Porträt: Gabriele Proy

„Composer & Sound artist“ – so bezeichnet sich Gabriele Proy auf ihrer eigenen Website und gibt damit den Zugang zu ihrer künstlerischen Arbeit vor, schafft Differenzierung und Verbindung zwischen Musik im klassischen Sinn und Klangkunst als alternativer Gattung. Dafür wurde sie mit dem Preis der Stadt Wien 2013 ausgezeichnet.

Die Kunst, Menschen zu berühren

„Mein Ansatz in der Musik ist wirklich die Hörkunst: Es geht mir als Komponistin darum, dass die Zuhörerin, der Zuhörer ein intensives Hörerlebnis hat, und – so archiviert das klingen mag – ich möchte auch mit zeitgenössischer Komposition Menschen berühren.“ – So das Credo von Gabriele Proy, exemplarisch nachzuerleben am 8. August 2013 bei der Aufführung des Gitarrestücks Azurit (2011) durch Christina Schorn auf Schloss Goldegg. Es erzählt nach den Worten der Komponistin „von Abschied und Erinnerung – vom Verlust eines geschätzten Menschen und vom Wachhalten der unvergesslichen Begegnung. So wie die tiefblaue Farbe das Mineral Azurit von allen anderen Mineralien unterscheidet, so bewahren wir die Besonderheit der Begegnung in bleibender Erinnerung. Über die Zeit verwandelt sich Azurit allmählich in Malachit – die Zeit der Trauer und des Erinnerns ist auch eine Zeit des Wandels.“

Dass neben der Widmungsträgerin Christina Schorn-Mancinelli seit der Uraufführung vor zehn Monaten mit Armin Egger und Siegfried Steinkogler bereits zwei andere Gitarristen das Stück in ihr Repertoire nahmen, hat Seltenheitswert. Es spricht für das Funktionieren des oben angesprochenen Berührens – nicht nur der Zuhörer, sondern auch der Interpreten. – Proy: „Es freut mich wahnsinnig, dass die Ensembles, die Musikerinnen und Musiker meine Musik immer wieder aufführen; meine Werke geraten nach der Uraufführung nicht in Vergessenheit, sondern werden laufend gespielt – etwas Schöneres kann ich mir als Komponistin nicht wünschen; mein Klavierstück Kigen zum Beispiel, das ich für die Pianistin Manon-Liu Winter im Auftrag des Wiener Nobelpreisträgerseminars geschrieben habe, wurde inzwischen von acht verschiedenen Pianistinnen und Pianisten weltweit aufgeführt – in Japan, im Iran, in Ungarn und mehrmals in Österreich.“

Den Klängen nachspürend, in den Klang hörend

Mit rund einem Dutzend Aufführungen ist Kigen (2008) tatsächlich für heutige Musikverhältnisse geradezu populär. Auf Basis pentatonischer Modi spürt es  seinem Titel gemäß („Kigen“ ist das japanische Wort für „Ursprung“) den Anfängen europäischer und asiatischer Musik als auch des Lebens an sich nach.

Dieses Nachspüren passt unmittelbar zu Proys Ansatz, „in den Klang“ hineinzuhören; worin sich wiederum die Elemente des Komponierens und der Klangkunst zu einer Einheit finden. Ein Weg, der sich bereits früh in ihrer künstlerischen Biographie abzeichnet: Geboren wurde Gabriele Proy 1965 in Wien. Nach der Matura erhielt sie zunächst eine Instrumentallehrerausbildung in Gitarre an der Wiener Musikhochschule bei Hans Hein und Gunter Schneider. Weiters besuchte sie den Hochschullehrgang Computermusik und elektronische Medien bei Dieter Kaufmann und Tamas Ungvary. In einem Studium irregulare verknüpfte sie die Gegenstände der Klangkunst und Instrumentalpädagogik, indem sie die Fächer Komposition bei Erich Urbanner und elektroakustische Komposition bei Dieter Kaufmann mit einer Ausbildung in Instrumentalpädagogik und dem Fach Philosophie an der Universität Wien verband.

Seit 1992 selbst als Lehrerin für Konzertgitarre in Wien tätig, weist Proys wissenschaftliche Arbeit eine Vielzahl von Auftritten im Bereich der Klangkunst auf.  So war sie u. a. von 1997 bis 99 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsforum Medien-Welten an der Universität für angewandte Kunst Wien und seit 1999 Dozentin im Fach Klangkomposition und Sound Design an der ARD-ZDF-Medienakademie in Nürnberg. Von 1998 bis 2001 sowie 2008 hatte sie einen Lehrauftrag für Sound Design an der Donau-Universität Krems, 2000/01 einen Lehrauftrag für Soundscape und Sound Design am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien. Zudem ist sie seit 2001 Präsidentin des Europäischen Forums Klanglandschaft. 2003 hielt sie Gastseminare an der La Trobe University in Melbourne und an der Neuen Bulgarischen Universität in Sofia, 2005 war sie Gastdozentin an der University of the Sacred Heart in Tokyo und 2006 Europa-Vertreterin im Komitee der internationalen Konferenz „The West Meets the East in Acoustic Ecology“ an der japanischen Hirosaki University, wo sie 2009 ebenso wie an der Aoyama Gakuin University in Tokyo ein Gastseminar hielt. Seit 2011 lehrt sie Komposition an der amerikanischen Universität IES Vienna.

Österreichische Musikbotschafterin in Japan, Frankreich und Deutschland

Geht aus all dem nicht zuletzt deutlich eine starke Beziehung zu Japan hervor (natürlich spricht sie mittlerweile auch Japanisch), so findet dies auch kompositorisch Niederschlag; im erwähnten Klavierstück Kigen ebenso wie in Aufträgen zum EU-Japan-Jahr 2005 und zum Österreich-Japan-Jahr 2009, die in den Soundscape-Kompositionen Waldviertel bzw. Kimochi resultierten. Beide Stücke wurden an der Hirosaki-Universität uraufgeführt.

Geographischer Kontrast: Anlässlich von „Marseille–Provence 2013“ – den Kulturaktivitäten rund um die Ernennung Marseilles zu einer der beiden diesjährigen europäischen Kulturhauptstädte – erhielt die Komponistin einen Auftrag seitens des österreichischen Kulturforums Paris: Am 7. September 2013 wird das mozARTE Quintett zur Eröffnung der neuen Musikhochschule von Aix-en-Provence Proys Klavierquintett „Lavandula vera“ aus der Taufe heben.

Nicht zuletzt das Österreichische Staatsstipendium für Komposition ermöglicht es Gabriele Proy in diesem Jahr gleich mehrere Großprojekte zu verwirklichen. So erhielt sie auch einen Orchesterauftrag der Internationalen Donauphilharmonie und schließlich einen Auftrag der Stadt Leipzig: Zum Doppeljubiläum „Leipzig 1813–1913–2013“ entstand soeben ihr Chorstück Frieden auf Textstellen aus Bertha von Suttners Roman „Die Waffen nieder!“ als Abschnitt eines sechsteiligen Werkes, das sie mit fünf Kollegen aus den anderen seinerzeit an der „Völkerschlacht“ teilnehmenden Nationen Deutschland, Frankreich, Polen, Russland und Schweden erarbeitete und das seine Uraufführung am 18. Oktober 2013 (Folgeaufführung am 20. Oktober) im Völkerschlacht-Denkmal erleben soll.

Nochmals Gabriele Proy – ihre künstlerische Arbeit aktuell zusammenfassend: „Obwohl es immer wieder um neue Auftragswerke geht, ist es interessanterweise eine gewisse Grundstimmung, die mir als Komponistin so wichtig ist und die sich durch meine Musik hindurch zieht: es geht mir um eine subtile Klangtiefe, um ein ‚In-den-Klang-Hineinhören‘; meine Stücke sollen eine gewisse innere Ruhe ausstrahlen, und auch nach hochdramatischen Passagen muss sich immer wieder so eine innere Ruhe einpendeln; die Musikerinnen und Musiker sagen mir oft, dass meine Stücke sehr schwer zu spielen sind, weil sie von der Interpretin, vom Interpreten so eine innere Ruhe verlangen; meine Partituren mögen im ersten Moment optisch nicht schwierig erscheinen, aber dass diese innere Dramaturgie und Spannung auf der Bühne transportiert wird, das ist sehr komplex.“

Christian Heindl

http://www.gabrieleproy.at
http://www.schlossgoldegg.at/index.php?id=51&tx_noevents_pi1[showUid]=832
http://www.fca-fr.com/evenements/2013/concert-la-senteur-de-la-mer
http://www.voelkerschlacht-jubilaeum.de/aktuell-18/items/festmusik-fuer-das-doppeljubilaeum-komponisten-aus-verschiedenen-europaeischen-nationen-verfassen-sechsteiliges-auftragswerk-123.html
http://www.wien.gv.at/kultur/abteilung/ehrungen/musikpreistraeger.html