Porträt: Harry Jen

Linz- die Stahlstadt, die lange Zeit als klingender Kern Österreichs galt, ist wieder auf dem besten Weg, sich den Titel Musikhauptstadt zurückzuerobern. Neben Künstlern wie Fuckhead, Attwenger oder Texta, die mehr oder weniger schon zum alten Eisen des individuellen Musikbusiness gehören, gibt es in Oberösterreich mittlerweile eine neue Generation von Musikern, die es besonders gut versteht, an neuen Sounds herumzubasteln. Einer der hinsichtlich einer subtilen Klangtüftelei großes Talent an den Tag legt, ist Bernhard Schabmayr, besser bekannt unter dem Namen Harry Jen. Beim vom mica-music austria erstmals ausgeschriebenen Wettbewerb TonBild 2011, konnte er sich unter 70 BewerberInnen durchsetzen und mit seinem Videobeitrag „meow“ die Jury rund um Eva Fischer (sound:frame), Michaela Grill (sixpackfilm), Matthias Leihs (They Shoot Music, Don`t They) und Barbara Pichler (Diagonale) von sich überzeugen.

Harry Jen ist ein junger Elektro-Produzent, der nicht viel von den gängigen Konventionen der Musikproduktion hält, wenn nicht sogar Aversionen gegen die gegenwärtige Musikschmiede hegt. Von einer klassischen Musikausbildung kommend, hat er mit den Jahren erkannt, dass die Interpretation anderer Leute Musik, für ihn nicht Alles zu sein scheint. Aus diesem Grund, hat er sich den Prozess des Musikschaffens und des Aufnehmens zu Nutze gemacht, um seiner eigenen kreativen Ader komplett freien Lauf zu lassen. Hierbei gibt es für den Linzer wichtige Richtlinien bei der Gestaltung seines eigenen Sound-Imperiums: Zur Verarbeitung zugelassen sind ausschließlich selbstgemachte Sounds, die nur dann an akustische Instrumente erinnern dürfen, wenn sie mit den hierbei entsprechenden Instrumenten gemacht wurden – so sind fremde Samples für Harry Jen undenkbar. Abgesehen davon wird ebenso auf den Gebrauch von synthetischen Sounds, sowie Drumcomputern komplett verzichtet. Viel lieber setzt er auf ein natürliches Tonfeld, das jedoch gerne aus dem vorhergesehenen Kontext gerissen werden darf und ab und an in künstlerische Metamorphose gelangt.

HarryJen-wakeupcall by mica

Organisch-elektronisch- genau so beschreibt der Musiker seinen eigenwilligen Stil, dessen Definition sehr treffend scheint. Dementsprechend verfolgt er theoretische Ansätze, wie beispielsweise den, nur ein einziges Instrument zu verwenden und lediglich aus deren Klangquelle einen Song zu gestalten. Dass solch ein Konzept aufgehen kann, hat Harry Jen schon mindestens einmal unter Beweis gestellt. Erst kürzlich hat er beim FM4 Contest „Sound of Glass“- wobei es darum ging, einen nur aus Glasgeräuschen bestehenden Song zu präsentieren- den ersten Platz gemacht. Experimentiert der Soundtüftler nicht gerade mit Feststoffen, dann bedient er sich gerne an verschiedensten Genres und jongliert gekonnt mit frischen Beats, die er natürlich auch schon auf eine Platte gepackt hat. 2009, ein Jahr nachdem Bernhard Schabmayr für sein innovative Herangehensweise ans Musik-Design mit dem „Austrian Newcomer Award“ ausgezeichnet wurde, erschien das Debütalbum „repeat ‘til cue“ (Fir Way Records). Sehr schräge und komplexe Klänge stehen hierbei in Symbiose mit gängigen Stilmitteln, angesiedelt im Bereich Pop, Funk, Elektro, Minimal und Hip Hop. So ist es kaum verwunderlich, dass der Linzer neben klassischer Musik ebenso Acts wie Björk, Jazzanova, Matthew Herbert, Moloko, Prince, Steve Reich, Stevie Wonder und viele Persönlichkeiten mehr, als für ihn prägende MusikerInnen nennt.

Bei Live-Shows grooved Harry Jen meist in Begleitung seiner mehrköpfigen Band The Live Action Squad, eine Formation bestehend aus professionellen Jazz- und Funkmusikern, die genau wissen, wie man das Publikum zum Tanzen bringt. Steht der Musiker allerdings mal alleine auf der Bühne, müssen für seine „Experimental-Electronic-One-Man-Show“ Miko, Synthesizer und zig Effektgeräte herhalten. Wenn Harry Jen nicht gerade mit den Vorbereitungen zum neuen Album beschäftigt ist, kooperiert er mit anderen Acts  zusammen oder produziert Remixes. Wobei hierbei wieder eine Maxime verfolgt wird: Remixe inkludieren nur Sounds, die vom Originalinterpreten tatsächlich  bereitgestellt werden. So hält Harry Jen weiterhin an seinen Prinzipien fest- wie man sieht mit wachsendem Erfolg. Die USA hat Jams Blake, Kanada hat Owen Pallet, Großbritannien verweist auf Aphex Twin, und Österreich darf nun Harry Jen präsentieren. Wer sich von den neuesten Stücken des experimentierfreudigen Klangbastlers selbst ein Urteil machen möchte, kann sich die aktuelle EP „random beats“ auf der Homepage downloaden-gratis wohlgemerk! Geldbörserl und Ohren freut dies ungemein! (bw)

 

Foto (c) Harry Jen

 

Serie:

http://www.harryjen.com/