mica-Interview mit Innode / Stefan Németh

Stefan Németh, Ex-Mitglied von Radian, meldet sich mit einem neuen Projekt zurück. Bei Innode arbeitet er mit den Schlagzeugern Bernhard Breuer (Elektro Guzzi) und Stephen Hess (Pan American) zusammen. Dass Rhythmus und Körperlichkeit in Némeths Arbeit neuerdings derart große Rollen spielen, überrascht. Im Gespräch mit Sebastian Fasthuber erzählt er, wie das Projekt entstanden ist, wie ihn sein Job als Biologe erdet und was sein nächsten Pläne sind. Live ist Innode im Herbst erstmals zu hören – am 4. Oktober beim Musikprotokoll Festival in Graz und am 8.10. im Rhiz in Wien.

Das Innode-Album kommt unerwartet. Zum einen, weil länger nichts von dir zu hören war, zum anderen hat mich überrascht, wie rhythmisch und teils auch forsch die Stücke klingen. Ist Innode entstanden, nachdem du bei Radian ausgestiegen bist?
Nein, das Projekt hat es schon gegeben, es hat sich dann aber intensiviert. Eigentlich ist es aus meinen Soloalbum „Film“ von 2008 entstanden. Da gab es für ein paar Konzerte eine Live-Umsetzung, für dich ich mit dem US-Schlagzeuger Steven Hess zusammengearbeitet habe. Ich hatte schon die vage Idee, etwas mit Rhythmus machen zu wollen – und zwar ganz rhythmusbasiert und gar nicht flächig. Die Aufnahmen für das Album haben schon vor Jahren begonnen. Dann ist das Material aber mal eine Zeit lang gelegen.

Warum?
Es war irrsinnig viel Material und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe zuerst mit den einzelnen Stücken in diverse Richtungen probiert. Irgendwann kam halt dann der Punkt, wo für mich klar war, wie das Ganze ästhetisch ausschauen soll.

Es gibt auf dem Album mit Bernhard Breuer von Elektro Guzzi auch einen zweiten Schlagzeuger. Wie kam das?
Ich habe für die Ausstellung von  Andrés Ramírez Gaviria  (einem Freund) zwei Stücke gemacht. Für die Live-Umsetzung habe ich den Bernhard gefragt. Schon mit dem Hintergedanken, dass man das auch fürs Album verwenden könnte. Insofern ist das Projekt virtuell zusammengewachsen. Aber der Ausgangspunkt waren die Aufnahmen mit Steven.

Wie muss man sich die Zusammenarbeit zwischen euch vorstellen?
Ich hab den Steven einfach einmal spielen lassen. Dadurch habe ich gelernt, dass man einen Menschen nicht nur in ein Studio reinsetzen und sagen kann: Jetzt tu mal was. (Lacht) Das geht schon, aber dann hat es halt keine Richtung. Die Stücke sind ganz anders entstanden als die mit Bernhard. Bei Bernhard hatte ich schon fertige Stücke, in denen aber noch Freiraum angelegt war, damit er sein Ding macht. Bei Steven habe ich eher mit seinem Material als Samples gearbeitet.

Noch einmal zu dem sehr rhythmischen Charakter und dem starken Flow der Platte: Wie kommt das? Du galtst bei Radian doch immer als der Strenge in der Band, nicht?
Ich kann das nachvollziehen, da es damals in einem Interview mit dem „Falter“ so rüberkam. Aber am Konzeptuellen – also das, was vielleicht streng wirkt – der Band waren schon mehrere beteiligt. Jedenfalls hatte ich und habe ich wieder ein Vorliebe für klare Sounds. Mein Part auf der neuen Platte ist deshalb auch sehr reduziert. Da ist kein Processing drauf, man hört einfach meine Synths, wie sie eben klingen. Basic Sounds, könnte man sagen. Und Rhythmus war sehr oft zentral für mich. Auch wenn das unterschiedlich ausgeprägte Formen haben kann und ich nicht zwangsläufig selbst sondern andere Personen rhythmische Elemente beitragen. Bei „Gridshifter“ wollte ich weg von der Melodie und Flächen und hin zu einer Verbindung von Noise und Rhythmus. Das war auch eine Form eine Klarheit für mich zu finden.

Das Album klingt danach, als würdest du die eine oder andere Tür auf machen.
Für mich ist es das total. Es gibt natürlich auch Verbindungslinien zu Radian, es hat natürlich auch was mit meiner persönlichen Geschichte zu tun. Aber es macht auch viel auf.

Radian ist Kopfmusik, Innode klingt für mich mehr nach Bauch.
Ich habe keine kompositorischen Ambitionen oder Ähnliches. Mir war der dilettantische Zugang immer näher als der virtuose, den ich sowieso nie haben könnte. Vielleicht wirkt das Album deshalb direkter.

Wie viel ist bei Innode Struktur, wie viel Improvisation? Die Musik hat doch etwas sehr Unmittelbares.
Der Schwerpunkt war für mich, zwei unterschiedliche Schlagzeuge zu haben. Bernhard kann exakt wie eine Maschine sein, Steven ist da anders, er bringt eine gewisse Ungenauigkeit und Improvisation ins Spiel, verwendet das Schlagzeug auch als Klangtexturengenerator.  Beim Bernhard war es anders. Der hat fast fertige Nummern von mir bekommen und dann dazu gespielt. Track 2 hat er sich drei, vier Mal intensiv angehört, fünf Mal probiert und dann war genau klar: Das ist das, was er spielen will. Deshalb diese Unmittelbarkeit.

Das Album ist wie eine klassische LP aufgeteilt: 40 Minuten, verteilt auf zwei Seiten mit je fünf Stücken, wobei am Anfang die knalligeren, auffälligen Sachen stehen, darauf folgen kleine, experimentelle Stücke.
Ja, ich habe es diesmal sehr in Richtung LP getrieben und einen Spaß dran gehabt. Die kürzeren Stücke sind für mich einfach Zwischenstücke, Überleitungen. Das wollte ich auch drauf haben: Ganz kurze Sachen, die easy sind, wo ich mich nicht so abarbeiten muss. Die Stücke müssen auch keinen großen Bogen machen. Das fand ich total befreiend. Mir war wichtig, dass der Flow der Platte Sinn macht. Und natürlich auch der Klang. Der Klang sollte schön am Vinyl verteilt sein. Das hat das Mastering auch super hinbekommen..

Das Album ist auf Mego erschienen. Wie ist das entstanden?
Das hat sich super ergeben. Ich dachte mir schon, das wär was, wo ich mich momentan verorten würde. Ich hab’s dann an den Peter [Rehberg] geschickt und er wollte es auch gleich machen, was für mich wunderbar ist. Das Label funktioniert gut und es adressiert die richtigen Leute. Für mich ist es angenehm, auf einem Label zu sein, wo es nicht als Nebenprojekt von Radian wahrgenommen wird. Auf Thrill Jockey wäre das wahrscheinlich passiert.

Ist Innode jetzt dein Hauptprojekt?
Das kann man so sagen. Aber die Soundtracksachen unter meinem Namen mache ich weiterhin, das macht mir einfach Spaß.

Wie soll es weitergehen mit Innode?
Das Projekt ist ein bisschen modular angelegt, sodass wir nicht zwingend immer zu dritt sein müssen. Aber das ist meine absolute Lieblingskonstellation. Ich möchte unbedingt für die nächste Platte in der Form weiterarbeiten. Für mich hat das ganze Team bis ins letzte Detail gepasst: Nicht nur die Musiker, auch das Mastering, Cover, alles. Mir war wichtig, dass das auch auf der persönlichen Ebene super klappt.

Seid ihr schon zu dritt live aufgetreten?

Mit dem Projekt noch nicht. Aber die beiden kennen sie, sie spielen witzigerweise in noch einem Trio zusammen: No Business for Dogs mit Judith Unterpertinger. Live muss das keine komplette Trommelorgie werden. Die beiden ergänzen sich sehr gut, was ihre Spielweisen betrifft. Die nehmen sich auch frequenzmäßig relativ wenig weg. Proben ist allerdings schwierig, weil wir Steven extra aus Chicago bringen müssen. Aber das werden wir schon irgendwo hinkriegen. Das Projekt ist ja auch als Patchwork-Familie entstanden, mit den Leuten haut das schon hin.

Nutzt dir deine musikalische Vorgeschichte jetzt was? Ich nehme an, du musst mit Innode nicht wieder bei null beginnen?
Ich muss schon ein bissl neu aufbauen, weil ich auch nicht ständig präsent war. Ich kenne halt gewisse Leute, was es vielleicht etwas einfacher macht. Der Herr Németh ist kein so heißes As wie Radian, das ist schon klar. Aber man fangt Gott sei Dank nicht bei null an.

Mit sonotope.org hast du eine Website, die deine Projekte zusammenfasst, aber auch als Plattform für Veröffentlichungen gedacht sein soll. Was ist da geplant?
Ich brüte  gerade herum. Wenn alles klappt, hoffe ich, in einem halben Jahr, auf jeden Fall im nächsten Jahr ein, zwei kleine Releases zu haben. In einer sehr entspannten Form. Ich will gern kleine, feine, intelligente Releases haben, aber nicht das ganze Spiel mitspielen müssen. Ich nehme in Kauf, dass das winzig kleine Editionen sind.

Also schon Tonträger, nicht nur Downloads?
Nein, das sollen schon Singles und Twelve Inches werden. Ich tüftle aber noch über verschiedene technische Probleme nach.

Du hast ja auch Erfahrung als Labelbetreiber. Ein paar Jahre lang hast du gemeinsam mit Michaela Schwentner das Label Mosz betrieben.
Ja, und gewisse Sachen möchte ich jetzt umgehen. Die Strukturen, ich nenne das einmal Rockstrukturen, die man noch beibehält, obwohl sie schon komplett obsolet sind: Das brauche ich nicht mehr. Es soll ein sehr kleiner Rahmen werden, aber mit Spaß betrieben. Von der Länge ist mir eine EP ziemlich nahe, um geschlossene, kleinere Ideen umzusetzen. Ich will nicht immer ein Album füllen müssen, nur weil es das Gleiche kostet. Ich finde, es ist eine Zeit, wo viele kleine Sachen relativ spontan passieren.

Gibt es Lokai noch, dein Duo mit Florian Kmet?
Das befindet sich grad in einer Phase, wo man schauen muss, wie es am besten weitergeht. Die Idee ist, dass die Stücke anders entstehen sollen. Vorher haben wir lang im Studio gearbeitet und mussten das dann in ein  Live-Setting transferieren. Die Idee ist, das anders zu gestalten. Wir sind gerade in einer Umbauphase.

Wie hast du musikalisch begonnen? Du kommst ja von der Gitarre. Gab es da auch vorher schon Bands?
Klar gab es irgendwelche Bandversuche. Das waren im Prinzip Gitarrenbands. Die Gitarre war mein erstes Instrument. Aber ich habe sie lange Zeit stehengelassen, weil für mich nichts weitergegangen ist. Die Elektronik war für mich, als ich das alles entdeckt habe, ein superspannendes Feld. Jetzt habe ich wieder mehr Spaß an der Gitarre. Über den Umweg der Elektronik sehe ich sie mittlerweile als Soundquelle. Das interessiert mich mehr als ein Riff im Rockkontext.

Du bist studierter Biologe. Arbeitest du auch in dem Bereich?
Studiert habe ich Zoologie. Ja, ich hab immer ein bissl gearbeitet. In den letzten Jahren war es wieder mehr, halbtags im Prinzip. Mehr will ich nicht, denn dann geht sich alles andere nur mehr als Hobby aus.

Was machst du da genau?
Ich bin offiziell als Molekularbiologie angestellt. Es ist im Bereich Molekularbiologie und Biochemie, in einer Firma, die Diagnostika entwickelt und herstellt. Ich arbeite in der Entwicklung von Tests, die dann an Labors und Spitäler verkauft werden.

Nimmt dir dieser Job den Druck, als Musiker einen gewissen Erfolg haben zu müssen?
Anscheinend ist das mein Weg. Ich wär nicht der Richtige, der ständig spielt, um vielleicht davon leben zu können. Durch meinen Job als Biologe kann ich die Musik genau in der Form betreiben, wie ich’s mir vorstelle. Ich finde den Job außerdem ziemlich spannend. Ich weiß nicht, welchen Job ich lieber machen würde.

Du warst nie versucht, es allein mit der Musik zu probieren?

Nein. Ich bin jetzt auch nicht unbedingt ein Typ, der aktiv an Leute herantritt. Die Sachen haben sich bei mir immer relativ organisch ergeben. Alles, was ich jemals mit Zwang versucht habe, ist nichts geworden. Wahrscheinlich hat das auch seine Richtigkeit. Jahrelang habe ich mir zwar gedacht, man könnte es auch als Unentschlossenheit interpretieren, dass ich Biologe und Musiker bin. Mittlerweile sehe ich, dass das alles seinen Sinn hat. Ich brauche das offensichtlich auch. Und Kunst hin oder her: Letztlich ist dieses Musik-Ding bis zu einem gewissen Grad auch nichts Anderes als ein Business. In dem muss man sich irgendwie bewegen und seine Kunst machen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, nur mit Musikmenschen abzuhängen. Ich bin oft froh in einer Firma zu arbeiten, wo die Leute einen ganz anderen Background und einen ganz anderen Alltag haben. Da geht’s viel weniger um Ego-Geschichten.

 

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