Porträt: Richard Graf

Gänzlich von Musik durchdrungen mag man sich das Leben von Richard Graf vorstellen, denn es scheint keinen musikalischen Bereich zu geben, den er nicht mit seinen unglaublich zahlreichen Tätigkeiten abdecken würde. Dabei stellt sich einerseits die Frage, woher Graf die Zeit für all dies nimmt; doch sind es andererseits auch Tätigkeiten, die einander bedingen oder sich zumindest als fruchtbar füreinander erweisen. In erster Linie ist Graf Komponist und Gitarrist. Als solcher schöpft er aus diversen Genres, ist sowohl in Jazz, Pop als auch in der Neuen Musik zuhause und selbst aus den Kulturen ferner Länder holt er sich Inspirationen für seine abwechslungsreichen Kompositionen. Das Neue in der Musik erkennt er in der Rekontextualisierung bekannter Elemente, denn so lassen sich diese tradierten Aspekte neu erleben. Da er den Parameter Klangfarbe als ausgeschöpft betrachtet, konzentriert er sich lieber auf die Erforschung von Klangfarbe und Rhythmus, um zu Ungewöhnlichem zu finden, und nutzt dazu gerne auch elektronische Mittel. So vielschichtig wie sein Leben sind auch seine Kompositionen, in denen sich oftmals rhythmische Ebenen überlagern oder in denen sich verschiedene Strukturen unabhängig voneinander entwickeln.

Die Überbewertung der Notation lehnt er dabei ab, was auch aus seiner Rolle als Interpret nachvollziehbar ist. Denn in seiner Doppelfunktion als Komponist und Gitarrist ist er nicht ausschließlich an einer notengetreuen Wiedergabe seiner Kompositionen interessiert, sondern gesteht den InterpretInnen umfangreichere Kompetenzen zu, um die Aussage des jeweiligen Werks durch das Schöpfen aus dem Moment heraus zu verstärken. Um diesem Anspruch Folge zu leisten, macht er seinen InterpretInnen einerseits konkrete Vorgaben, kombiniert diese aber mit improvisatorischen Freiheiten. Auch seine GitarreschülerInnen profitieren von der Mehrfachbegabung ihres Lehrers, der pädagogische Anforderungen mit musikalischen Ansprüchen auf vielfältige Weise verbindet. Dies drückt sich auch in etlichen Bänden mit Musik für den Unterricht aus. Und mit Workshops zu elektronischer Musik will er die Neugier junger Menschen auf ungewöhnliche Klänge wecken. Dabei setzt er auf einen interaktiven Zugang, lässt die technisch bestens informierte Generation mit elektronischem Equipment experimentieren und sie Remixes anfertigen. Seine vermittelnde Ader geht darüber aber noch weit hinaus, denn neben dem Kompositionsunterricht hat er am „VMI – Vienna Music Institute“ das in dieser Form noch nicht dagewesene Studium der Kompositionspädagogik eingerichtet.

Und wer meint, das müsste es nun gewesen sein, der irrt. Denn zusätzlich bekleidet Graf die Funktion des Präsidenten der Interessengesellschaft Niederösterreichische Komponisten (INÖK) und veranstaltet als solcher Kompositionswettbewerbe, Symposion zu aktuellen Themen, die seine wissenschaftliche Seite hervorkehren, und sorgt dafür, dass niederösterreichische KomponistInnen auch gut vernetzt sind. Als Composer in Residence von Musik aktuell im Jahr 2013 hinterfragt er unter dem Motto „Im Ernst?!“ die gängigen Zuschreibungen von sogenannter Ernster und Unterhaltungsmusik und versucht, die Neue Musik aus ihrem humorlosen Eck hervorzuholen und sie für witzige Herangehensweisen zu öffnen. Graf tritt damit auch dem durchaus gängigen Ruf entgegen, dass sich Neue Musik im Elfenbeinturm abspiele – mit diesem Zugang kann er nämlich nichts anfangen. So zeigt sich diese Initiative als eine, die das Verständnis von Neuer Musik hin zu einem offenen Diskurs hin ändern möchte – möge dies gelingen, dem Genre würde es gut tun. (dw)

Foto: Helmut Lackinger

http://www.richardgraf.com/
http://inoek.at/