„VERTRAUEN, ABER NICHT AUF IMAGINÄRES, NEBULOSES“ – WALTER BACO IM MICA-INTERVIEW

Der Wiener Autor und Komponist WALTER BACO gestaltet Musikstücke für TV und Bühne, schreibt Hörspiele, Drehbücher und TV-Dokumentationen und entwickelt eigene Improvisations- und Cross-Over-Konzerte. 2007 gründete er die Plattform „Orchesterwelt“, die als Schnittstelle zwischen Komponist:innen und Interpret:innen dient. Neben seinen Lesungen, Konzerten und Gastspielen hat er weitere Kulturinitiativen und Programmreihen in die Wege geleitet.

Am 2. und 3. Juni 2023 zum Beispiel veranstaltet WALTER BACO ein Festival mit Musik, Literatur und Malerei: „Kunst für alle Sinne – Kultur zum Genießen.“ Im Mai ist auch eine neue CD „A gift of Love“ bei polyglobe erschienen – „sehr zahme“ Klaviermusik. Michael Franz Woels gab er Auskunft über die sanften wie auch die wilden Seiten seiner Kompositionen, vermehrt auch Improvisationen, seine Auftritte mit Wolfgang Ambros – damals noch an der Solo-Gitarre, und ein zur Veröffentlichung bereit liegendes Hörbuch

Du bist Pianist, Komponist, Performancekünstler und Schriftsteller. Daher würde ich gerne jede Frage der nun folgenden mit einem einleitenden Gedicht oder Aphorismus von Dir – aus der Sammlung zur Performance „Im Atem·Haus“ – beginnen: „Auf Seiten / nur die Spur einer Rundung / flache Linien / vom Feinhimmel durchzogen / Auf Wolken / nur die Ahnung einer Ecke / haltlos / unüberwindbar / Auf Wellen / nur der Hauch einer Regung / verstummt die Brandung / löscht du das Licht?“ Gehen wir fünfzig Jahre zurück zu deiner Zeit als Musiker bei der ersten Live-Band von Wolfgang Ambros (1972–1973). War das eine sehr helle, grelle Zeit? Welche Erinnerungen tauchen da auf?

Walter Baco: Es geht sogar noch weiter zurück … Aber was Ambros betrifft: Seine ersten Live-Auftritte spielten wir zu zweit, mit zwei Konzert-Gitarren, er die Akkorde, ich solo. Ausverkauft, große Hallen, Begeisterungsstürme, auch beim ersten Watzmann. Erst dann kam „Abadie“, seine erste Band, in der ich E-Piano spielte. Aber mir wurde bald klar, ich will nur meine eigene Musik machen.

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„ICH HABE EINE WILDE, ANARCHISTISCHE SEITE, WO ES OFT ATONAL ZEITGEMÄSS ZUGEHT UND EBEN AUCH DIESE MEDITATIVE SEITE.“

„Wohin ist die Romantik verschwunden? Hat sie sich hinter all den Plänen versteckt? Schwierig, durch die dicke Schicht von Missmut durchzudringen; da reicht kein halbverschluckter Sehnsuchtsseufzer.“ Auf deinem soeben erschienenen Album „A gift of love“ kommt die Romantik zum Beispiel in „zahmen“ Klavierstücken wieder zum Vorschein. Wie ist diese Veröffentlichung entstanden?

Walter Baco: Ich habe eine wilde, anarchistische Seite, wo es oft atonal „zeitgemäß“ zugeht und eben auch diese meditative Seite. Vielleicht ist es sogar die größere Herausforderung, heutzutage etwas „Harmonisches“ oder „Inspirierendes“ zu komponieren, ohne dass es billig oder esoterisch säuselnd daherkommt. Man sehnt sich nach zeitloser Schönheit – also Musik, die auch in 200 Jahren noch besteht.

„Die Träume werden nicht weniger“. Du bist immer noch ein fleißiger Veranstalter. Die Veranstaltungsreihe „Impro-Parcours“ ist eine von vielen von dir ins Leben gerufenen Initiativen. Kannst du uns etwas mehr über die Hintergründe und den Rahmen erzählen?

Walter Baco: Seit mehreren Jahren trete ich selbst fast nur noch mit Impro-Konzerten auf. Da lag es nahe, auch die vielen großartigen Musiker:innen zu fördern, die hier in Österreich tätig sind –  Dank der ÖSTIG – LSG, die dies möglich macht. Es war wichtig, ein Format zu schaffen, das in den diversen Kunstformen und Genres dem Miteinander wieder Gestalt gibt. Impro ist für mich nicht ein Herzeigen, sondern Freude am Spiel, am Spielerischen. Nachdem ich schon für die Kammermusikreihe „Die rote Brille“ öfters Impro-Musiker:innen eingeladen habe, war ein Wettbewerb der nächste Schritt. Die Gewinner:innen und die gesamte Impro-Szene erhalten so mehr Aufmerksamkeit; hoffentlich – Hallo Tageszeitungen, wo seid ihr?

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„Die Freude hat große Eltern, aber wir kennen nur die Zehenspitzen. Was die Zukunft bringen wird? Eine neue Zukunft. Viel Wirbel, in der Mansarde. Unten, weit unten, an der Quelle, dort warte ich auf dich.“ Und Anfang Juni wirst du uns auch in der Villa Wertheimstein in Döbling erwarten. Bei freiem Eintritt findet ein zweitägiges Musik-Literatur-Malerei-Festival statt. Magst du die Vorfreude darauf noch mit ein paar Details anheizen?

Walter Baco: Gerne. Mia Zabelka gibt uns die Ehre mit einem Solo-Auftritt. Die Preisträger des „Impro Parcours“ #2 und #3 werden auftreten. Übrigens sind darunter auch zwei völlig konträre Frauen-Duos, stilistische Vielfalt wird großgeschrieben. Die Lesung von „Robotertexten“ war schon geplant, lang bevor das Thema wie jetzt in aller Munde war. Der großartige Peter Stougje stellt Gemälde aus. Ein paar Stunden Kulturprogramm vom Feinsten mit vielen, teils noch ungeborgenen Schätzen.

„DIE SUCHE NACH DEM EIGENEN“

„Alle Wünsche, die andere Personen betreffen, einstellen. Ansprüche an sich selbst richten. Lieber dort scheitern.“ Bei der Analyse von Filmen kann man auf die Prämisse, die zentrale Frage achten. Wenn du dein Leben wie einen Film betrachtest, welche zentralen Fragen oder Prämissen haben dich begleitet?

Walter Baco: Die Suche nach dem Eigenen. Freisein. Die Suche nach dem Echten, Unverfälschten. Der Wunsch nach Gerechtigkeit, Harmonie.

„Geschenke kommen zu spät oder gar nicht.“ Auf welche Geschenke wartest du immer noch?

Walter Baco: Dass ich aufhöre zu warten … Natürlich wünscht sich jeder, insbesondere Künstler:innen Anerkennung. Aber wunschlos zu sein ist noch edler. In manchen Momenten gelingt das, mit oder ohne Publikum.

„Wer zögert hat schon alles versäumt. Wer hetzt erst recht.“ Deine Gelassenheit scheint buchstäblich zu sein. Hast du schon den idealen Mittelweg zwischen Zögern und Hetzen gefunden?

Walter Baco: Nur manchmal. Eher selten. Ich versuche es zu lernen. Viel Zeit haben wir ja nicht. Man braucht Geduld. Wer hat die schon …

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„Wer bietet mir zum gleichen Preis ein besseres Leben? (das Jenseits scheidet aus)“ Du hast als international tätiger Künstler viele kreative Leben gelebt. Welche deiner Leidenschaften denkst du führt am ehesten zu einem „besseren“ Leben?

Walter Baco: Loslassen. Klingt einfach, erweist sich aber als kontinuierlich schwierig bis unmöglich. Vertrauen, aber nicht auf Imaginäres, Nebuloses. Geben statt haben wollen. Sich schenken.

„ICH LEBE VIEL AUF DEM LAND, MANCHMAL FÜHLE ICH MICH FAST WIE EIN EINSIEDLER.“

„Wieso ist es heute wieder so laut, da oben, drinnen? Baustellenlärm? Wer hat euch um eure Meinung gefragt? Ihr geht vor, zur Erleuchtung, ich komme dann gleich nach. Ihr müsst das schon verstehen, dass ich euch hier in der Gegenwart nicht brauchen kann!“ Bist du ein sehr ruhebedürftiger Mensch? Wo findest du die Zeit und Ruhe, um zu Komponieren oder deine Texte zu schreiben?

Walter Baco: Ja, Lärm macht mich krank. Partygespräche sowieso. Ich lebe viel auf dem Land, manchmal fühle ich mich fast wie ein Einsiedler. Leider ist der Selbstvermarktungsdruck, den uns irgendwelche neuartigen bösen Teufel übergestülpt haben, der eigenen Beschaulichkeit nicht gerade dienlich, aber wir wollen ja nicht klagen.

„der Punkt / als Mitte / als Mittel / zum Punkt zu gelangen / eine Richtung / Richtung Zentrum / zum Punkt / zum Punkt.“ Kommen wir zum Schlusspunkt dieses Interviews und deinen musikalischen Plänen für dieses und nächstes Jahr …

Walter Baco: Ich möchte auch außerhalb von Wien mehrere Konzerte und Projekte verwirklichen. Ein Hörbuch mit Musik, das ich mit dem deutschen Schauspieler Christoph Quest aufgenommen habe, liegt zur Veröffentlichung bereit. Meine Herausforderung ist, die Verbindung von Sprache und Musik zu einer eigenen Kunstform zu entwickeln. Dabei aber nicht zu „konstruieren“, sondern Klang und Poesie aus dem Inneren entstehen und fließen zu lassen. Und vielleicht ein Album mit der wilden Baco-Seite. Der Humor soll nicht zu kurz kommen, den braucht man. Eigentlich habe ich ein paar fertige fetzige Produktionen in der Schublade, u. a. „Das Satirische Zentralamt“ mit Joesi Prokopetz, Nadja Maleh und Miguel Herz-Kestranek. aber ich suche noch den Wunder-Wuzi, der mir beim Vermarkten und Promoten hilft.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Franz Woels

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Termine:

Freitag, 26. Mai 2023, 19:30 Uhr
Kunstraum Ewigkeitsgasse

Montag, 29. Mai 2023, 10:00 Uhr
Walter Baco im Live-Interview
Radio Orange

Donnerstag, 1. Juni 2023, 19.30 Uhr
Roter Salon: Die Rote Brille. Kammermusikabend
Wipplingerstraße 20, 1010 Wien

2. und 3. Juni 2023
Kultur.Genuss.Cross.Over FESTIVAL: Impro-Parcours
Villa Wertheimstein, Bezirksmuseum
Döblinger Hauptstraße 94, 1190 Wien

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Links:
Walter Baco
Impro-Parcours