Jänner 2010
Weitere Vorstellungen 14., 15., 16. Jänner 10
Beckett, a piece of monologue, schauspiel,
mit Rudi Widerhofer und Josef Klammer
Musik : Josef Klammer
Regie und Ausstattung : Ernst Marianne Binder
Rechte : Suhrkamp Verlag ? Frankfurt/Main

 

Jandl, aus der fremde, sprechoper
mit Werner Halbedl ? Ninja Reichert ? Rudi Widerhofer ? Claudia Hansl
Musik : Katharina Klement
Regie : Ernst Marianne Binder
Kostüme : Katharina Scheicher
Rechte : Rowohlt Theater Verlag ? Reinbek/Hamburg

 

Fotos © dramagraz