„Wir wollten auf keinen Fall von jemandem bei der Hand genommen werden“ – NIHILS im mica-Interview

Nihils 1Wie aus dem Nichts ist sie aufgetaucht, NIHILS, eine junge Truppe, die ausgehend von der beschaulichen Gemeinde Waidring die hohen Berge Tirols erklommen hat, um die Leute auch anderswo mit ihrer melodischen, erfrischenden Indie-Popmusik zu beglücken. Ende 2015 soll das längst überfällige und von vielen sehnlichst erwartete Debütalbum erscheinen. THOMAS LACKNER (Schlagzeug), DOMINIK BRUNNER (Bass) und FLORIAN NOTHEGGER (Gitarre) – drei Viertel der NIHILS (Sänger und Gitarrist RAMON RIEZOUW war leider nicht mit von der Partie) – im Gespräch mit Michael Ternai.

Ihr Debütalbum soll im Herbst erscheinen. Einem größeren Kreis sind Sie aber schon seit einigen Jahren ein Begriff. Sie haben einmal an der „Großen Chance“ teilgenommen und haben auch für diverse große internationale Acts wie etwa 30 Seconds to Mars eröffnet. Die Voraussetzungen, so richtig schön durchzustarten, wären eigentlich da gewesen.  Warum hat es mit dem Album dennoch so lange gedauert?

Thomas Lackner: Das lässt sich eigentlich ganz einfach erklären. Wir haben uns in den letzten Jahren definitiv weiterentwickelt und das ist auch der Grund, warum sich das Album-Release verzögert hat. Es war so, dass wir unserer eigenen Entwicklung eigentlich immer einen Schritt voraus waren. Die Songs, die bereits fertig waren, die wir live gespielt haben und die wir eigentlich auch schon hätten aufnehmen können, haben uns irgendwann nicht mehr wirklich getaugt. Wir haben uns quasi immer schon auf dem nächsten Level befunden. Ein Album – besonders ein Debütalbum – stellt für uns schon eine riesige Sache dar. Und auf einem solchen sollte alles passen. Daher haben wir auch so lange an den Songs herumgefeilt. Aber jetzt sind wir an den Punkt gelangt, an dem wir sagen können: „Ja, jetzt können wir es aufnehmen. Wir haben endlich das Resultat, das wir wollten.“

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Sie sind auch keine Band, die sich nur stur am gewöhnlichen Popschema abarbeitet. Sie lassen auch sehr gerne andere Dinge in Ihre Musik einfließen.

Dominik Brunner:
Ich denke, je mehr man sich mit Musik befasst, desto mehr werden auch die Einflüsse. So richtig konkret lassen sie sich bei uns aber nicht festmachen. Sie sind vielmehr ein Ergebnis unseres Arbeitsprozesses. Wenn man im Studio an den Songs arbeitet, ist man als Band ständig auf der Suche nach neuen und interessanten Sachen. Und man entdeckt vieles, was man vorher vielleicht noch nicht gekannt hat. Diese Dinge fließen dann klarerweise immer mit ein.

Thomas Lackner: Was sich darüber hinaus im Laufe der Zeit auch geändert hat, ist unser Handwerk. Zu Beginn haben wir unsere Songs ja noch standardmäßig im Proberaum geschrieben. Irgendwann aber sind wir mehr und mehr dazu übergegangen, die Nummern am Computer zusammenzubasteln. Das ist in der heutigen Zeit nicht wirklich etwas Neues, aber für uns war dieser Zugang neu.

Nihils 2„Wir wollen ein Album erst dann herausbringen, wenn wir von diesem auch überzeugt sind.“

Es gehört wahrscheinlich viel Geduld dazu, sich bewusst so lange Zeit zu lassen. Viele Bands wollen ja oft einfach so schnell wie möglich ihr Album rausbringen, mit dem Resultat, dass dieses noch nicht wirklich fertiggestellt klingt. Sind Sie vielleicht etwas perfektionistisch veranlagt?

Thomas Lackner: Wir wollen ein Album erst dann herausbringen, wenn wir von diesem auch überzeugt sind. Eine perfektionistische Veranlagung? Der Perfektionismus kann ja auch tödlich sein, weil man die Dinge dann nie zu Ende bringt. Aber diesbezüglich haben uns unsere beiden Produzenten Paul und Niko sehr geholfen.

Dominik Brunner: Ein gewisser Hang zum Perfektionismus ist sicher schon irgendwie da. Wie schon erwähnt, besitzt das Debütalbum einen hohen Stellenwert für uns. Wir gehören nicht zu denen, die sagen: „Okay, jetzt bringen wir es halt raus“, wenn wir ganz genau wissen, dass wir es besser machen können.

Sie sind also eine Band mit einem langen Atem.

Thomas Lackner: Ja, den haben wir. Wir gehen diesen harten Weg, weil wir dieses Ziel haben. Natürlich kann der Erfolg auch ausbleiben und man kommt irgendwann an den Punkt, an dem man sich eingestehen muss, dass es eben nicht gereicht hat. Aber ich denke, bis wir an diesen Punkt gelangen, vergeht noch viel, viel Zeit.

Sie meinten vorher, dass sich die Lieder im Laufe der Zeit doch stark verändert haben. Hören Sie sich eigentlich irgendwann nochmals die allererste Version an?

Thomas Lackner: Ja, sicher. Und teilweise ist die erste Version auch catchiger, weil sie minimalistischer ist.

Dominik Brunner: Es ist halt auch schwer, bei einer Aufnahme diesen einen bestimmten Moment wieder einzufangen. Manchmal steht man im Proberaum, spielt einfach drauflos und findet auch sofort einen Flow. Dann drückt man schnell einmal auf „Record“. Und auch wenn die Aufnahme nicht wirklich die beste ist, sie hat halt schon etwas Besonderes eingefangen. Und dieses Besondere in eine richtige Aufnahme hineinzubringen ist oftmals recht schwierig. Daher hören wir uns manchmal die erste Version einer Nummer an und fragen uns: „Oh Mann, wo ist das geblieben?“

Nihils 3Wie sieht bei Ihnen eigentlich das Songwriting aus? Wer ist wie beteiligt?

Dominik Brunner: Unser Hauptsongwriter ist Ramon [Riezouw]. Er kommt meist mit einer Idee an, die wir uns dann anhören. Und beim Entstehen des Songs trägt dann jeder seinen Teil dazu bei.

Thomas Lackner: Bezüglich der Thematik des Songs sprechen wir uns gerne ab. Wir versuchen, die Texte – die entweder von Ramon stammen oder in Zusammenarbeit entstehen – so gut wie möglich mit den Melodien zu verbinden, damit das Ganze wirklich runde Formen annimmt.

„Natürlich hätten wir damals auch den Schwung mitnehmen und gleich eine zweite Single rausbringen können. Aber das war nie der Plan.“

Sie haben 2011 an der „Großen Chance“ teilgenommen. Danach gelang es Ihnen auch gleich, mit Ihrer Single in die Charts einzusteigen. Warum gingen Sie damals nicht zu einem Label? Diese Möglichkeit hätte vermutlich bestanden, oder? Oder war es Ihnen wichtiger, Ihre Freiheit und Unabhängigkeit zu bewahren?

Dominik Brunner: Das war schon eine bewusste Entscheidung. Wir wollten auf keinen Fall von jemandem bei der Hand genommen werden, der uns sagt, was das Beste für uns sei.

Thomas Lackner: „Die große Chance“ war für uns die Möglichkeit, uns einem breiten Publikum zu präsentieren. Warum sollten wir da Nein sagen? Und klar, natürlich hätten wir damals auch den Schwung mitnehmen und gleich eine zweite Single rausbringen können. Aber das war nie der Plan. Es wäre ein kurzfristiger Erfolg geworden. Unsere Vision war aber immer etwas Größeres, etwas von internationalem Charakter.

Sie haben in den letzten Jahren auch extrem viel live gespielt.

Nihils 4Thomas Lackner: Wir haben durchs viele Livespielen sehr viel dazu gelernt. Wenn man der Supporting Act einer Band wie 30 Seconds to Mars ist und vor sieben- oder achttausend Leuten spielt, muss einfach alles passen. Man gewinnt einfach die Sicherheit, die man auf der Bühne braucht. Darüber hinaus, glaube ich, haben wir dafür, dass wir zwischen 2011 und 2014 kein Release hatten, uns gerade auch durch die vielen Konzerte einen gewissen Namen machen können.

[Florian Nothegger stößt zum Interview hinzu]

Bis vor ein paar Jahren war Tirol in Sachen Popmusik so etwas wie ein weißer Fleck. Warum hat es so lange gedauert, bis sich daran etwas geändert hat? Denkt man an Sie oder an eine Band wie White Miles oder Mother‘s Cake, so ist das Potenzial ja offensichtlich da.

Florian Nothegger: In Tirol gibt es nicht die vielen Orte und Clubs, in denen man spielen beziehungsweise sich ein Publikum erspielen kann. Darüber hinaus ist man als Band auch in puncto Genre stark eingeschränkt. Besonders abseits des Mainstreams. Es existiert noch nicht wirklich eine Szene, wie es in Linz oder in Wien der Fall ist.

Thomas Lackner: Und selbst wenn man in Innsbruck spielt, muss man schon einen Namen haben, damit auch Leute zu den Konzerten kommen. Darüber hinaus glaube ich, dass auch der Tourismus eine Rolle spielt. Dieses ganze Après-Ski-Ding, das typische Tiroler Leben und so weiter. Das prägt natürlich viele. Oft eröffnen sich für Musikerinnen und Musiker neue Möglichkeiten daher erst, wenn sie nach Wien oder woandershin zum Studieren gehen.

Sie haben kürzlich ja in den USA beim South By Southwest Festival (SXSW) – dem größten Showcase-Festival der Welt – gespielt. Wie waren Ihre Eindrücke?

Thomas Lackner: Lange Flugreise, große Autos, viele Leute und fettiges Essen.

Florian Nothegger: Wir waren zunächst nicht sicher, ob wir wirklich dort spielen sollten. Schon alleine aufgrund des Aufwands, der dann doch ein großer ist. Darüber hinaus kannst du dir auch nie sicher sein, ob du – wenn du Pech hast – nicht wirklich nur vor zwei oder gleich hundert Leuten spielst. Unsere Konzerte dort waren also schon auch mit einem gewissen Risiko verbunden.

Dominik Brunner: Nur weil das South By Southwest Festival das größte Showcase-Festival der Welt ist, heißt das noch lange nicht, dass gerade man selbst auch das größte Publikum bekommt. Was auch noch hinzukommt, ist, dass es schon recht chaotisch zugehen kann. Wenn du Pech hast, spielst du halt ohne einen vorhergehenden Soundcheck.

Florian Nothegger: Schlussendlich war es aber cool. Wir haben einen zweiten Gig bekommen, bei dem vom Soundcheck bis hin zum Publikum alles gepasst hat.

Danke für das Interview.

Michael Ternai

 

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