Arktis/Air – en-trance

Dass die sechs Jungs der Band Arktis/Air in musikalischen Belangen nicht unbedingt die bereits eingetretenen Pfade verfolgen, ist ja schon seit ihrem selbstbetitelten 2011er Debüt hinlänglich bekannt. Auf dem nun erscheinenden Zweitlingswerk „en-trance“ (Wire Globe Recordings) jedoch gehen sie viele Schritte weiter. Weg vom Jazz, aus dem sie alle mehr oder weniger stammen, wenden sich Philipp Harnisch und seine Kollegen deutlich mehr dem Rock zu, und zwar dem der etwas heftigeren Sorte. Kennt man schon, werden manche vielleicht zu Recht einwerfen, die radikale Art, mit welcher Arktis/Air diesen Wandel im Sound vollziehen, dürfte aber letztlich einen jeden Skeptiker eines Besseren belehren. Hierzulande präsentiert wird „en-trance“ am 28. November im Linzer Kapu, sowie zwei Tage darauf, am 30. November, in der Wiener Arena. Davor geht es für die Band aber noch auf eine ausgedehnte Tour nach Deutschland.

Man nehme John Zorns legendäres Free-Jazz-Noise-Impro-Hardcore Projekt Painkiller und mische dieses mit großen Post-Metal-Ambitionen der Sorte Isis, sowie gelegentlichen 70er Jahre Progrock-Experimenten in der Tradition von Bands wie King Crimson. Zu guter Letzt garniere man das dieser Art entstandene wild-schräge Klangspektakel mit dem grenzenlosen Blast Beat-Wahnsinn der Grindcore-Kapelle Napalm Death, der Komplexität und spielerischen Finesse des Jazz und auch leichten Melvins-Anleihen. Wie das alles zusammengeht? Arktis/Air machen es vor.

Philipp Harnisch (Altsaxophon, Glockenspiel, Stimme), Bernhard Geigl (Keyboards, Stimme), Bernhard Höchtel (Keyboards, Stimme), Robert Pockfuss (Gitarre, Stimme), Markus Steinkeller (Gitarre, Gesang) und Niki Dolp (Schlagzeug, Percussion, Stimme), die sechs Köpfe hinter diesem musikalisch doch weit aus dem Rahmen des Gewöhnlichen fallenden Projekts, verorten ihren vielschichtigen und irgendwo zwischen hochenergetischen, wie eruptiven Eskapaden und zurückhaltenden, minimalistischen, wie stimmungsaufbauenden Passagen hin und her pendelnden Sound ganz bewusst weit außerhalb der üblichen stilistischen Kategorien, sie entwerfen sich einen modernen erklingenden und von allen Dogmen losgelösten musikalischen Kosmos, dem eine hörbar große innovative Kraft inne wohnt und in dem alles geschehen darf und es auch tut.

Was sich im ersten Moment ein wenig wie das gewollt herbeigeführte reine Chaos liest, hat, ganz im Gegenteil, doch eine Struktur und Richtung, die Nummern bauen und formen sich über langgezogene, sich immer in Bewegung befindliche Spannungsbögen, mal vertrackt, mal richtig schon gefällig zu ihren jeweiligen Höhepunkten auf. Arktis/Air verfallen in ihrem Tun dabei erfreulicherweise nie in die Hektik, ihre Stücke unbedingt auf kürzestem Weg auf den Punkt bringen zu müssen, vielmehr lässt die Band ihrer Musik die notwendige Zeit, die sie braucht, um ihre Wirkung auch wirklich voll entfalten zu können. Ein Umstand, der letztlich auch zu einem Mehr an Atmosphäre führt.

„en-trance“ ist ein Album geworden, das auf ungezwungene und erfrischend ungestüme Weise neue Wege aufzeigt, weil eben von den beteiligten Musikern auch der Bruch mit den traditionellen Entwürfen gesucht wird. Vielleicht mehr als bei vielen anderen Konstellationen regiert bei Arktis/Air das musikalische Verständnis dafür, das Eigenständige in der Überwindung der Grenzen zwischen den einzelnen Spielformen zu suchen. Und das passiert hier auf eine richtig lässige und fast schon atemberaubende Art.
Michael Ternai

Termine
15.11. Glashaus, Bayreuth (D)
16.11. MUZclub, Nürnberg (D)
19.11. Urban Spree, Berlin (D)
20.11. Alster Musikkneipe, Jena (D)
21.11. Telegraph Jazzclub, Leipzig (D)
23.11. Big Buttinsky, Osnabrück (D)
24.11. Lagerhaus, Bremen (D)
26.11. Antarctica, Amsterdam (NED)
27.11. Immerhin, Würzburg (D)
28.11. Kapu, Linz (AUT)
30.11. Arena, Wien (AUT)

Cover Artwork: Michael Tripold

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