Seit zwanzig Jahren gehört das JAZZIT zu jenen Institutionen, in denen Jazz und Artverwandtes nicht nur live gespielt, sondern auch gleichsam gelebt wird. Das zeigt sich u.a. an Jazz-Vermittlungsprogrammen wie „All About That Jazz“ oder dem seit Jahren erfolgreichen Outdoor-Festival „Take The A-Train“. Nicht umsonst wurde das JAZZIT vom renommierten Downbeat Magazin des Öfteren zu den besten Jazzclubs weltweit gewählt. Anlässlich des runden Jubiläums hat sich Didi Neidhart für mica mit JAZZIT-Urgestein ANDREAS NEUMAYER zum Gespräch getroffen.
Was waren eigentlich die Erwartungen als das Jazzit am 15.02.2002 erstmals seine Tore aufgesperrt hat?
Andreas Neumayer: Die Erwartungen waren natürlich groß, nachdem wir mit dem Einzug in die Elisabethstrasse endlich unsere eigene Spielstätte erhalten und damit unser großes Ziel, in Salzburg einen ganzjährig geöffneten Jazzclub zu etablieren, erreicht hatten. Die ersten Jahre waren allerdings mit erheblichem Aufwand und an der Grenze zur persönlichen Selbstaufgabe mit vielem ehrenamtlichen Engagement verbunden. Wir mussten finanzielle Herausforderungen bewältigen, obwohl vom ersten Tag der Öffnung an wir großen Zuspruch hatten. Inzwischen haben sich zum Glück diese turbulenten Zeiten gebessert, das Jazzit hat sich in der Kulturlandschaft etabliert – auch wenn wir immer noch personell und finanziell sehr knapp aufgestellt sind.
Wenn du auf die letzten 20 Jahre zurückblickst, was waren da die tollsten Momente und was hat sich seitdem aber auch verändert?
Andreas Neumayer: Puh, da gibt es so unzählig viele! In den ersten 20 Jahren unseres Bestehens sind inzwischen knapp unter 4000 Veranstaltungen zusammengekommen. Natürlich blickt man dann auf ein paar persönliche Highlights auch zurück.
Die mehrfache Nennung des Jazzits im Downbeat-Magazin unter den besten Clubs weltweit ehrt einem natürlich, wenn unser Engagement auch international Anerkennung findet. Vielleicht hat uns das auch ein bisschen dabei geholfen, so Größen wie Pat Metheny oder John Scofield immer wieder einmal nach Salzburg locken zu können. Doch haben wir immer auch schon seit Gründung auf die Unterstützung und Förderung der lokalen Szene gesetzt. Ganz stolz macht es uns, wenn wir dabei auf inzwischen erfolgreiche Salzburger Musiker*innen blicken können, die bei uns im Club ihre ersten Gehversuche gestartet haben – und nun international große Bühnen bespielen.
Es steht jetzt ja außer Frage, dass das Jazzit weit mehr als nur ein Veranstaltungsort ist. Aber was gäbe es so nicht in Salzburg, wenn es die letzten 20 Jahre Jazzit nicht gegeben hätte?
Andreas Neumayer: Unsere Arbeit als Schnittstelle und Plattform für Jazz und improvisierte Musik würde ganz sicher fehlen. Nebst der Präsentation dieser Musik, unterstützen wir auch die Musiker*innen bei der Realisierung von Projekten, bieten die Möglichkeit zum Austausch und Vernetzung und zuletzt sind wir natürlich auch als Impulsgeber für neue musikalische Strömungen immer treibend.
„Ein Konzert muss mit Publikum live erlebt werden.“
Wie wichtig sind dabei Vermittlungsprogramme wie „All About That Jazz“, die sich ja auch spezielle an Schulkassen und Jugendliche wenden?
Andreas Neumayer: Natürlich liegt uns nicht nur die Nachwuchsförderung am Herzen, auch das „Erwecken“ und Nahebringen dieser spannenden und so vielfältigen Musikrichtung ist uns ein wichtiger Punkt. Immerhin sind die jungen Menschen mit etwas Glück auch unser zukünftiges Jazz-Publikum. Die Jugend hat natürlich andere Hörverhalten und normal keinen Zugang zu Jazz und improvisierte Musik. Doch gibt es zwischen diesen beiden „Welten“ sehr viele Berührungspunkte, die wir in dem von uns eigenproduzierten Musiktheater spielerisch aufzeigen. Auch hier freuen wir uns über reges Interesse.
Neben Reihen wie Jazzit:Sessions oder der Crossover-Reihe Musik Salon gehört das Festival Take The A-Train (heuer vom 15.09. bis zum 18.09.2022) zu jenen Jazzit-Formaten, die man durchaus als „Erfolgsgeschichte“ bezeichnen kann. Woran mag das liegen?
Andreas Neumayer: Gute Frage! Vielleicht liegt es schlichtweg am langen Atem und dem persönlichen Engagement unseres Teams, dass die Formate so erfolgreich sind. Die Jazzit:Sessions gibt es seit Bestehen des Jazzits und sind nach wie vor ein wöchentlicher Fixpunkt für Musiker*innen und Musikinteressierte. Es freut uns zu sehen, und gibt uns auch die Bestätigung, dass dabei das Publikum auffallend jung ist.
Daneben gibt es ja auch noch das Label Jazzit:Edition, wo bisher 14 CDs erschienen sind. Jetzt gibt es zum Jubiläum mit „Jazzit Up“ ein auf 300 Stück limitiertes Doppelvinyl mit Live-Mitschnitten und einem Best-Of der bisherigen Veröffentlichungen. Wie wichtig ist so ein Label, gerade in Zeiten wo mit physikalischen Tonträgern ja fast nichts mehr verdient wird und sicher auch Jazzfans ihre Lieblingsmusik durchaus streamen oder downloaden?
Andreas Neumayer: Unser Label wurde natürlich zu Zeiten gegründet, als die CD gerade den Markt beherrschte. Das hat sich zwar geändert, aber unsere Intention dahinter nicht: eine weitere Plattform und Chancengeber für lokale Musiker*innen zu ermöglichen, dabei auch im Austausch mit anderen Jazzclubs und Labels die Salzburger Jazzszene bekannter zu machen. Inzwischen zeigt unser Archiv damit einen durchaus interessanten Querschnitt aus dieser Szene, mit beachtlich hoher musikalischer Qualität und dabei auch noch viele Genres übergreifend, von Jazz zu HipHop über Afro-Beats hin zu elektronischer Musik. Dieser Querschnitt findet sich nun auch auf unserer Doppel-Vinyl wieder, die wir uns anlässlich des Jubiläums quasi selbst zum Geschenk gemacht haben. Ein haptisches Zeitdokument des Treibens und Klingen rund um unseren Jazzclub.
Corona hat euch ja auch schwer getroffen. Gab es 2019 noch 311 Veranstaltungen mit 28.455 Gästen, waren es 2021 nur noch 104 Veranstaltungen und 8.232 Gäste. Gerade internationale Acts sind da ja ausgefallen (oder die Konzerte wurden ewig verschoben). War es da eventuell von Vorteil, dass das Jazzit schon immer auch sehr stark auf lokale Acts gesetzt hat?
Andreas Neumayer: Zugegeben war das eine mühsame Zeit, die wir natürlich auch durch unsere Kontakte zur nationalen Szene etwas überbrücken konnten. Es hat sich dabei wieder einmal mehr gezeigt, über welch hohe Qualität unsere heimischen Künstler*innen verfügen und dem internationalen Getöse um nichts nachstehen.
Mit dem Jazzit:Magazin hat sich während der Lockdown-Phase aus der Konzert-Streaming-Kooperation mit FS1 (Freies Fernsehen Salzburg) ein eigenes Fernsehformat entwickelt, wo es bei bis zu vier Folgen im Jahr Interviews und Konzerte rund um die lokale Salzburger Jazzszene gibt. Wie kam dieses Format an und wird es auch unter veränderten (besseren) Coronabedingungen weitergeführt?
Andreas Neumayer: Um ehrlich zu sein, war dieses Format schon vor der Pandemie angedacht. Wir haben es dann nur rascher aus der Schublade genommen. Das Magazin ist bislang sehr gut angenommen worden, vor allem weil es eine interessante und lockere Mischung aus Talk und Konzert ist. Wir haben die Kooperation mit FS1 dahingehend bereits verlängert und haben vor, die Aufzeichnungen zukünftig auch mit Publikum vor Ort zu realisieren.
„Wir sind über die Jahre hinweg immer wieder auch über unsere Jazz-Genregrenzen hinausgegangen.“
Aber lässt sich Jazz überhaupt ins Internet übersetzen? Dabei geht es ja nicht nur um die Live-Interaktion zwischen den Musiker*innen, sondern auch um Interaktionen zwischen dem, was gerade auf der Bühne passiert und den Reaktionen des Publikums. Wie ist das, wenn es nach einem tollen Solo keinen Applaus gibt?
Andreas Neumayer: Wir sind im ersten Lockdown auf den Zug aufgesprungen und haben einige Internetkonzerte gestreamt. Das ist anfangs zwar gut angenommen worden, aber wie du schon sagst, war es auch irgendwie seltsam. Ein Konzert muss mit Publikum live erlebt werden. Das Magazin hingegen ist ein anderes Format, und künftig mit Publikum sicherlich noch unterhaltsamer.
Mit dem Klub Melange und der Homebase haben sich im Jazzit auch DJ-Reihen etabliert, bei denen viele Salzburger Crews involviert sind. Täuscht der Eindruck, oder fungiert das Jazzit mittlerweile auch als eine Art Auffangbecken für die hiesige DJ-Szene?
Andreas Neumayer: Wir sind über die Jahre hinweg immer wieder auch über unsere Jazz-Genregrenzen hinausgegangen und haben insbesondere der alternativen Jugendkultur immer wieder gerne unser Haus geöffnet. Wir finden, dass das überaus wichtig ist und dieser jungen Szene Gehör verschafft werden muss.
Das Jazzit zeichnet sich ja auch durch viele Kooperationen aus (z.B. mit der Jazzabteilung des Mozarteums, dem Borromäum, dem Literaturfest, mit Jazz & The City, dem Salsa Club Salzburg, etc.). Gleichzeitig gibt es fast keine privaten Sponsoren mehr, die sowas unterstützen wollen. Wie erklärst du dir diese Diskrepanz bzw. den Umstand, dass Jazz in Salzburg scheinbar immer noch nicht förderwürdig scheint?
Andreas Neumayer: Tatsächlich gibt es fast kein Sponsoring mehr. Gerade dann muss die Szene untereinander zusammenhalten und mit unseren Kooperationen helfen wir uns gegenseitig, Kulturarbeit irgendwie zu ermöglichen.
Kommt ihr sonst mit den Förderungen von Stadt, Land und Bund durch?
Andreas Neumayer: Wir freuen uns, dass unsere Subventionsgeber von Stadt und Land unsere Arbeit wertschätzen und kürzlich die Höhe etwas angepasst haben. Allerdings gibt es seitens des Bundes noch deutlich Aufholbedarf, auf dessen Lösung wir natürlich hoffen.
Da der Mietvertrag für weitere zehn Jahre verlängert wurde, müssen wir uns im Moment (noch) keine Sorgen um die Zukunft des Jazzit machen. Aber was wünscht du dir für die kommenden Jahre des Jazzit?
Andreas Neumayer: Genau, mindestens zehn weitere Jahre Jazz in Salzburg steht damit fast nichts im Weg! Natürlich soll unser Standort aber vor allem unsere Arbeit so fortgesetzt werden können.
„Tatsächlich gibt es fast kein Sponsoring mehr.“
Glaubst du, dass es nach Corona ein neues, verstärktes Interesse an Live-Musik geben wird und auch ältere Fans zurückkommen werden, die ja bekanntlich beim „Wiedereintritt“ ins Konzertleben etwas zögerlicher als die Jungen sind?
Andreas Neumayer: Wir hoffen es zumindest! Derzeit merken wir – wie vermutlich viele andere Häuser auch – leider einen Rückgang vor allem bei älterem Publikum und hoffen, alsbald sich die allgemeine Lage bessert, auch bei uns wieder Normalität einkehrt. Allein das jugendliche Publikum ist derzeit treuer Gast und man merkt, dass da ein gewisser Nachholbedarf besteht.
Coronabedingt wurde das „20 Jahre Jazzit“-Fest nun auf Anfang Mai verschoben (05. bis 07. 5. 2022). Was erwartet uns da?
Andreas Neumayer: Ein großes und feines Fest! Wir machen nämlich das, was wir die letzten 20 Jahre gemacht haben, nur eben auf drei Tage konzentriert! Neben der Österreich-Premiere des neuen Trios von David Murray, erwarten wir großartige Konzerte von lokalen Künstler*innen. Fabian Rucker kehrt zu seiner ersten Wirkstätte zurück, unser Nachwuchs Mashed Peas präsentiert das aktuelle Projekt gemeinsam mit Anna Buchegger, Sharp5 repräsentiert das Beste aus dem Salzburger Jazz, und und und!
20 Jahre Jazzit bedeutet auch, dass du 2023 „in Pension gehst“, d.h., den Job als Geschäftsführers und Programmkoordinators an eine neue Person abgibst. Ist dir dieser Entschluss leichtgefallen, oder gab da doch ein gewisses Bauchweh?
Andreas Neumayer: Ich werde mich ja noch nicht gänzlich zurückziehen. So habe ich vor, das Take The A-Train Festival oder auch die ein oder andere Konzertreihe noch ein paar Jahre fortzuführen. Für Wehmut ist es noch zu früh.
Was wird dir in der Jazzit-Pension womöglich am wenigsten abgehen?
Andreas Neumayer: Die ganze aber leider notwendige Bürokratie! (lacht)
Und was wünscht du dir für die Zukunft des Jazzit?
Andreas Neumayer: Dass es auch bei einem Generationenwechsel im Team weiterhin am Puls der Zeit bleibt, stets das Haus für Jazz und improvisierte Musik in Salzburg ist und es noch viele, spannende Begegnungen ermöglicht!
Danke für das Interview.
Didi Neidhart
++++
20 Jahre Jazzit
Don, 05.05.2022 – 19:30
All About That Jazz (AT)
SHARP 5 (AT)
Fre, 06.05.2022 – 20:00
David Murray Trio (US)
Rucker – Wälti Duo (AT)
Sam, 07.05.2022 – 20:00
Mashed Peas (AT)
++++
Links:
Jazzit
Jazzit (Facebook)