Waves Vienna Konferenz: Kleine Märkte – große Manager?

Einer der Gründe, weshalb es in Österreich und den meisten Märkten Osteuropas so wenige Manager gibt, ist wahrscheinlich der Mangel an Geld und, dass die meisten auch noch ein Label und eine Booking-Agency betreiben, d.h. also auch noch anderes zu tun haben. Bedeutet das umgekehrt, dass kein Platz für sie da ist? Es diskutierten: Sandi Maver (Kurzrockvibe; Sl), Reha Öztunal (Artistic Ideas; TR), Jules Parker (Polaroid Management; UK), Jeroen Siebens (Fritspecial; AT/BE) und Guna Zucika (Prata Vertra Management; Lettland). Diskussionsleiter: Jake Beaumont-Nesbitt (IMMF; UK)

Österreich, Deutschland und Schweiz zusammen seien ein substanzielles Territory, führt Diskussionsleiter Jake Beaumont-Nesbitt eingangs aus, während der österreichische Markt für sich genommen klein sei. Was für Besonderheiten bringt das mit sich?

Trial and Error

Jeroen Siebens, der belgisch-österreichische Vertreter am Podium erzählt, dass er aus dem Wissen heraus anfing, Promo für Bands zu machen, dass „sich Major-Labels schlichtweg nicht für uns interessieren werden.“ Aus seiner Sicht gehe es als Band darum, sich zu etablieren, vor allem live, um raus aus Österreich kommen, den Namen zu droppen also. „Es war einfach notwendig. Wir haben versucht, der Realität zu folgen. Deutschland ist ein komplett anderer Markt für uns Österreicher.“
Österreich habe eine kleine, aber gut funktionierende Szene. „Die abzudecken geht relativ schnell und leicht, aber dann kommt der entscheidende Schritt und dafür braucht man die Radio-Sender.“

Ist es generell schwer, in den deutschen Mark rein zu kommen oder nur bezogen auf seinen Artist, will Beaumont-Nesbitt wissen.
Beides, meint Siebens. Deutschland sei aber auch nie der erste Markt für den von ihm vertretenen Act gewesen. „Wir haben es gleichzeitig auf vielen probiert und dann geschaut, wo es am besten geht, wo Interesse besteht und dann dort nachgesetzt.“

On the Edge
Die Türkei sei ein großes Land mit vielen Leuten, aber kein großer Markt, erzählt Reha Öztunal, und nicht gut an internationale Märkte angeschlossen. „Es gibt nicht viele türkische Acts, die in Europa touren.“ Warum? „Weil wir nicht in der selben ökonomischen Zone sind. Es gibt viele Hürden zu überwinden.“ Türkische Musik sei im mittleren Osten-Markt ebenso vertreten wie im europäischen und im russischen Markt und deshalb „on the edge“. Es gäbe einige große Namen, die eine große Anzahl von Alben verkaufen können, aber in anderen Ländern Probleme haben. „Ähnlich wie in Brasilien. Da gibt es einige Bands, die wahnsinnig viel verkaufen, die aber außerhalb von dort niemand kennt.“

Networking
Wie findet man die Beziehungen, um Bands aus diesen speziellen Märkten raus und in andere Märkte rein zu kriegen, will Beaumont-Nesbitt wissen.
Sandi Maver führt aus, dass es auf Freundschaften in der Festival- und Club-Szene ankomme. Die slowenische Szene funktioniere etwa ganz anders als die österreichische. In den letzten Jahren habe viel geschlossen, viel aufgehört. Slowenien habe heute eine sehr kleine Szene und ein paar große Acts. „Dazwischen gibt es kaum etwas, da hat in den letzten Jahren ein Kahlschlag stattgefunden“, so Maver. „Vielleicht noch auf der Festivalszene, aber das findet halt nur ein- zweimal im Jahr statt.“ Außerdem könnten sich die größten slowenischen Festivals nicht einmal mit den mittelgroßen in Österreich vergleichen. Insgesamt sei die Situation sehr schwierig, so Maver. Diese Festivals könnten es sich kaum leisten, einen großen Act zu verpflichten. Das größte slowenische Festival letztes Jahr hatte als Headliner Skunk Anansie. Die würden in Österreich in der zweiten oder vielleicht sogar dritten Reihe spielen. „Dadurch aber ist es für uns schwer, Leute für bestimmte Acts zu interessieren.“
Um auf die Frage zurückzukommen: „Üblicherweise musst du raus gehen. Und Kontakte sammeln – ob auf Festivals oder Online. Abwarten geht nicht.“ Das heißt also, die wichtigste Aufgabe, um junge Artists an den Mann oder die Frau zu bringen sei die Fähigkeit, gutes Networking zu betreiben. Um eine Band nach Berlin oder London zu bringen, brauche es vor allem eines: Überredungsgabe. „Manchmal braucht es zehn Jahre, um jemanden von der Qualität eines Acts zu überzeugen.“
Für einen Act aus dem so genannten Osten sei es besonders hart in einem Land wie Deutschland oder Österreich interessant zu sein.

Das Geld der Großen stützt die Kleinen

Das kling nach viel Risiko, meint Beaumont-Nesbitt.
Ja, das sei Teil des Jobs, sagt Maver. Es gebe starke lokale Bands, die von vorneherein wenig bis keine Chance haben. Viel des Business bestehe nun darin, das Geld dieser funktionierenden Bands zu nehmen und in solche zu investieren, die raus wollen bzw. ihre Märkte wo anders haben und suchen. „Wenn du Englisch singst, hast du in Slowenien wenig Chance. D.h. die, die Englisch singen, müssen raus.“
„Ist es notwendig in Englisch zu singen, um die Musik zu exportieren“, will Beaumont-Nesbitt wissen.
Das, so Maver, komme ganz auf das Genre an. „Im Punk oder Rock mit Sicherheit. Wenn man allerdings Ethno oder Folk macht, nicht unbedingt. Da ist es vielleicht sogar besser, möglichst exotisch zu klingen.“

Guna Zucika führt aus, dass sich die Situation in Lettland stark geändert habe. „Staatlich unterstützt wird fast nur klassische Musik.“ Andererseits habe man es leicht, weil man mit dem russischen Markt einen riesigen habe, der sich bearbeiten lässt. „Das meiste unserer Einnahmen kommt aus dem Live-Geschäft in Russland“, so Zucika. D.h. auch in Lettland laufe es so, dass viel des Geldes großer Acts in das Artist-Development kleiner Acts investiert wird. Aus dem Publikum will sodann jemand wissen, ob die von ihr betreuten Bands denn von ihrer Kunst leben könnten. Seit die internationalen Märkte bearbeitet würden, ja, antwortet Zucika. Ohne den russischen Markt aber ginge es nicht.

Die Situation in der Slowakei sei sehr ähnlich, so Maver, es gäbe viele kleine Bands, die in der lokalen Szene relativ erfolgreich seien, und ein, zwei große Acts, die es auch im Ausland schaffen. Dazwischen herrsche gähnende Leere. Es gäbe nur zwei Bands in ganz Slowenien, die, so viel er weiß, davon leben könnten. „Alle anderen gehen hauptberuflich anderen Jobs nach und betreiben Musik als Hobby. Ihre Berufe haben aber auch auf die eine oder andere Art mit Musik zu tun, indem sie Instrumente lehren oder ein Studio betreiben etc.“

Investieren = Riskieren
Das bringe uns laut Beaumont-Nesbitt in die interessante Situation, dass ein Manager, der eine Band wie diese unterstützt, zunächst einmal kaum aus Musik-Einahmen bezahlt wird, sondern aus Einnahmen, die aus anderen Bereichen kommen. Mavi entgegnet: „Wenn du in Slowenien anfängst einer Band zu helfen, erwartest du zunächst einmal keine Bezahlung. Das geschieht in Advance, ist also als Vorleistung zu begreifen.“ Zwei von zehn Bands könnten es vielleicht schaffen, so Mavi, und dir deine Ausgaben wieder rein spielen.

Viele der Schwierigkeiten, mit denen ihre Branche konfrontiert ist, hätten doch mit einer gewissen Gratis-Mentalität zu tun, meint Zucika, und damit meine sie nicht das Download-Geschäft, sondern die Verwendung von Musik in Spots und dergleichen mehr. Das geschehe häufig, ohne gefragt zu werden.
Was daran liege, mischt sich Jules Parker ein, dass es kaum Zugang zu Wissen und Rat gebe.
„Gibt es denn in UK mehr Beratung für Musiker?“ fragt Beaumont-Nesbitt daraufhin.
„Ja und nein“, meint Parker. Es gebe immer noch viele Bands, die für wenig bis gar nichts arbeiten.“ Natürlich sei der englische ein größerer Markt, der für andere interessant und attraktiv ist. Dennoch gebe es bei 99% der Leute genauso wenig Geld für die Musik. Das Wissen müsse man sich daher selber aneignen oder eines der Bandmitglieder.
„D.h. auch in England haben wir die Situation, dass sowohl Artist als auch Management ein Risiko eingehen?“
„Absolut“, sagt Parker. Interessant seien die nordischen Länder. „Da gibt es riesige Ressourcen für nicht wirklich große Märkte.

Beaumont-Nesbitt fährt fort zu fragen: „Neben Expo-Office und Verwertungsgesellschaft, welche weiteren Möglichkeiten gibt es in UK, um einem Artist finanziell unter die Arme zu greifen?“
Wenn man Glück hat, so Parker, könne man einen privaten Investor finden. Das aber sei selten. Aber es gebe nicht wirklich viel privates Geld. Andererseits müsse man da auch Angebote ablehnen.

Das, so Beaumont-Nesbitt, sehe doch nach einer schwierigen Situation aus: Einerseits will man einen Artist bekannt machen, buhlt um Geld, muss aber uU Angebote ablehnen, die den gebotenen Respekt vermissen lassen.

Jeroen Siebens stimmt dem zu. Man solle nicht zum erstbesten Ja sagen. „Wenn die Band halbwegs bekannt ist, hast du ja schon zwei, drei Jahre investiert.“ In vielen Fällen komme etwas Besseres nach. Seiner Meinung nach sei es auch leichter geworden als es noch vor ein paar Jahren war, Leute auf fremden Märkten zu finden, die motiviert sind, etwas für deinen Act zu machen. Am Ende des Tages gehe es den Leuten in anderen Ländern genauso.

Gemeinsame Interessen
In der Türkei gebe es überhaupt keine öffentlichen Gelder für zeitgenössische Musik, erzählt Reha Öztunal. D.h. als Manager müsse man private Sponsoren kontaktieren, die das gleiche Publikum ansprechen wie der Act, den man aufbauen will. Er selbst habe Bands aus unterschiedlichen Genres unter Vertrag, so Öztunal, und glaubt auch, dass das die Zukunft sei. Die Vorgehensweise sei die gleiche, und auch auf Rockfestivals fänden sich zunehmend auch jazzige Acts oder Musik mit weltmusikalischem Einschlag. Letztlich gehe es um die gemeinsamen Interessen. Er bezweifelt aber, dass er für etwas, was nicht spezifisch die Türkei im Ausland repräsentiere, öffentliches Geld lukrieren könne.

Beaumont-Nesbitt will wissen, wie Guna Zucika das macht.
Ganz einfach, weiß die. Es gebe viele Konferenzen wie diese hier, von denen etwas zurück kommt. Und so habe auch eine ihrer Bands unlängst in Glastonbury gespielt. „Die Leute, die man für seine Bands interessieren will, muss man einladen.“ Auf internationalen Treffen gebe es für die richtigen Leute einfach zu viele Leute, die sie treffen müssen und die mit ihnen reden wollen.“ Es geht nur über Einladungen ins eigene Land. Und da darf man auch nicht locker lassen.“

Die persönlichen Kontakte seien es also, die für den Unterschied sorgen, fasst Beaumont-Nesbitt zusammen. Wie aber, leitet er die abschließende Runde ein, sieht die vertragliches Situation zwischen Managern und Artists aus?

Sehr unterschiedlich, erzählt Maver. Mit den bekanntesten habe er Verträge, durch die er Prozente bekommt. Mit den Newcomern habe er 360-Grad-Verträge. „Wir investieren gemeinsam und erhalten gemeinsam Geld. Jeder weiß, was er tut und was er bekommt.“ Er habe Vertragsentwürfe, die auf den jeweiligen Fall angepasst werden. „Ein befreundeter Anwalt schaut sich das dann an und korrigiert. Aber ich habe noch nie einen Anwalt bezahlt, damit er mir einen speziell passenden Vertrag entwirft. Nicht auf diesem Level.“

Radio, Live, CD-Verkauf?

Siebens ist der Auffassung, dass die wichtigste Instanz immer noch die Radios seien. „In Europa gibt es vielleicht 90 Leute, die darüber entscheiden, was gespielt wird. Zu denen möchte ich vordringen.“

Für Maver ist der Live-Circuit das Wichtigste. Mit dem Live-Spielen kämen schließlich auch Revenues.

Guna Zucika habe schlechte Erfahrung mit Publishing gemacht, erzählt sie.
„In den Märkten, in denen die Band erfolgreich wird, passiert nichts.“ Es werde lizenziert, die Musik werde gespielt und die Publisher bekämen ihren Anteil. „Aber es passierte nichts, weil die Marketing-Budgets überall gekürzt wurden.“

Würde sie keinen Deal mit einem internationalen Label in New York unterschreiben, möchte Beaumont-Nesbitt wissen. Das komme darauf an, meint sie.
„Wir sind auf einem Level, auf dem es OK ist, Rechte herzugeben.“

Als Einpersonen-Unternehmen sei es Siebens nicht möglich, viele, viele Bands zu managen, weil seine Zeit limitiert sei, erzählt er. Genau darauf müsse man auch in seinem Umfeld achten. „Dass die Leute genauso arbeiten und das Gleiche denken.“
In einem Interview, das die von ihm exklusiv gemanagte Band neulich einer spanischen Zeitung gab, sei sie gefragt worden, erzählt Siebens, ob das Album als solches denn überhaupt noch ein Format sei, das sich zu machen lohne. Die Antwort seiner Band, so Siebens, sei so interessant wie stimmig gewesen. Es gehe nicht darum ein Album zu verkaufen, nein in erster Linie gehe es darum, einen kreativen Prozess zu dokumentieren.

Das bringe es auf den Punkt, meint er: Man verkaufe zwar immer noch die Musik, aber ob das noch lange so bleibe… Die Rechnung sei doch einfach: „Wenn eine Million Leute deine Musik kennen, werden mehr Leute zu deiner Show kommen, als wenn es nur 1.000 sind.”

Foto © Martin Wirbel

 

http://www.wavesvienna.com