mica-Interview Patricia Enigl und Georg Titz (Temp-Records)

Patricia Enigl (aka Irradiation) und Georg Titz (aka Imperomon) sind zwei der Mitbegründer von Temp-Records. Das seit 2003 bestehende Indie-Label aus Wien veranstaltet heuer bereits zum fünften Mal das Temp-Musikfestival in Greifenstein an der Donau. Im mica-Interview sprechen die beiden über die Zeit der Labelgründung, über den sich verändernden Musikmarkt und ihre weiteren musikalischen Aktivitäten.

Warum habt ihr Temp-Records gegründet?

Patricia Enigl : Temp-Records hat sich aus dem Temp-Festivalumfeld heraus entwickelt. Wir, das waren Cosmanova und ich, hatten vor dem ersten Temp-Festival schon die Idee ein Label zu gründen. Das haben wir dann gegründet. Nach dem ersten Temp-Festival sind 550rondy auf uns zugekommen, mit der Anfrage, ob wir eine Platte mit ihnen machen wollen und ein Monat nach dem ersten Temp-Festival war dann das erste 550rondy-Album draußen.

Warum habt ihr den Bedarf gesehen, ein Label zu gründen?

Patricia Enigl : Das war relativ leicht zu beantworten: Wir wollten die Fäden einfach selbst in der Hand haben und ein eigenes kleines Label.

Georg Titz: Musiker gründen ein Label meistens, weil sie ihre Musik selbst veröffentlichen wollen und dann halt Leute kennen, von denen sie auch meinen, dass die gute Musik machen und heraus kommen sollen. Wie die meisten waren auch wir ein wenig blauäugig, da das gesellschaftliche und kommerzielle Umfeld damals für die Label-Gründung eigentlich nicht mehr geeignet war.

Temp versteht sich sehr stark als Plattform, auf der Vernetzungen passieren. Das gilt auch für das Festival. Was ist die Idee hinter Temp?

Patricia Enigl : Als wir das erste Temp-Festival gemacht haben, haben uns viele gefragt: Was macht ihr denn da eigentlich? Man kennt niemanden, der da auf dem Flyer steht und wer ist denn das? Es geht bei vielen größeren und kleineren Veranstaltungen in erster Linie darum, den fetten Headliner aus dem Ausland zu buchen und alles, was aus Österreich kommt, kriegt – wenn überhaupt – ein Nebenher-Platzerl. Es wird dann immer auf die ausländische Szene geschielt: Was geht dort ab? Das Wesentliche ist aber, dass hier ein gesunder Nährboden da ist und es gibt wirklich qualitativ sehr gute Musik und das hört man vielleicht auch an der neuen Temp-Festival-Kompilation, die heuer erschienen ist. Vier CDs sind das heuer geworden. Das Niveau war immer gut, aber heuer bin ich wirklich weggeblasen vom Niveau der Produktionen und dafür wollen wir ein adäquates Umfeld schaffen. Was man über das Jahr in kleinen Veranstaltungen macht, wird einmal im Jahr auf einer größeren Basis präsentiert. Und das Medienecho ist ja sehr gut und ich muss sagen: Wir sehen Medien immer als Partner. Danke an die Medien. FM4 hat uns ziemlich von Anfang an gut unterstützt und davon bin ich auch sehr angetan.

Heuer gibt es das Festival zum fünften Mal, wie waren die ersten vier Festivals?

Georg Titz: Das erste war eine eher zufällig entstandene Geschichte, bei der viele Freunde beteiligt waren. Dadurch, dass man miteinander musiziert und eine Party verbringt, trifft man viele dieser Leute wieder und für alle Mitwirkenden entstehen daraus Kooperationen und Freundschaften. Es ergeben sich durch die Festivals immer wieder neue Projekte, denn wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht, dann kommt halt meistens nur das eigene Süppchen heraus, das meistens nicht so spannend ist.

Festivals und andere Veranstaltungen zu organisieren, ist viel Arbeit. Bleibt, da überhaupt noch Zeit für die eigene Musik?

Patricia Enigl : Beim Festival sind wir mittlerweile sehr gut organisiert, weil doch einige Leute mitarbeiten, fix im Team sind und es eine klare Aufgabenverteilung gibt. Beim Georg und bei mir ist es so, dass wir ja doch auch normale Jobs haben – Georg 40 Stunden, bei mir sind es zwischen 25 und 40 Stunden – und da ist es schon so, dass ab Juni, in der Prime-Time-Festival-Zeit kaum Zeit für die eigene Musik bleibt.

Wie gut läuft Temp Records?

Patricia Enigl : Ich erinnere mich noch gut an unser erstes Interview mit Patrick Pulsinger in La Boum, in dem er gemeint hat, man muss ein verrückter Affe sein, um heutzutage noch ein Label zu machen. Das ist schon bis zu einem gewissen Grad richtig, es wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Jetzt kamen auch noch die Einbrüche am Vinyl-Sektor letztes Jahr dazu. Wir haben eigentlich zu einem etwas kritischen Zeitpunkt das Label gestartet und anfangs war es uns schon ein Anliegen ein breites Spektrum zu haben.

Du hast es eh schon angesprochen, dass sich der Musikmarkt in den letzten Jahren sehr stark verändert hat. Ihr agiert ja auch ziemlich stark im Internet und es gibt ganze Alben zum Download. Erzählt bitte ein wenig über eure Aktivitäten im Internet.

Georg Titz: Das Label ist an sich ein ganz normales Hart-Tonträger-Label, das nichts online stellt. Wir machen seit 2004, seit dem zweiten Temp-Festival eine Kompilation, d.h. wir bitten alle Acts, die bei uns auftreten, eine Nummer zur Verfügung zu stellen und heuer haben wir 42 Nummern bekommen, was sich letztlich nur auf vier CDs zum Download ausgegangen ist. In Wirklichkeit ist das eine Werbeplattform für die Acts und fürs Festival. Aber ich vermute, dass das Internet die Zukunft der ganzen Musikgeschichte sein wird. Ob dann kleine Labels überhaupt noch eine Chance gegen große Plattformen haben, wird sich zeigen, weil sich nicht nur die Musiklandschaft verändert hat, sondern auch die Musikhörer. Mir kommt vor, dass sich junge Leute heute viel weniger für Nischengeschichten interessieren und ob du dich mit einem kleinen Net-Label durchsetzen kannst, wage ich stark zu bezweifeln. Vielleicht kommt diese Zeit auch wieder. Der Hart-Tonträger ist sicher tot.

Welche Veranstaltungen macht ihr abseits des Temp Festivals?

Patricia Enigl : Im Prinzip haben wir einmal im Monat den Club temperiert im rhiz, bei dem es auch immer neue, frische Live-Acts gibt – zumeist Österreicher. Zum anderen hatten wir am 16. Juni erstmals ein Temp-Festival in Salzburg. Weil wir gesagt haben, wir möchten gerne mal in einem anderen Bundesland eine Art abgespecktes Temp-Festival machen. Das ist eigentlich ganz gut gelaufen, es war zwar nicht knallvoll, aber das liegt daran, dass in den Bundesländern die Leute wirklich sehr schwer zu motivieren sind. In diese Richtung wird es sicher weiterhin Aktivitäten geben und abgesehen davon gibt es immer wieder kleine Kooperationen mit anderen Crews. Wir sind auch ein bisschen süchtig nach dem Veranstalten, kommt mir vor. Irgendwie ist das der Bereich, in dem einfach am meisten Feedback zurückkommt.

Georg Titz: Und wir machen einmal im Monat eine Sendung auf play.fm, das ist ein Webradio. Wir laden da auch immer Gäste ein, die dann auch auflegen. Die Sendung dauert zwei Stunden, das ist cool und macht Spaß und jetzt haben wir die Chance, dass wir vielleicht einmal monatlich auf Radio Orange eine Sendung bekommen.

Ihr seid: Label, Veranstalter in verschiedenen Bundesländern, MusikerInnen, macht ein jährlich stattfindendes Festival und ihr macht Radio. Kann man von all dem leben?
(beide lachen)

Georg Titz: Eindeutig: Nein.

Warum nicht?

Georg Titz: Weil einfach niemand dafür Geld bezahlt. Das Festival trägt sich dadurch, dass die Acts sehr günstig spielen. Über den Eintritt können wir die Organisation finanzieren, mehr geht sich nicht aus. Das Label trägt sich gar nicht, da schreiben wir eigentlich die ganze Zeit minus. Da kann nicht einmal einer davon leben, das ist unmöglich.

Das Interview führte Jürgen Plank.

Temp Records