„Wir wollen einfach hart und heavy sein – egal in welche Richtung.“ – Lurch im mica-Interview

Die Heavy-Psychedelic-Rockband LURCH liebt es laut und heavy und destilliert aus den verschiedenen Spielarten des harten Rock ihren ganz eigenen musikalischen Stil. Eingebettet in einen erfrischend kantigen Sound, entfaltet ihre Musik eine mitreißende Wirkung und vermag Liebhaber:innen unterschiedlichster Genres zu begeistern. LURCH besteht aus den vier Musikerinnen Pauline (Gitarre, Gesang), Miriam (Gitarre), Eva (Schlagzeug) und Marie (Bass). Ihr Motto: „Wir machen Musik, die wir selbst gerne hören wollen.“ Und diese bewegt sich weit abseits des Mainstreams. Mitte März (14.3.) erscheint das selbstbetitelte Debüt der in Wien ansässigen Band. Im Interview mit Michael Ternai sprechen die vier Musikerinnen unter anderem über ihre musikalischen Vorstellungen – und darüber, warum ein hoher Spaßfaktor und Ernsthaftigkeit sich nicht zwingend ausschließen müssen.

Vielleicht ein wenig zur Geschichte der Band. Wie hat sie sich eigentlich gegründet?

Miriam: Alles begann, als Eva und ich zusammenwohnten. Wir waren oft auf Konzerten, kauften Platten und umgaben uns mit Musik. Irgendwann suchte Eva nach einem neuen Hobby, und da wir beide total musikaffin waren, lag der Schritt zur eigenen Band nicht fern. Sie meinte, es wäre doch cool, Schlagzeug zu spielen, weil eine Frau hinterm Schlagzeug eher eine Seltenheit ist. Ich selbst hatte zuvor klassische Gitarre gespielt, aber noch nie eine E-Gitarre. Als Eva schließlich ihr altes Kinderzimmer entrümpelte, fand sie eine kleine Übungsgitarre samt Verstärker – und ich probierte sie einfach mal aus. Wir merkten schnell, wie viel Spaß es macht, laut und mit Verstärker zu spielen.

Bald mieteten wir Proberäume und lernten über Freunde Pauline kennen, die ebenfalls Gitarre spielte. Dank der Band Pastor hatten wir Zugang zu erstklassigem Equipment, was ein unglaublicher Glücksfall war.

Was uns noch fehlte, war eine Bassistin. Die Suche dauerte zwar ein wenig, aber schließlich fanden wir Marie. Ich schrieb sich einfach an, wir jammten – und es passte sofort. Dann kam Corona. Trotzdem hielten wir die Band am Leben, probten weiter, schrieben Songs und spielten 2021 endlich live.

Pauline: Unser erster inoffizieller Gig war vor zehn Leuten in unserem Proberaum. Da haben wir unsere drei „Demo“-Nummern runtergespielt.

Miriam: Unseren ersten richtigen Gig spielten wir dann im Rahmen der Bierwoche in der Arena. Eine gute Freundin von uns, Rebecca von Rolltreppe, hat uns ermutigt, dort zu spielen.

Pauline: Was ja auch ein bisschen verrückt war, weil zu diesen Konzerten teilweise bis zu 200 Leute kommen – und dann unser erster Auftritt gleich ein Open-Air-Konzert vor so einem großen Publikum, das war schon ein Ding.

Miriam: Das war eine riesen Ehre und wir haben uns wirklich extremst angeschissen. Aber es war dennoch wahnsinnig cool. Und ja, dass das alles so einen schönen Anfang genommen hat, ist natürlich dem vielen Support von Freudinnen und Freunden zu verdanken.

Wenn man sich anschaut, auch welchen Bühnen ihr inzwischen gestanden seid und vor allem wo überall, dass Lurch die Phase eines Spaßprojekts mittlerweile hinter sich gelassen hat.

Eva: Es ist immer noch ein Spaßprojekt.

Miriam: Und das wird es auch immer bleiben.

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Vielleicht anders ausgedrückt, ihr seid keine Hobbyband mehr.

Pauline: Nein, das sind wir nicht mehr. Aber wir haben nicht den Ansporn, berühmt zu werden oder in den Mainstream zu gehen. Was wir wollen, ist veröffentlichen und live spielen.

Eva: Die Dinge passieren einfach irgendwie so. Wir haben erst seit einem Jahr einen Booker. Davor haben niemand gehabt, der für uns Konzerte checkt. Und dennoch sind aus dem Nirgendwo plötzlich Anfragen eingetrudelt und wir haben immer ja gesagt. Und das waren nicht wenige Anfragen. So hat sich das in etwa entwickelt.

Marie: Das Livespielen macht uns einfach Spaß. Wir sind zu viert unterwegs, spielen Musik und sammeln Erfahrungen. Das ist, würde ich sagen, bei uns der Hauptantrieb.

Pauline: Wir machen einfach Ausflüge miteinander. Wir fahren irgendwohin, parken das Auto, nehmen unsere Rucksäcke …

Marie: … schlafen irgendwo in der Kälte …

Pauline: … schauen uns noch irgendetwas in der Stadt an, essen ein Schnitzel und dann geht es wieder heim.

Miriam: Und natürlich lernen wir auch viele supercoole Leute kennen. Es ist immer schön zu sehen, dass, wo auch immer wir spielen, es anscheinend überall so kleine Kulturvereine gibt, die den Leuten dort einmal etwas anders bieten wollen als nur Musik für ein Volksfest. Es ist immer schön, wenn man in so ein kleines Dorf kommt und auf viele coole Leute trifft, die man dort eigentlich nicht erwartet hat.

Wann ist es eigentlich tatsächlich spruchreif geworden, ein Album zu machen?

Pauline: Eigentlich schon immer. Wir haben das Album tatsächlich schon im Dezember 2023 aufgenommen. Dann sind leider einige Umstände eingetreten, die den Release verzögert haben – aber jetzt ist es endlich so weit.

Eva: Wir haben ja auch schon relativ lange live gespielt, bevor überhaupt etwas von uns online war. Deshalb dachten wir, es wäre vielleicht gut, ein paar Songs aufzunehmen, damit die Leute ungefähr wissen, was sie von uns erwarten können. Der erste Schritt war dann das Demo, das im März 2023 erschienen ist. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir aber schon neue Songs geschrieben, sodass wir uns entschieden haben, direkt ein ganzes Album aufzunehmen.

Marie: Ich stelle jetzt mal eine steile These auf – ihr könnt mir gerne widersprechen. Ich glaube, dass wir uns für das Aufnehmen viel Zeit lassen, weil wir auch intensiv an den Songs arbeiten. Manche werden ja mehrfach umgeschrieben, bis wir das Gefühl haben: Jetzt sind sie so weit, dass wir sie aufnehmen können.

Miriam: Das unterschreib ich.

Pauline: Es ist ja auch so, dass zwei Nummern des Demos auf dem Album zu hören sind, eben nur umgeschrieben in neuer Form.

Also dann doch nicht nur reiner Spaßfaktor, sondern auch ein wenig Perfektionismus.

Miriam: Voll. Aber gerade das ist es, was uns Spaß macht.

Pauline: Da wir über vier Jahre lang bei Konzerten immer dieselben Songs gespielt haben, sind wir irgendwann dazu übergegangen, Setlists so zusammenzustellen, dass sie richtig schräg sind – mal spielen wir einen Song nur zur Hälfte, dann den nächsten auch nur teilweise, und zwischendurch das Ende eines anderen, so medley-mäßig. Einfach, damit es spannend bleibt. Deshalb sind wir jetzt umso glücklicher, dass das Album endlich erscheint. Und wir haben sogar schon einen neuen Song geschrieben – der ist richtig geil!

Miriam: Wir können es kaum erwarten, die neuen Songs endlich live zu spielen. Was ich aber auch betonen möchte: So viel Spaß dieses Projekt auch macht – wir nehmen Lurch sehr wohl ernst. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Beim Songwriting sind wir sehr gewissenhaft, wir proben jede Woche, und es ist uns wichtig, uns regelmäßig zu sehen – schließlich sind wir nicht nur Bandkolleginnen, sondern auch enge Freundinnen.

Wir lieben es, live zu spielen, und wollen vor möglichst vielen Leuten auftreten, weil das einfach der schönste Teil des Ganzen ist. Ein Spaßprojekt zu haben bedeutet nicht, dass wir die Band nicht ernst nehmen.

Pauline: Die Motivation ist einfach mehr Leidenschaft als irgendeine Professionalität.

Bild der All-Female-Rock-Band Lurch
Lurch © Lurch

Man hört eurer Musik an, dass ihr genau das tut, was ihr wollt. Ihr lasst Songs auch mal acht Minuten lang werden, bleibt zu 90 Prozent instrumental – auf dem Album gibt es gerade mal zwei Stücke mit Gesang – und euer Sound ist kantig und roh. Vieles ist ganz genau das Gegenteil von dem …  

Miriam: … was sich gut verkauft.

(alle lachen)

Eure Musik atmet sehr viel Vergangenes, der Sound klingt, ich will jetzt nicht sagen, retro …

Pauline: … du kannst gerne retro sagen. Miriam und ich spielen ja auch Retro-Röhrenamps. Das ist für uns jetzt keine Beleidigung.

Miriam: Viel von unserer musikalischen Inspiration kommt ja aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Wir mögen diesen dreckigen Sound.

Auch von den Einflüssen zeigt sich eure Musik breit. Ich höre unter anderem Stonerrock raus, auch Psychedelic Rock, sogar ein wenig New Wave of British Metal klingt durch.

Pauline: Ich glaube, wir haben nie geplant, unsere Musik zu konzeptualisieren oder in eine bestimmte Richtung zu lenken – das ist einfach nicht unser Ding. Wir wollen uns nicht festlegen. Für uns ist es wichtig, die Freiheit zu bewahren, in jede Richtung gehen zu können. Gleich verhält es sich, wenn es um die Struktur unserer Nummern geht. Die klassische Struktur ist nicht unser musikalischer Anspruch.

Miriam: Wir sind keine Genrepuristinnen. Wir tragen in unsere Musik das hinein, was uns im Moment anspricht.

Pauline: Das ist auch das Schöne. Wir sind vier Leute in der Band, die alle etwas Eigenes mit reinbringen. Unsere Musik ist ein Cocktail aus unseren musikalischen Präferenzen.

Eva und Miriam, ihr habt ja anfangs gesagt, dass Lurch quasi eure erste Band ist. Pauline und Marie, wie ist das bei euch? Ist das Leben on the road auch für euch etwas Neues?

Pauline: Ich selber war davor auch noch nicht in einer Band, war aber lange die Freundin von einem Musiker und habe dessen Bands viel begleitet und allerlei Dinge, wie etwa den Merch, erledigt. Oft hatte ich das Verlangen, selbst Musik zu machen, aber mir fehlten die richtigen Leute. Ich wusste einfach nicht, mit wem. 2018 war es dann eine glückliche Fügung, als wir auf dieser 30er-Feier zusammengekommen sind.

Marie: Ich mache seit 2006 Musik – in den unterschiedlichsten Genres. Angefangen habe ich im Stoner Rock, dann aber auch Gypsy Swing, Klezmer und andere Stilrichtungen ausprobiert. Unter anderem spiele ich noch bei Paul Plut Kontrabass. Trotzdem muss ich sagen, dass ich mich erst in dieser Band wirklich musikalisch beheimatet fühle.

Pauline: Es ist wirklich ein großer Vorteil, jemanden wie Marie in der Band zu haben – mit so viel Erfahrung.

Marie: Wobei ich schon sagen muss, dass wir mittlerweile an einem Punkt sind, an dem wir unsere Erfahrungen gemeinsam machen. Und das ist für mich ziemlich cool.

Wenn man euch so zuhört, merkt man, dass ihr euch viele Gedanken macht. War die musikalische Ausrichtung von Anfang an klar, oder habt ihr euch einfach treiben lassen?

Pauline: Am Anfang haben wir uns schon treiben lassen und einfach geschaut, wohin der Wind uns trägt. Aber es gab natürlich gewisse Grundvorstellungen.

Miriam: Bei uns ist es jedes Mal eine Überraschung, was aus einem Song wird. Wird es krautig? Wird es funky? Das hängt oft auch davon ab, was wir gerade gerne hören.

Bild: Lurch live in der Arena Wien
Lurch live in der Arena Wien © Georg Cizek-Graf

Eva: Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass ziemlich schnell klar war, dass wir in Richtung Stoner Rock, Psych Metal, Hard- und Heavy Rock gehen – weil das einfach die Musik ist, die wir alle hören.

Pauline: Wir wollen einfach hart und heavy sein – egal in welche Richtung.

Miriam: Auf jeden Fall. Das war von Anfang an klar.

Ich habe euch ja als Instrumentalband entdeckt. Auf eurem Album finden sich aber auch zwei Stücke mit Gesang. Wie ist es dazu gekommen?

Pauline: Bei dem Song „Croque Madame“ war es so, dass die Mädels ohne mich geprobt haben, weil ich entweder einen Termin hatte oder krank war. Dabei haben sie einfach drauflos gejammt. Das Stück beginnt ziemlich funky, und ich wusste erst nicht so recht, was ich damit anfangen soll – Funk ist nicht mein Metier, und ich hatte keine Ahnung, was ich dazu spielen könnte. Also haben wir einfach beschlossen, dass ich stattdessen einen Sprechgesang darüber mache. das hat ganz gut funktioniert. Am Ende bricht die Nummer dann sowieso wieder komplett instrumental auf – und da bin ich dann eh wieder dabei. (lacht)

Die andere, „Cascade“, haben wir vor zwei Jahren fertig geschrieben. Dazu gibt es jetzt auch ein Video. Der Song ist stark von befreundeten Bands inspiriert. Wir waren im Proberaum, und ich hatte irgendwie eine Handyaufnahme davon gespeichert. Da war schon klar, dass es eine Vier-Minuten-Nummer werden würde, die so garagepunkig klingt – und dass ich darüber singen würde.

Das Album erscheint jetzt Mitte März, und mit dem Release startet auch eine Tour durch Österreich. Was steht sonst noch an? Vielleicht ein paar Festivalauftritte im Sommer?

Pauline: Wir spielen tatsächlich eine paar fette Festivals im Sommer.

Eva: Announced ist bis unter anderem das Freak Valley in Deutschland.

Miriam: Es geht auch in die Schweiz zum Up In Smoke Festival. Das ist auch schon sicher.

Pauline: Und wir spielen auch beim Hoflärm Festival in Deutschland.

Herzlichen Dank für das Interview.

Michael Ternai

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Lurch live
15.03. Kulturhof, Villach
28.03. Schlosskeller, Waidhofen
29.03. Music-House, Graz
04.04. Arena, Wien (Kleine Halle)
19.04. KAPU, Linz
17.05. Stadtfest, Scheibbs

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