Die Festplattenabgabe ist seit Oktober 2015 beschlossene Sache. Dieser Tage soll nun auch der Gesamtvertrag, der die verbindlichen Tarife festsetzt, unterfertigt werden. Jurist PAUL FISCHER von der AUSTRO MECHANA (AUME) sprach mit Markus Deisenberger über Musterprozesse, fragwürdige Obergrenzen und die Schlacht mit dem Branchenriesen AMAZON.
Sie arbeiten in der Abteilung „Speichermedienvergütung“ der austro mechana. Lassen Sie uns einleitend über Ihren Job beziehungsweise Ihre Job Description sprechen: Was macht die Abteilung, für die Sie arbeiten? Was machen Sie?
Paul Fischer: Die Abteilung hebt die Speichermedienvergütung ein. Das bedeutet, sie nimmt die Meldungen der betroffenen Unternehmen an, kontrolliert die Zahlungseingänge und betreibt Marktbeobachtung. Das heißt, sie schaut, dass niemand durch das Raster rutscht, sondern dass all jene, die Speichermedien importieren und in Verkehr setzen, auch ihre Abgabe entrichten.
Von wie vielen Meldungen beziehungsweise wie vielen Unternehmen sprechen wir da?Paul Fischer: Es sind zwischen 180 und 200 Unternehmen, die Verträge mit uns abgeschlossen haben. Da nun aber mehr Medien – Computerfestplatten, Smartphones, Feature-Phones bis hin zu Smart-Watches – miteinbezogen werden, rechnen wir damit, dass es mehr werden. Man kann in etwa von einer Verdoppelung der Meldepflichtigen ausgehen.
Letzten Oktober war in den Medien davon zu hören, dass die Abgabe beschlossen ist und die diesbezügliche Novelle zum Urheberrecht in Kraft tritt. Seitdem hat man nichts mehr gehört. Was ist seitdem passiert?
Paul Fischer: Wir haben unserer Aufgabe entsprechend Verhandlungen geführt. Jetzt, da das Gesetz in den Punkten eindeutig ist, in denen es zuvor nicht eindeutig war, ist klargestellt, dass ein Anspruch auf Vergütung besteht. Das war uns immer klar, deshalb haben wir die Prozesse geführt und führen sie auch weiter – die Rechtslage für die Zeit vorher ist ja noch nicht geklärt.
“Man kann in etwa von einer Verdoppelung der Meldepflichtigen ausgehen.”
Sie meinen die Zeit vor dem 1. Oktober 2015, vor dem Inkrafttreten der Novelle also?
Paul Fischer: Ja. Ob davor die Festplattenabgabe aufgrund der alten Rechtslage schon gegolten hat oder nicht, wissen wir noch nicht endgültig, weil noch keines der diesbezüglich anhängigen Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Aber es sieht ganz gut aus, weil der OGH [Oberste Gerichtshof; Anm.] sowohl zu den Computerfestplatten als auch zu den Mobiltelefonen entsprechende Beschlüsse gefasst hat. Dass es noch zu keinem rechtskräftigen Abschluss gekommen ist, hat einzig und allein mit dem Amazon-Verfahren zu tun, an dem alles hängt.
Worum geht es in dem von Ihnen angesprochenen Verfahren?
Paul Fischer: Eigentlich kann man das als Schlacht bezeichnen, die Amazon nicht nur gegen die AKM beziehungsweise AUME, sondern geben fast alle in Europa tätigen Verwertungsgesellschaften führt. Kurz gesagt will Amazon keine Gebühren zahlen, weil das System aus seiner Sicht EU-rechtswidrig ist. Dabei wurde schon im Jahr 2013 vom EuGH [Europäischen Gerichtshof; Anm.] unmissverständlich festgestellt, dass in Österreich eine Vergütung zu zahlen ist, selbst wenn diese bereits in Deutschland entrichtet wurde. Amazon war davon ausgegangen, dass in Österreich keine Vergütung zu zahlen war, wenn es diese bereits in Deutschland entrichtet worden war, und zwar für Mengen, die nach Österreich geliefert wurden. Die Idee ist aber doch, dass die Nutzungsvergütung dort anfällt, wo die Endnutzerin beziehungsweise der Endnutzer das Trägermaterial bekommt. Die oder der kopiert ja und ist die wahre Schuldnerin beziehungsweise der wahre Schuldner, sagt uns auch der EuGH. Vom Importeur wird die Vergütung ja nur deshalb eingefordert, weil es so am besten administrierbar ist.
Das heißt aber auch, dass die in den Medien lange Zeit breitgetretene Auffassung, ich müsste für eine in Deutschland oder Luxemburg bestellte Festplatte keine Abgabe entrichten, eine Falschinformation war?
Paul Fischer: Ja, man war bis in höchste politische Kreise falsch informiert.
Gibt es im Gesetz andere wesentliche Änderungen?
Paul Fischer: Ja, eine wesentliche Änderung gibt es zur entgeltlichen Inverkehrsetzung. Wo vorher nur jene von der Regelung betroffen waren, die Speichermedien verkauft haben, sind heute auch jene, die sie unentgeltlich in Verkehr bringen, betroffen. Früher war etwa diskutabel, wie man ein Unternehmen behandelt, das USB-Sticks zu Werbezwecken importiert, um sie gratis an Privatkundinnen und -kunden zu verteilen.
Sie meinen also die Sticks, auf denen eine Präsentation drauf ist, darüber hinaus aber noch weiterer Speicherplatz.
Paul Fischer: Genau. Aus unseren Nutzerstudien wissen wir, dass derartige Speicher natürlich auch für Privatkopien herangezogen werden. Nach dem strengen Gesetzeswortlaut aber wäre das keine entgeltliche Inverkehrsetzung gewesen, obwohl privat kopiert werden konnte. Genau das aber wäre nicht im Sinne des Gesetzes, denn genau solche Vorgänge sollen ja vergütet werden. Daran hat man natürlich damals, als die gesetzliche Regelung im Jahr 1980 entstand, nicht gedacht. Man ist nicht davon ausgegangen, dass jemand Leermedien einfach verschenkt. All jene also, die das tun, müssen es nur noch gewerbsmäßig tun, nicht mehr entgeltlich, um zahlungspflichtig zu werden.
“Eigentlich kann man das als Schlacht bezeichnen, die Amazon (..) gegen fast alle in Europa tätigen Verwertungsgesellschaften führt.”
Was ist jetzt noch offen beziehungsweise gesetzlich noch nicht geklärt?
Paul Fischer: Zwei Themenbereiche sind derzeit noch offen: die Frage der sozialen und kulturellen Einrichtungen, kurz SKE, und ob Rückerstattungen auch an Private unter bestimmten Voraussetzungen zu leisten sind. Das HG Wien [Handelsgericht Wien; Anm.] hat das zu klären gehabt. Das OLG [Oberlandesgericht; Anm.] hat nun bereits in zweiter Instanz entschieden und die Rechtssache geht nun zum OGH, wo sie dann hoffentlich endgültig entschieden wird.
Bis wann kann man damit rechnen, dass die Tarife endgültig stehen?
Paul Fischer: Die Tarife sind an sich verhandelt. Es hängt nur noch von der Unterfertigung des Gesamtvertrages ab. Dann werden die Tarife rückwirkend mit 1. Oktober 2015 in Kraft gesetzt.
Das heißt, alle warten nur noch auf die Finalisierung des Gesamtvertrages.
Paul Fischer: Ich bin guter Dinge, dass das sogar noch bis Ende Jänner gelingt. Der Vertrag muss natürlich noch durch diverse Gremien, sowohl aufseiten der WKO [Wirtschaftskammer Österreich; Anm.] als auch aufseiten der Verwertungsgesellschaften. Die wesentlichen Verhandlungspunkte aber stehen fest.
Das heißt, es wird schon bald eine ganz klare Rechtslage für Käufe nach dem 1. Oktober 2015 mit festen Tarifen geben. Wie geht man mit den davor gekauften Speichermedien um?
Paul Fischer: Immer unter dem Vorbehalt, dass der Vertrag tatsächlich unterschrieben wird, wovon ich jetzt einmal ausgehe, ist die Rechtslage ab dem 1. Jänner 2015 recht klar, das wird durch den Gesamtvertrag geregelt. Die Meldezeiträume sind gesetzlich festgelegt: Der 15. Jänner für das letzte Quartal 2015 und dann immer vierteljährlich zum 15. Tag nach dem jeweiligen Quartal. Für den Zeitraum davor gibt es noch keine klare Regelung. Da laufen die Leitprozesse. Wir haben allerdings alle Unternehmen geklagt oder Verjährungsverzichte eingefordert. Das bedeutet: Wir haben alle Ansprüche noch offen, was die strittigen Medien wie Computerfestplatten in jeder Form, Handys, soweit sie Speicher für MP3, MP4 oder dergleichen haben, Speicherkarten etc. betrifft.
Das hört sich nach einem gewaltigen Volumen an. Wie wird das seitens der Unternehmerinnen und Unternehmer gehandhabt? Werden da Rückstellungen gebildet, um die drohende Zahllast dereinst bewältigen zu können?
Paul Fischer: Sobald eine Klage oder eine ernst gemeinte Klagsdrohung da ist, müssen von Unternehmensseite Rückstellungen gebildet werden. Unseres Wissens nach haben das auch die meisten Unternehmen gemacht. Die großen sowieso, die kleinen, soweit wir wissen, auch. Die Vergütungen wurden bereits in den Handel einkalkuliert. Wir glauben deshalb auch nicht, dass es zu einer Preissteigerung dieser Geräte kommen wird.
Wie viel wird die Festplattenabgabe den Künstlerinnen und Künstlern tatsächlich bringen? Wird sie überhaupt etwas „bringen“ oder wird sie nur den aus dem Rückgang der Leerkassettenvergütung entstehenden Ausfall – die Einnahmen aus der Leerkassettenvergütung seit 2005 haben sich von 17,6 Millionen auf 5,9 Millionen Euro im Vorjahr ja drastisch reduziert – kompensieren?
Paul Fischer: Der europäische Gesetzgeber sagt sehr deutlich: Es kommt auf das Ausmaß der Nutzung an. Die Höhe der Entschädigung hängt also vom durchschnittlichen tatsächlichen Privatkopieren ab. Deshalb müssen auch regelmäßig Studien darüber angestellt werden, wie viel privat urheberrechtlich geschütztes Material etwa auf einem Handy im Durchschnitt gespeichert wird. Das wird analysiert. Dann hat man einen Gesamtumfang, der repräsentativ ist. Von diesen Zahlen ausgehend sollte der tatsächliche Tarif gebildet werden. Sobald feststeht, wie viele Kopiervorgänge es gibt, weiß ich auch, welchen Schaden, der den Urheberinnen und Urhebern entsteht, ich vergüten muss. Je mehr kopiert wird, desto höher wird der Tarif. So weit, so gut. Nur hat uns der Gesetzgeber mit der Novelle leider eine Obergrenze eingezogen, die aus unserer Sicht sehr fragwürdig ist. Alle Überlegungen, dass die erhobenen Vervielfältigungshandlungen im Tarif abgebildet werden müssen, sind damit obsolet geworden.
Wieso?
Paul Fischer: Weil man jetzt von einem Richtwert runterrechnen muss. Von insgesamt 29 Millionen Euro, die allerdings zwei Ansprüche beinhalten, nämlich die papierene Kopie, die sogenannte „Reprografievergütung“, und die digitale Kopie, die Speichermedienvergütung. Es gibt einen parlamentarischen Entschließungsantrag, in dem ein Verhältnis von 20 Millionen Euro – für die Speichermedienvergütung – zu 9 Millionen Euro – für die Reprografievergütung – erwähnt wird. Man kann also davon ausgehen, dass 20 Millionen Euro für die Speichermedienvergütung vorhanden sein sollen. Die tatsächliche Nutzung ist ein Indiz, aber aufgrund der Obergrenze nicht mehr so wichtig wie eigentlich einmal angedacht. Wir glauben deshalb auch, dass sich das Gesetz nicht im Einklang mit den europäischen Vorgaben befindet, aber wir müssen damit jetzt einmal leben.
Fakt ist: Der Gesetzgeber hat es so normiert, dass die Vergütung in den Jahren 2016 bis 2019 praktisch nicht mehr als 20 Millionen Euro für Speichermedien ausmachen darf.
Was kommt danach?
Paul Fischer: Das ist offen. Ich schließe aber den österreichischen Weg, dass man solche Reglungen dann einfach perpetuiert, anstatt sie an geänderte Bedingungen anzupassen, nicht aus.
Was schlecht für die Urheberinnen und Urheber wäre.
Paul Fischer: Sie sagen es.
Mit welchen Zahlen arbeitet eigentlich festplattensteuer.at? Dort erfährt man, dass den Konsumentinnen und Konsumenten rund 30 Euro für einen Smartphone-Speicher von 64 GB, rund 13,50 Euro für eine 8-GB-SD-Speicherkarte und 30 Cent für einen 8-GB-USB-Stick draufgeschlagen wird.
Paul Fischer: Das sind von autonomen Tarifen hochgerechnete Zahlen. Wenn man die alten Tarife etwa für Festplattenrekorder oder MP3-Player auf die neuen Medien und deren Speicherkapazität umlegen würde, würde man zu solchen Zahlen kommen.
“Wir glauben (..) , dass sich das Gesetz nicht im Einklang mit den europäischen Vorgaben befindet (..).”
Das heißt, die tatsächlichen Tarife liegen darunter?
Paul Fischer: Die im Dezember veröffentlichten Zahlen, die auf einer grundlegenden Einigung basieren und an denen sich auch nichts mehr ändern wird, sind folgende: Für Computerfestplatten werden 5 Euro pro Stück verrechnet, und zwar unabhängig von der Speicherkapazität. Wie gesagt, ist die tatsächliche Nutzung nicht relevant, weil pro Stück Speichermedium gerechnet wird. Für integrierte Festplatten in PCs, Notebooks, Laptops etc. sind das 5 Euro, für Speicher in Handys mit zumindest Musikwiedergabe 2,50 Euro, für externe und Wechselfestplatten 4,50 Euro, für Speicherkarten aller Art 0,35 Euro, für Tablets 3,75 Euro. USB-Sticks waren geregelt, nur nicht gesamtvertraglich, und sind daher nicht Thema der jetzigen Einigung. Für Smart-Watches, soweit es einen integrierten Speicher gibt wie bei der Apple-Watch, wird 1 Euro verrechnet, für digitale Bilderrahmen 2 Euro. Auch da können fremde Bilder gespeichert werden, was auch geschieht, wie unsere Studien gezeigt haben.
Wenn ich diese genannten Tarife auf die Stückzahlen hochrechne, komme ich dann nahe an die genannte Obergrenze von 20 beziehungsweise 29 Millionen Euro?
Paul Fischer: Da wird man nicht weit weg sein, denke ich. Welche Mengengerüste diesen Berechnungen zugrunde gelegt werden, war auch einer der Kernpunkte des Tauziehens in den Verhandlungen. Die WKO ging von höheren Stückzahlen aus, um den Tarif nach unten zu drücken. Wir gingen wie immer von unseren Gfk-Zahlen [Marktforschungsunternehmen; Anm.] aus. Wir haben nichts beschönigt. Nach unserer Rechnung kommen wir nicht auf die 20 Millionen Euro, nach Rechnung der WKO kommen wir sogar leicht darüber. Wirklich einschätzen kann es derzeit natürlich niemand. Auch deshalb werden wir den Gesamtvertrag mal auf ein Jahr abschließen. Dann wird einmal evaluiert und danach muss man sich zusammensetzen.
Seit 16. Jänner können all jene, die glaubhaft machen, dass sie das Speichermedium nicht für das Erstellen von Privatkopien verwenden, die Speichermedienvergütung rückfordern. Wie funktioniert das? Und welchen administrativen Aufwand stellt das für die AUME dar? Falls der Betrag auf der einzureichenden Rechnung nicht ausgewiesen ist, muss er ja errechnet werden, in jedem Fall einzeln …
Paul Fischer: Das ist schwer einzuschätzen. Bisher ist die große Welle ausgeblieben. Wir waren immer auf dem Standpunkt, dass Private keine Rückerstattung bekommen, weil sie nicht zum Kreis der Rückerstattungsfähigen gehören. Das jetzige Gesetz spricht von Letztverbrauchern.
Ich frage mich da: Wie soll eine Rückerstattung an Private erfolgen? Wie mache ich also als Privatperson glaubhaft, dass ich eine neu gekaufte Festplatte nicht zu privaten Kopierzwecken heranziehen werde?
Paul Fischer: Sie haben recht. Das geht eigentlich nicht, zumal die Platten neu bespielt werden können. Der EuGH hat das unserer Auffassung nach so auch nie gesagt. Die diesbezüglichen Ausführungen sind sehr rechtstechnisch. Um es zu verkürzen: Wir sind der Meinung, dass das nie vom Gesetzgeber gefordert wurde. Die Ausnahme, dass man ohne Zustimmung der Urheberin beziehungsweise des Urhebers kopieren darf, bezieht sich immer nur darauf, dass ich als natürliche Person zu privaten Zwecken kopiere. Nie für gewerbliche und berufliche Zwecke. Aber alle Personen, die nicht infrage kommen, wie Gesellschaften und Vereine oder Personen, die als Firma bestellen, können gar nicht in den Genuss der Ausnahme kommen. Und die sollen – wie eh und je – eine Rückerstattung bekommen. Bei wiederbespielbaren Medien ist eine Kontrolle natürlich schwierig. Da kann mir jemand heute eine leere Festplatte zeigen, auf die morgen kopiert wird. Ich gebe zu, dass es umgekehrt einzelne Härtefälle geben kann, wo jemand wirklich gar nichts urheberrechtlich Relevantes kopiert, aber das liegt im Wesen einer Pauschalvergütung.
Die auf der ORF-Plattform futurezone durchgeführte Umfrage lässt Schlimmes für die AUME befürchten. 80,5 Prozent der Userinnen und User gaben dort an, sich die Abgabe zurückholen zu wollen.
Paul Fischer: Wie gesagt: Bislang ist der Ansturm ausgeblieben. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Hemmschwelle für einen Mausklick niedriger liegt als für einen begründeten Antrag.
Vielen Dank für das Gespräch!
Markus Deisenberger