mica-Interview mit Sex Jams

Mit ihrem ersten Album „Post-Teenage Shine“ machte die junge, wilde Wiener Band Sex Jams 2010 sehr lautstark auf sich aufmerksam. Das Gespann Katarina Trenk (Gesang), Lukas Bauer (Gitarre), Florian Seyser (Bass) und Rudi Braitenthaller (Schlagzeug) hat sich inzwischen um den umtriebigen Wolfgang Möstl (Gitarre) zum Quintett erweitert. Auf dem zweiten Album „Trouble, Honey“ (Siluh) wird wieder ein Fass aufgemacht, aber Sex Jams klingen dabei viel facettenreicher. Mit Sebastian Fasthuber sprachen Sängerin Katie Trenk und Gitarrist Lukas Bauer.

Ihr habt euch nach dem Sturm-und-Drang-Debüt „Post-Teenage Shine“ von 2010 relativ lang Zeit gelassen fürs zweite Album. Was ist dazwischen passiert?
Lukas: Wir waren in der Zeit zwischen den Alben nicht ganz untätig. Wir haben zum Beispiel eine Split 7-Inch mit der deutschen Band Les Trucs gemacht. Dafür sind zwei neue Songs entstanden. Wir haben für den „Augustin“-Sampler einen Song aufgenommen und auch für den Fettkakao-Labelsampler. Es war nicht komplette Funkstille. Wir sind die Art Band, die nach einem Album gern ein paar Kleinigkeiten nachlegt, um verschiedene Sachen ausprobieren zu können, die man auf einem Album nicht machen würde. So haben wir für den „Augustin“-Beitrag mit einem Drum’n’Bass-Artist zusammengearbeitet. Auch der Song für den Fettkakao-Sampler hat auf einem elektronischen Beat basiert. Dazu kommt, dass wir uns gerne Zeit nehmen fürs Songschreiben. Es gibt halt bei uns nicht einen Songwriter als treibende Kraft, sondern fünf Leute, die sich einbringen. Da wird lang diskutiert und gebastelt.

Katie: Wir waren auch viel auf Tour. Für mich waren die letzten zwei Jahre eine Achterbahn-Fahrt und sind ziemlich schnell vergangen. Teilweise haben wir die Songs, an denen wir im Proberaum gearbeitet haben, schon bei Konzerten gespielt, um sie auszuprobieren. Die hatten noch gar keine Texte, ich habe Fantasietexte dazu gesungen.

Ihr bleibt auf „Trouble, Honey“ musikalisch zwar den 90ern treu, klingt aber doch ziemlich anders.
Lukas: Wir haben während der Arbeit an besagter 7-Inch mit Les Trucs einen Moment gehabt, wo sich unser Denken über Musik ziemlich verändert hat. Wir waren bis dahin eigentlich sehr – seriös ist das falsche Wort. Uns war anfangs wichtig, möglichst unironisch und ernst rüberzukommen.

Katie: Obwohl wir alle Schmähführer sind.

Lukas: Ja, menschlich hat das gar nicht zu uns gepasst. Das erste Album hatte noch nicht dieses Augenzwinkern. Was sicher mit unserer Herkunft aus der Punk-/Hardcore-/DIY-Szene zu tun hat, wo man sich vielleicht etwas schwer tut, Ironie zu zeigen.

Katie:
Mit dem ersten Album haben wir halt wirklich angefangen. Wir haben uns 2008 zum ersten Mal im Proberaum getroffen. Für mich war die Hauptsache: Laut sein, Schreien und den Zorn rauslassen. Heute kann ich mit einem Text von mir erst zufrieden sein, wenn ich auch ein bisschen darüber schmunzeln kann.
Lukas: Noch einmal zurück dem erwähnten Moment: Da hatten wir einen neuen Song, der sehr nachdenklich und melancholisch war. Irgendwie hat er überhaupt nicht zu uns gepasst. Wir haben den dann komplett umgeworfen und schneller, lustiger und treibender gemacht. In dem Moment hat sich unsere Haltung verändert. Wir sagen jetzt: Scheiß drauf, wir machen das einfach so. Auch ignorierend, was die Leute vielleicht von uns erwarten. Das haben wir auf dem neuen Album ganz gut umgesetzt. Es klingt so, wie wir jetzt sind.

Mit Wolfgang Möstl (Mile Me Deaf, Killed by 9V Batteries) als zweitem Gitarristen seid ihr nun zu fünft. Hat er die Band verändert?

Lukas: Sicher. Er war am Anfang sehr zurückhaltend und hat einmal geschaut, wie das bei uns rennt – im Umgang miteinander und im Songwriting. Er sagt von sich selber, bei Sex Jams ist er nur einer von zwei Gitarristen und einer von fünf Leuten. Ich glaube, er genießt diese Rolle. Bei seinen anderen Bands ist er doch der Hauptakteur. Mittlerweile ist er aber natürlich ein unverzichtbarer Teil der Band, wobei die soundmäßige Veränderung hin zum etwas Poppigeren und Variantenreicheren nur zum Teil auf ihn zurückzuführen ist. Wir waren schon auf dem Weg, bevor wir uns zusammengetan haben.

Stichwort Pop: Ihr geht den Weg dorthin vorsichtig, vor großen Refrains oder ähnlichem schreckt ihr dann doch zurück. Wie ist euer Verhältnis zum Pop?
Katie: Für uns ist das schon Pop, was wir machen. Wenn ich unsere beiden Alben miteinander vergleiche, ist „Trouble, Honey“ sicher poppiger. Aber es hält sich immer auch zurück. Wenn etwas zu sehr Pop ist, wird es für uns zu viel.

Lukas:
Wir haben wahrscheinlich eine andere Pop-Definition als die Allgemeinheit. Gängigen Songstrukturen haben wir uns diesmal sicher mehr angenähert. Aber glatt und überproduziert werden wir sicher nie klingen. Das entspricht einfach nicht unserem Ideal.

Euer erstes Album hat einen überfahren, das zweite musste ich ein paar Mal hören, um wirklich reinzukommen.
Lukas: Das wollten wir auch so haben. Ich finde Alben gut, die man sich ein bisschen erkämpfen muss und die nicht alles, was drauf ist, gleich preisgeben. Ich will, dass Leute, die sich das Album zum 20. Mal anhören, immer noch neue Sachen finden.

Katie:
Das ist unser aller romantischer Anspruch an ein Album. Man hört es sich an, legt es weg, hört es sich später wieder an und entdeckt vielleicht Sachen, die man noch gar nicht gehört hat.

Hat sich das Gefühl, in der Band zu sein, über die Jahre verändert?
Lukas: Ja, sehr. Ich habe mit dem Flo auch schon vorher lang Musik gemacht. Da waren wir noch ganz fest in der Hardcore-/Punk-Szene verwurzelt. Als wir mit Sex Jams angefangen haben, war das nur mehr zum Teil so. Und dann sind wir daraus ausgebrochen. Plötzlich hat der „Kurier“ über uns geschrieben und auch das „Vice“-Magazin ist auf uns angesprungen. Ziemlich schnell haben wir nicht mehr nur in Kellerlokalen gespielt, sondern auch auf Filmpremieren. Wenn man es gewohnt ist, auf Tour irgendwo am Boden im Schlafsack zu schlafen, ist es eine große Sache, plötzlich ein Hotelzimmer bezahlt zu bekommen. Wir kennen es eben auch anders und haben das sehr dankbar angenommen. Auch untereinander hat sich einiges verändert. Früher haben wir extrem viel Zeit miteinander verbracht. Ein Jahr lang waren wir sogar in einer gemeinsamen WG.

Katie: Du bist auf Tour gefahren, bis heimgekommen und hast wieder genau das gleiche gehabt. (Lacht)

Lukas: Musikalisch war das super. Zwischenmenschlich führte es auf Dauer schon zu Spannungen. Wir versuchen das gerade ein wenig zu trennen und Abstand voneinander zu bekommen.

Katie: Ich bin mit 19 aus der Garage meiner Mama mit einer Riot-Girl-Band rausgekommen. Die Burschen haben mich dann gefragt, ob ich mit ihnen was machen will. Bei mir hat sich seither stimmlich und auch vom musikalischen Anspruch viel entwickelt. Menschlich sind wir anfangs wie gesagt komplett aufeinander gepickt. Das hat sich doch geändert, durch die veränderte Wohnsituation und dadurch, dass wir inzwischen auch andere Projekte haben. Wobei das nichts daran ändert, dass Sex Jams für uns alle im Mittelpunkt steht.

Lukas: Natürlich sind wir immer noch Freunde. Sonst würde das in der Intensität nicht funktionieren.

Ihr habt die Hardcore-Szene angesprochen. Mittlerweile wirkt es, als würdet ihr eure eigene kleine Szene bilden.

Lukas: Ich empfinde das auch so. Schon beim ersten Album haben Leute zu uns gesagt, dass ihnen das nicht Hardcore genug ist, was wir machen. Wir passen da nicht mehr rein, passen gleichzeitig aber auch nicht in die klassische Indieszene, wo die Musik meist doch verträglicher ist. Wir haben immer noch viele Freunde aus der alten Zeit, aber es hat sich inzwischen eine komische Blase um uns herum entwickelt. Wenn man nirgends reinpasst, schafft man sich eben seine eigenen Strukturen oder versucht die Strukturen, die es schon gibt, an das anzupassen, was man macht.

Katie:
Ich finde es auch gut, dass unsere Musik polarisiert. Die einen finden sie scheiße, die anderen super.

Lukas: Von anderen Musikern höre ich oft, dass sie uns leiwand finden, weil wir uns nichts scheißen.

Ich habe euch eigentlich von Anfang auch als humorvolle Band wahrgenommen – vom Namen bis zu euren Fotos. Wie wichtig ist Humor für euch?
Katie: Jeder von uns hat seinen eigenen Humor. Ich glaube, was uns verbindet, ist, dass wir alles und vor allem uns selber nicht so ernst nehmen. Unsere Art ist schon eher spaßig. Auch auf der Bühne lachen wir viel.

Lukas: Akustikgitarren, Bongos und Tiergeräusche hätten wir am ersten Album nicht zugelassen, jetzt machen wir so was einfach.

Wie sieht die Aufgabenverteilung innerhalb der Band aus, was die außermusikalischen Dinge betrifft?

Lukas: Eine Band wie unsere ist irgendwie auch eine Firma. Es funktioniert nur, weil jeder bereit ist, auch andere Sachen zu machen. Flo und Katie sind fürs Booking und fürs Pflegen von Kontakten zuständig, nachdem sie beide sehr offene, soziale Menschen sind.

Katie:
Und ich mache Twitter.

Lukas: Genau. Der Rudi ist fürs Merchandise zuständig. Der Wolfi kennt sich durch sein eigenes Studio mit technischen Sachen sehr gut aus. Und ich bin für Förderungen und diesen ganzen finanziellen Schas zuständig, den sonst niemand machen will. Diesmal sind wir vom Musikfonds gefördert worden. Wir haben zum ersten Mal ein Budget gehabt, das wir im Studio auch ausgeschöpft haben.

Wie schwierig ist es, eine Band wie Sex Jams länger aufrechtzuerhalten? Ihr müsst sicher auch andere Jobs machen und irgendwann wird der Mensch auch sesshaft und will vielleicht eine Familie gründen.

Katie: Ich bin 25, für mich ist das noch nicht so aktuell.

Lukas:
Ich bin 31, für mich ist das eigentlich schon schlagend. Musik war immer ein extrem wichtiger Teil meines Lebens und ich habe es bisher geschafft, alles andere dem unterzuordnen. Ich habe einen Job, von dem ich mehr schlecht als recht leben kann, der mir aber viel Zeit für die Band lässt. Ich brauche kein Auto, ich brauche auch nicht unbedingt eine eigene Wohnung. Ich habe, seitdem ich 14 bin, immer alles so organisiert, dass ich genug Zeit und Ruhe zum Musikmachen habe. Wir haben uns bei Sex Jams nie überlegt, wo es hingehen soll. Es hat sich alles sehr natürlich entwickelt. Man ist als Band mit Alben und Touren eh in einem Radl drinnen, das eine Eigendynamik hat.

Was sind eure Ziele mit der Band?
Katie: Mein persönliches Ziel ist es, mit der Band noch ein live im Studio aufgenommenes Album zu machen. Ich glaube, das würde irrsinnig gut zu uns passen.

Lukas: Kann man machen. Heuer werden wir halt viel touren. Bislang haben wir uns da außerhalb Österreichs sehr auf Deutschland konzentriert, wobei von dort relativ wenig an Feedback zurückkommt, verglichen mit anderen Ländern wie England. Zwei Termine in London sind im Gespräch. Fix sind neben Österreich und Deutschland schon Konzerte in den Niederlanden, in Polen, Serbien und Slowenien.

Katie: Wir machen da einige kleine Tourblöcke. Ich freue mich schon. Für mich ist das Livespielen und Herumfahren das Schönste. Wobei es eine Kunst ist, eine Tour so zu buchen, dass man nicht 13 Stunden fährt von einem Venue zum nächsten. Darin ist Flo sehr gut.

Bleibt beim Touren finanziell schon etwas hängen?
Lukas: Als Finanzminister kann ich sagen: Die Band ist definitiv noch ein Minus-Geschäft, wenn man Sachen wie Proberaummiete, Instrumente oder Tourbus einrechnet. Wir haben uns noch nie einen Cent aus der Bandkassa ausbezahlt.

Katie: Wir gehen halt ab und zu gemeinsam essen, wenn was übrig ist.

Lukas:
Ja, ab und zu gönnen wir uns was. (Lacht)

 

Fotos: Johannes Staudenbauer

 

http://www.sexjams.net