Eine Band, die sich musikalisch nicht einschränkt, eigene Wege geht und die Grenzen zwischen den Genres auf wunderbare Weise verschwimmen lässt. Das Wiener Trio SAINMUS + liefert mit „Die Wand“ (Sessionwork Records) ein Album ab, das von Ton zu Ton mehr und mehr zu einem echten Hörerlebnis erwächst. CLEMENS SAINITZER (Cello, Electronics), PHILIPP ERASMUS (Gitarre, Electronics) und der neu zum Duo hinzugestoßene Schlagzeuger DANIEL RAMSTORFER sprachen mit Michael Ternai über die Unmöglichkeit einer stilistischen Verortung ihrer Musik, die Bedeutung der Improvisation für die Entstehung ihrer Nummern und die Wichtigkeit der steten Weiterentwicklung.
Mit eurem neuen Album „Die Wand“ geht ihr neue musikalische Wege. Besonders mit der Erweiterung des Duos um ein Schlagzeug wird dies offenkundig. Wie und warum kam es zu dieser Entscheidung?
Clemens Sainitzer: Wir hatten in unserer Musik eigentlich immer schon eine sehr starke rhythmische Komponente, einen Groove, den man von der Kombination Violoncello und Gitarre vielleicht nicht so erwartet. Das Schlagzeug sollte dieses Element einfach verstärken. Ein weiterer Grund, warum wir uns dafür entschieden haben, war, dass wir Daniel schon sehr lange kennen und es einfach sehr viel Spaß macht, mit ihm zusammenzuspielen. Es funktioniert zwischenmenschlich bei uns einfach sehr gut.
Daniel, wie schwierig war es für dich, in die musikalische Welt von Sain Mus hineinzufinden?
Daniel Romstorfer: Eigentlich gar nicht einmal so sehr. Ich habe mit Philipp vor Sain Mus schon oft in einer anderen Band zusammengespielt. Daher kannten wir uns musikalisch auch schon sehr gut. Und auch mit Clemens habe ich da und dort mal etwas gemacht. So gesehen war es für mich jetzt nicht so schwer, in dieses Projekt hineinzufinden.
„Wir haben uns gesagt, dass wir etwas Neues probieren wollen.“
War Daniel in den Songwriting-Prozess für das neue Album schon von Beginn an eingebunden?
Clemens Sainitzer: Ja. Wir haben zu dritt an den Songs gearbeitet. Es war nicht so, dass Phillip und ich irgendetwas zu den Proben mitgenommen haben, was dann dort ausgearbeitet wurde. Wir haben uns gesagt, dass wir etwas Neues probieren wollen. Es ist, wie es bei uns eigentlich immer der Fall ist, etwas Konkretes aus dem Jammen und einem freien Zugang entstanden. Und ich denke, dass die neuen Songs sich schon sehr von den alten unterscheiden. Die spielen wir live natürlich auch noch, nur eben manchmal in veränderter Form.
Philipp Erasmus: Manche alten Songs funktionieren in der neuen Konstellation auch nicht. Da Clemens und ich schon so lange zusammenspielen, ist Sain Mus schon ein eigenes Ding. Es war für Daniel dann vielleicht doch nicht immer so einfach, da hineinzufinden. Bei manchen alten Songs macht es auch einfach keinen Sinn, dazu Schlagzeug zu spielen. Nach zwei Proben haben wir uns dann gesagt: „Lass uns einfach drauflosspielen“. Wir haben quasi das gemacht, was Clemens und ich auch zu zweit immer machen, nämlich improvisieren. Zum Glück haben wir diese Probe dann auch aufgenommen, denn aus diesen Sachen sind in der Folge dann drei, vier Songs entstanden. Und so haben wir dann auch weitergearbeitet. Das Ergebnis war, dass letztlich doch ganz andere Sachen entstanden sind, als wenn wir im Duo gearbeitet hätten.
Clemens Sainitzer: Darum finde ich auch, dass Sainmus + eine neue Geschichte für uns ist.
Man kann also generell sagen, dass das Album ohne Schlagzeug in eine gänzlich andere Richtung gegangen wäre.
Clemens Sainitzer: Ich würde sogar sagen, dass es das Album gar nicht geben würde. Es ist eine separate Geschichte, die aber trotzdem zu uns passt.
Philipp Erasmus: Die Songs, die auf dem Album sind, würden ohne das Schlagzeug auch gar nicht funktionieren.
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„Wenn ich danach gefragt werde, rede ich immer gerne von informierter populärer Musik.“
Hört man sich durch das neue Album, fällt vor allem die große stilistische Breite auf. Schon die vorangegangenen Veröffentlichungen waren von dieser geprägt. Wie seid ihr zu dieser gekommen? Ihr habt ja auch Jazz studiert.
Clemens Sainitzer: Phillip und ich haben uns vor ungefähr 300 Jahren in der Pfarrgemeinde in Hernals kennengelernt. Dort haben wir auch begonnen, miteinander Musik zu machen. Irgendwann haben wir dann beide begonnen, Jazz zu studieren. Auch weil wir einfach die Werkzeuge in die Hand bekommen wollten, um unsere musikalischen Vorstellungen umsetzen zu können. Jazz diente quasi als Ausgangsbasis.
Was unsere Musik und deren Zuordnung zu einem bestimmten Genre betrifft, denke ich auch, dass dies relativ schwer ist. Wenn ich danach gefragt werde, rede ich immer gerne von informierter populärer Musik. Wir sind nicht unbedingt Jazz und auch nicht Rock oder Hip-Hop. Wir bewegen uns irgendwo dazwischen und machen Musik, die das alles irgendwie zusammenfasst. Und das ist auch bei Sainmus + so. In unserer Musik ist viel drinnen, von Minimal Music bis hin zu Funk. Es ist ein sehr eigener Klangkosmos, den wir uns erschaffen.
Philipp Erasmus: Ich muss ehrlich sagen, dass mir die Frage nach der stilistischen Verortung unserer Musik ziemlich wurscht ist. Ich kann mich an mein erstes Duo erinnern, in dem ich mit einem Freund zusammengearbeitet habe, der auch gesungen hat. Irgendwann haben wir darüber zu diskutieren begonnen, in welche Richtung es gehen sollte. Ab diesem Moment ist es dann schwierig geworden, weil mir das wurscht war und er gemeint hat, dass er in die und die Richtung gehen will. Ich denke eigentlich gar nicht darüber nach, ich spiele einfach das, was aus mir rauskommt. Manchmal gefällt mir eben das, manchmal etwas anderes.
Daniel Romstorfer: Diese Sachen einem Außenstehenden zu erklären, ist schwierig. Ich finde, das Album hat für alle Musikliebhaberinnen und Musikliebhaber etwas drauf.
Clemens Sainitzer [lacht]: Ist das jetzt das Verkaufsgespräch?
Philipp Erasmus [lacht]: Daniel übernimmt jetzt unser Marketing.
Clemens Sainitzer: Wir hantieren bei den Proben schon mit Genres. Und wir sagen uns schon auch: „Lass uns den Teil so spielen wie das oder das.“ Oder: „Lass uns diesen Teil so anlegen.“ So ordnet sich das Ding dann schon in eine Kategorie ein, aber eher in dem Sinne, dass wir wissen, wie man es reproduzieren kann. Die Genese des Moments passiert aber immer aus der Improvisation heraus, aus einem Nichtnachdenken darüber, was das jetzt sein könnte.
Gibt es eigentlich irgendeinen Stil, der bei euch nicht möglich ist?
Clemens Sainitzer: Für mich gibt es eigentlich nichts, was nicht möglich ist. Ich finde es spannend, wenn man sich die Sachen nimmt, in den eigenen Sound verarbeitet und so persönlich macht. Ich will jetzt nicht sagen, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass wir plötzlich Underground-Techno aus den 1980ern aus London in unsere Musik einfließen lassen werden, dafür ist dieser wahrscheinlich zu speziell. Aber andererseits, wenn es passt und es sich gut anfühlt, warum nicht.
Daniel Romstorfer: Wir sind offen für alles. Und ich glaube, dass unsere Instrumentierung uns das auch erleichtert. Auch wenn wir eine Polka machen würden, würde diese durch unser Spiel schon per se diesen Touch von Sainmus + bekommen. Das Gleiche wäre es, wenn wir in irgendeinen Teil zum Beispiel ein Black-Metal-Element einbauen würden.
„Die Musik auf dem Album ist einfach die, die wir zu Dritt im Proberaum machen.“
Bei euch entsteht sehr viel spontan. Habt ihr bei dieser Methode eigentlich schon am Anfang im Kopf, wie das Ergebnis klingen wird? Oder lasst ihr euch davon überraschen, wohin der Weg führt?
Clemens Sainitzer: Auch wenn es marketingtechnisch wahrscheinlich nicht so ideal ist, muss ich sagen, dass es eher Zweiteres ist. Aber ich finde, genau das ist ehrlich und authentisch. Und das ist mir wichtig. Die Musik auf dem Album ist einfach die, die wir zu Dritt im Proberaum machen.
Philipp Erasmus: Wahrscheinlich ist der Titeltrack „Die Wand“ hier ein ganz gutes Beispiel. Am Anfang war da schon eine kleine Idee da. Wir wollten irgendetwas lang Gleichbleibendes und Aggressives spielen. Eigentlich besteht die ganze Nummer aus einem Schlagzeugsolo. Wir spielen eigentlich durchgehend das Gleiche und Daniel soliert da darüber. Wir haben die Nummer dann ein, zwei Mal live gespielt und uns dann gedacht, dass da eigentlich noch etwas fehlt. Nur war die Nummer schon aufgenommen. Live hängt jetzt an der Nummer noch eine Art Dubstep-Teil an und wer weiß, vielleicht wird sie in Zukunft noch länger. Das ist eine ständige Evolution.
„Wenn wir nächste Woche ins Studio gingen und die Sachen neu aufnehmen würden, würden sie sicher anders werden.“
Bei euch entsteht sehr viel spontan. Habt ihr bei dieser Methode eigentlich schon am Anfang im Kopf, wie das Ergebnis klingen wird? Oder lasst ihr euch davon überraschen, wohin der Weg führt?
Clemens Sainitzer: Auch wenn es marketingtechnisch wahrscheinlich nicht so ideal ist, muss ich sagen, dass es eher Letzteres ist. Aber ich finde, genau das ist ehrlich und authentisch. Und das ist mir wichtig. Die Musik, die auf dem Album ist, ist einfach die, die wir zu dritt im Proberaum machen.
Philipp Erasmus: Wahrscheinlich ist der Titeltrack „Die Wand“ hier ein ganz gutes Beispiel. Am Anfang war da schon eine kleine Idee. Wir wollten irgendetwas Gleichbleibendes und Aggressives spielen. Eigentlich besteht die ganze Nummer aus einem Schlagzeugsolo. Wir spielen eigentlich durchgehend das Gleiche und Daniel soliert da darüber. Wir haben die Nummer dann ein-, zweimal live gespielt und uns dann gedacht, dass da eigentlich noch etwas fehlt. Nur war die Nummer schon aufgenommen. Live hängt jetzt an der Nummer noch eine Art Dubstep-Teil dran. Und wer weiß, vielleicht wird sie in Zukunft noch länger. Das ist eine ständige Evolution.
Daniel Romstorfer: Die Sachen bei uns sind nicht in Stein gemeißelt, wenn sie aufgenommen sind. Sie können sich schon auch immer weiterentwickeln.
Clemens Sainitzer: Ich sehe das Format des Albums auch mehr als eine Art Momentaufnahme als ein fertiges Ding. Wenn wir nächste Woche ins Studio gehen und die Sachen neu aufnehmen würden, würden sie sicher anders werden. Und das finde ich an unserem Zugang sehr spannend. Vor allem auch live, weil sich die Stücke jedes Mal, wenn wir sie spielen, verändern. Das macht jedes Konzert zu einem neuen Erlebnis.
Was eure Musik sehr gut kann, ist, Stimmung zu erzeugen. Wildere, heftigere Teile wechseln sich auf spannungsgeladene Art mit wunderbar lyrischen Teilen ab. Die Stücke klingen sehr ausgearbeitet. Wie intensiv widmet ihr euch den Details?
Clemens Sainitzer [lacht]: Sollen wir lügen oder ernsthaft sein? Solche Momente entstehen bei uns wirklich immer spontan. Das ist eine Geschichte, die immer passiert. Das war im Duo schon so und ist auch jetzt im Trio nicht anders. Groß ausgearbeitet wird bei uns nichts.
Philipp Erasmus: Die Nummer „M6“ ist ein gutes Beispiel. Der Song, so wie wir im Studio aufgenommen haben, hat ursprünglich so begonnen, dass wir den Einstieg zu dritt gespielt haben. Nachdem wir uns die Nummer dann aber angehört haben, waren wir uns einig, dass sie sich irgendwie nicht schlüssig anfühlt. Wir haben uns dann einfach nur gesagt. „Lass uns das Schlagzeug einfach zur Hälfte wegschneiden und schauen, was passiert.“ Das haben wir getan und plötzlich hatte der Song den Einstieg, der viel mehr gewirkt hat. So in der Art geschieht das eigentlich sehr oft.
Gibt es Dinge oder Umstände von außen, die Einfluss auf eure Musik nehmen? Entscheidet ein guter Tag bzw. ein schlechter, wohin es geht?
Clemens Sainitzer: Tatsächlich muss ich sagen, dass wir dadurch, dass wir auf ein kollektivistisches, improvisatorisches Konzept aufbauen, auch wirklich schlechte Proben haben. Wir haben alle viele andere Projekte laufen, das, was aber Sain Mus ausmacht, ist, dass wir sehr stark von der Stimmung im Raum abhängig sind oder davon, wie wir drauf sind, ob wir einen guten oder schlechten Tag haben. Da wir nicht nach Noten spielen, können wir auch nicht so einfach sagen: „So, wir spielen jetzt von 15 bis 17 Uhr dieses und dieses Programm einfach runter.“ Da es dieses Element nicht gibt, gibt es eben extrem geile Proben und solche, in denen wir eigentlich gar nichts spielen.
Ich glaube aber, dass das auch sehr wichtig ist, dass es einmal nicht so läuft, dass man spielt und sich Formen auscheckt, aber es will nicht funktionieren. Aber das gehört dazu.
Für das Cover von „Die Wand“ habt ihr euch auch etwas Besonderes überlegt. Wie ich verstanden habe, macht der Künstler Thomas Schrenk für die ersten 200 Stück jeweils ein eigenes Cover.
Philipp Erasmus: Für mich war es immer schon ein großes Anliegen, mit einem Album auch noch etwas anderes zu verbinden, wie etwa ein interessant gestaltetes, individuelles Cover. Dadurch schafft man auch Raum für andere Kunstschaffende.
Clemens Sainitzer: Ähnliches haben wir schon bei unserer ersten Veröffentlichung gemacht. Damals hat der befreundete Künstler Jakob Maul super Fotos von uns gemacht, die wir dann als Cover verwendet haben. So konnten die Leute, die unsere CD gekauft haben, eben nicht nur unsere Musik genießen, sondern lernten auch die Arbeiten von Jakob kennen.
Philipp Erasmus: Wir hatten schon bei unserem zweiten Album die Idee, verschiedene CD-Aufdrucke zu machen und individuell zu gestalten. Da so etwas aber sehr aufwendig ist, sind es letztlich vier verschiedene Covers geworden.
Für das Trio-Album habe ich diese Idee wieder aufgegriffen. Ich habe mir überlegt, die CDs durchzunummerieren oder etwas Individuelles darauf zu schreiben. Aber so etwas ist sehr teuer. Der Kompromiss war, einen Karton zu nehmen, der schon eine Körnung hat, die sehr individuell ist, und diesen vorne leer zu lassen. Thomas Schrenk kennen wir auch schon länger. Er malt Bilder, die so entstehen, dass die Farbe trocknet und sich dadurch verändert. Danach bearbeitet er diese Bilder auf verschiedenste Weise. Er fährt drüber, steigt drauf und so weiter, sodass sie durch die Brüche eine individuelle Struktur bekommen. Diese Bilder sind normalerweise riesig und in Kacheln unterteilt. Ich habe etliche solcher Kacheln abfotografiert und 200 Etiketten daraus gemacht. Und die werden jetzt auf die ersten 200 CDs geklebt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Michael Ternai