Porträt: radio.string.quartet.vienna

Das radio.string.quartet.vienna ist ein Ensemble, das für musikalische Überraschungen immer wieder gut ist, das sich nicht einfach mit der Wiedergabe des Altbekannten zufrieden gibt, sondern stets versucht, neue Wege zu beschreiten, scheinen diese im ersten Moment auch noch so ungewöhnlich. Die MusikerInnen des ursprünglich aus der Klassik stammenden Vierers verstehen sich als Grenzgänger zwischen den unterschiedlichen Spielformen, als musikalische Freigeister, deren künstlerische Orientierungslinie nicht entlang des Zitierens herkömmlicher Standards verläuft, als von der Neugier getriebene Entdecker, die sich stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen befinden.

Bei dem im Wolfsberg geborenen Bernie Mallinger (Violine), der aus Taiwan stammenden Cynthia Liao (Viola), der Kroatin Asja Valcic (Cello) und dem Anfang 2011 zum Quartett dazugestoßenen gebürtigen Berliner Igmar Jenner – er löste den Ende des vergangenen Jahren ausgeschiedenen Johannes Dickbauer an der Violine ab – handelt es sich um vier InstrumentalistInnen, die sich ihre eigenen Freiräume schaffen wollen und für die der Begriff „Berührungsangst“ ein Fremdwort darstellt, die einfach wenig davon halten, sich ständig zu wiederholen, mit eingefahrenen Hörgewohnheiten brechen wollen und sich immer wieder auf zu neuen Ufern machen, um nicht Gefahr zu laufen, sich in der Beliebigkeit zu verlieren.

Das Ziel der MusikerInnen war von Beginn an, sich des einengenden Korsetts der Klassik zu entledigen, um sich auch diesem Wege neuen Ansätzen und Sichtweisen zu öffnen. Ihr gemeinsames Projekt, das radio.string.quartet.vienna, sollte für einen offenen Umgang mit den unterschiedlichsten Genres stehen. Für einen, in dem die Kreativität beschränkendem Denken kein Raum geboten wird. Spätestens seit ihrer höchst ausgefallenen und aufsehenerregenden Interpretation von John McLaughlins „Mahavishnu Orchestra“ beim Jazzfests Berlin im Jahre 2006, war die musikalische Intention der Formation offensichtlich und hörbar. Auf höchst eindrucksvolle Art wurde von dem Quartett unter Beweis gestellt,  dass Jazzstücke durchaus auch nach den musikalischen Gesetzmäßigkeiten der Klassik funktionieren können und umgekehrt.

Der britische Jazz- und Rockgitarrist sowie Komponist und Gründer des „Mahavishnu Orchestras“ meinte gar: „Ich war vom ersten Ton an fasziniert, wie sich diese Gruppe meiner Musik genähert und sie sich zu eigen gemacht hatte. Sie haben sogar die Atmosphäre getroffen, die damals herrschte. Tief berührt hat mich auch der Stellenwert, den sie der Improvisation beimessen. Und wie sie improvisieren!“ (aus den Linernotes zum ersten im Jahre 2007 erschienenen und mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichneten Album „Celebrating the Mahavishnu Orchestra“).

Seine enorme Wandlungsfähigkeit unterstrich das radio.string.quartet.vienna in Folge auf seinem 2008 erschienenen zweiten Album „Radiotree“. Gemeinsam mit dem österreichischen Akkordeon/Bandoneon-Virtuosen Klaus Paier versuchten die vier MusikerInnen, einen Bogen von der Kammermusik über den Jazz und Tango bis hin zu weltmusikalischen Klängen zu spannen. Mit Erfolg. Erneut zeigten sich die Kritiker wie auch Musikliebhaber allerorts begeistert und würdigten „Radiotree“ mit wahren Lobeshymnen. In das gleiche Jahr fiel auch die mit viel Aufmerksamkeit bedachte Veröffentlichung von Ulf  Wakenius’s CD „Love is real“, auf der die InstrumentalistInnen als Gastmusiker zu hören waren.

2010 erfolgte mit der CD „Calling you“ der bislang letzte und vermutlich erfolgreichste Streich des radio.string.quartet.vienna. Gemeinsam mit der schwedischen Sängerin Rigmor Gustafsson erarbeitete die international besetzte Truppe ein weites musikalisches Repertoire, das sich von Pop-Perlen à la Paul Simon, Joni Mitchell oder Stevie Wonder über Jazzkompositionen und klassischen Arrangements bis hin zu schwedische Volksliedern erstreckte. „Calling you“ fand sogar für einige Wochen Eingang in den schwedischen Charts.

Ende 2010 fasste Johannes Dickbauer schließlich den Beschluss, das radio.string.quartet.vienna nach jahrelanger Zusammenarbeit zu verlassen, um sich ganz seinen eigenen Projekten widmen zu können. Seine Stelle als Violinist nahm der in Berlin geborene und Gründer und Leiter des Streichensembles „String Syndicate“ Igmar Jenner ein, der in den vergangenen Jahren schon mehrmals als Ersatzmann für Johannes Dickbauer Auftritte mit dem radio.string.quartet.vienna absolvieren durfte.

Ob nun mit Johannes Dickbauer oder Igmar Jenner an der Violine, bei solch einer ausgeprägten Offenheit unterschiedlichsten Strömungen gegenüber, bei solch einer Experimentierfreude und Neugier, ist es nur schwer vorhersagen, welche Richtungen das radio.string.quartet.vienna in der Zukunft noch einzuschlagen gedenkt. Eines ist ziemlich sicher, überraschen wird das Vierergespann noch des Öfteren, egal in welchem Kontext oder Konstellation auch immer. (mt)

Foto 1 radio.string.quartet.vienna: Lukas Beck
Foto 2 radio.string.quartet.vienna: Ulrich Dickbauer

http://www.radiostringquartet.com