„Das, wonach wir süchtig sind, ist das Livespielen“ – AT PAVILLON im mica-Interview

2014 veröffentlichte die Wiener Gruppe AT PAVILLON ihre erste Single und EP. Schon damals war klar, dass die Band großes Potenzial hat. Fast fünf Jahre später veröffentlichte sie ihren ersten Langspieler „Believe Us“ (LasVegas Records), der in Kritikerkreisen sofort extrem positiv aufgenommen wurde. Und das ist kein Wunder, denn AT PAVILLON führen eingängige Melodien mit politischen Lyrics zusammen. Mit Anne-Marie Darok sprachen MWITA MATARO (Gesang, Gitarre), BERNHARD MELCHART (Gitarre), TOBIAS KOBL (Bass) und PAUL AMELI (Schlagzeug) über ihren Werdegang, ihren Hang zu aufwendigen Musikvideos und ihre riesige Liebe zu Liveauftritten.

2015 haben wir das erste mica-Interview mit Ihnen geführt. Gibt es ein bestimmtes Event, einen bestimmten Moment, an den Sie sich noch erinnern?

At Pavillon: Es gibt mehrere, aber ein Moment ist besonders in Erinnerung geblieben. Wir haben in einem komplett überfüllten Club in Wien gespielt und es waren einige Leute aus der Musikbranche dabei. Für uns als Neueinsteiger in der Szene war das natürlich ein Grund, um nervös zu sein. Gleich nach dem zweiten Song ist eine Basssaite gerissen und wir hatten natürlich keine Ersatzsaite da. Also haben wir das Publikum gefragt, ob jemand in der Nähe wohnt und einen Bass besitzt. Nach zwei Songs, die Mwita [Mwita Mataro; Anm.] und Berni [Bernhard Melchar; Anm.] zu zweit spielten, um Zeit zu überbrücken, kam wirklich einer der Zuschauer mit einem Bass zurück und wir konnten das Konzert spielen. Das war jedenfalls eines der prägendsten Konzerte unserer Laufbahn.

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Von Anfang an haben Sie großen Wert auf Ihre Videos gelegt. Diese sind qualitativ hochwertig produziert und erzählen jedes Mal eine Geschichte. Bei „All Eyes On You“ hat man das Gefühl, eine Folge „Black Mirror“ zu schauen. Steckt wirklich eine Kritik an unserer handysüchtigen Gesellschaft dahinter?

At Pavillon: Das Musikvideo sollte bewusst eine Kritik an jenen sein, die emotional abgestumpft sind und nur mit dem Smartphone herumlaufen. Besonders die Momente, in denen Menschen Hilfe brauchen und Schaulustige nichts tun, außer zu filmen. „Black Mirror“ war definitiv eine Inspiration.

Ende 2017 wurde Ihr Frontman Mwita Mataro in einem Kino rassistisch angegriffen. Im Video zu „Stop This War“ wird er scheinbar entführt und von einem Trio aus unterwürfigen weißen Typen gefoltert. Was war Ihre Idee hinter dem Video? Und für was oder wen steht der alte Sadist?

At Pavillon: Auch wenn uns dieser Vorfall emotional getroffen hat und wir in unseren Texten, Konzerten und Interviews das Thema Rassismus thematisieren, hat das Video von „Stop this War“ mit diesem speziellen Fall nichts zu tun. Das Drehbuch haben wir zusammen mit dem Regisseur geschrieben und jeder von uns hat seine eigene Interpretation. Das gibt zwar keine genaue Aufklärung für die Zuseherinnen und Zuseher, jedoch steht es dadurch auch jedem frei, das Video so zu interpretieren, wie sie bzw. er das möchte.

„Mittlerweile pushen wir uns vor Konzerten gegenseitig so stark, dass wir richtig selbstbewusst auftreten können.”

In Ihren Videos spielen Sie immer selbst mit. Haben Sie sich von Anfang an vor der Kamera wohlgefühlt?

At Pavillon: Mwita hat sich immer schon sehr wohlgefühlt vor der Kamera. Für den Rest von uns war es schon eine Herausforderung, uns in diesen Situationen fallen zu lassen. Mittlerweile pushen wir uns vor Shootings und auch Konzerten gegenseitig so stark, dass wir richtig selbstbewusst auftreten können.

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Im damaligen Interview meinten Sie, dass es wichtig sei, wichtige, politische Themen popkulturell so zu verpacken, dass es größeren Massen gefällt. Sehen Sie das immer noch so oder hat sich da etwas geändert?

At Pavillon: Seit unserer Gründung war es uns immer wichtig, gesellschaftliche Konflikte anzusprechen und aufzuzeigen. Jeder Song auf unserem Album „Believe Us“ beinhaltet politische Themen, die in unserem Songwriting-Prozess immer relevant gewesen sind.

„Mit den Menschen zu feiern ist uns viel wichtiger als mediale Aufmerksamkeit.“

At Pavillon Cover “Believe Us”

Ihr Debütalbum ist schon von einigen Medien besprochen und für gut befunden worden. Wie geht es Ihnen jetzt, da Ihr erster Langspieler erschienen ist?

At Pavillon: Natürlich ist es ein unglaublich besonderer Moment gewesen, auf den wir lange Zeit hingearbeitet haben. Die mediale Aufmerksamkeit war größer als gedacht und so was lässt einen natürlich hochfliegen. Das, wonach wir süchtig sind, ist das Livespielen. Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, an dem wir eine Deutschland- und eine Österreich-Tour spielen können, um mit Leuten zu unserer Musik zu tanzen und zu feiern. Mit den Menschen zu feiern ist uns viel wichtiger als mediale Aufmerksamkeit.

Die Songs klingen nach einer frischen Version von Bloc Party oder Young Fathers. Wer sind Ihre Vorbilder? Und wie stark lassen Sie sich musikalisch von diesen beeinflussen?

At Pavillon: Früher haben wir sehr viel Bloc Party gehört, aber das hat sich in den letzten Jahren schon ziemlich verändert. Young Fathers kannten wir alle nicht, um ehrlich zu sein. Aber wir haben reingehört und finden es ziemlich geil! Am Album begleitet haben uns zum Beispiel Roosevelt, Parcels, Her, Foals, Last Shadow Puppets und auch Red Hot Chili Peppers und Herbert Grönemeyer.
Und wie wichtig sind die Kritiken für Sie?

At Pavillon: Natürlich verfolgen wir die Kritiken und fühlen uns auch immer sehr geschmeichelt, aber wir machen die Musik in erster Linie für uns und unsere Fans.

Stehen Sie lieber auf der Bühne oder im Studio?

At Pavillon: Definitiv auf der Bühne!

Wie stehen Sie zum österreichischen Musikbusiness? Gibt es Dinge, die unbedingt verbessert werden müssen, oder läuft alles so, wie es soll?

At Pavillon: Wir finden es toll, dass es Institutionen wie mica, den Österreichischen Musikfonds, eine Vielzahl an Labels und Booking-Agenturen gibt. Nichtsdestotrotz sehen wir, dass in vielen Köpfen noch konservatives Denken verhaftet ist. Dies aufzubrechen würde dem Business den nächsten Sprung verschaffen.

Welchen Tipp würden Sie einer neuen Band geben, die gerade angefangen hat, an ihrer Karriere zu arbeiten?

At Pavillon: Übt von Anfang an mit Metronom, geht nicht gezielt einem Trend nach, erkundigt euch nach Fördermöglichkeiten und schaut, dass ihr die Aufgabenbereiche von Anfang an gut aufeinander verteilt.

Was sind Ihre Pläne für 2019?

At Pavillon: Viel spielen, unbekannte Städte erkunden und Liebe verbreiten!

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Anne-Marie Darok

Termin:
25. April 2019 – At Pavillon (AT), Yokohomo (AT), Noyoco (AT), DJ Neon Panta (AT) – Rockhouse, Salzburg

Links:
At Pavillon
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