mica-Interview mit Ed Schnabl

Er gilt als einer der versiertesten Singer-/Songwriter des Landes und agiert dabei abseits der gängigen Pfade des hiesigen Musikgeschäfts. Der in Wien und Kärnten beheimatete Ed Schnabl setzt auf internationale Umtriebigkeit: In Austin, Texas, spielte er gemeinsam mit Größen wie Townes van Zandt, Guy Clark und Alejandro Escovedo. Durch den Umstand bedingt, dass Schnabl seit jeher auf dem renommierten italienischen Label Folkest Dischi veröffentlicht, hat Schnabl ebenso in Oberitalien sein Publikum. Die neue, fünfte Platte “All the things we say today” glänzt mit einer international besetzten Band und überhaupt scheint Ed Schnabl so überhaupt nicht in gängige Musikmuster zu passen. Johannes Luxner hat mit ihm über texanische Ziegenzüchter, das Feilen an Songs sowieso den Kaktus den ihm Townes van Zandt zeichnete gesprochen.  

Alles nur dem Song zuliebe

Um ganz am Anfang zu beginnen: Wie ist die Sache mit dem Schreiben und dem Musik machen passiert?
Es gab für mich von Kindheit an eine Vorstellung von Musik. Von Räumen und Tönen. Und zwar auf gar keine kindliche Art. Ich bin zwar mit Kinderspielzeuginstrumenten verwöhnt worden, die später ohnehin zu klassischen Instrumenten wurden, wie die Melodika zu Beispiel. Meine Erinnerung ist aber, dass Musik immer eine Art Rückzugsgebiet war und ich nach Tönen geklaubt habe. Auf keine virtuose Art. Sondern das waren Tonfolgen die Räume gefüllt haben. Es war nahezu spirituell, sofern das bei Kindern überhaupt möglich ist. Gerüche und Lichtwahrnehmungen. Musik war für mich eine Stabilisierungssache.

Musik als therapeutische Maßnahme?
Auf jeden Fall. Mit Musik war immer ein gewisser Erregungszustand verbunden. Der Versuch ein Gleichgewicht zu finden und zu erhalten. Ich hatte auch immer das Gefühl schreiben zu müssen. Zwar noch nicht als Kind, aber später ständig.

Deine Musik ist stark amerikanisch geprägt. Sind hier Rückschlüsse auf die musikalische Sozialisierung erlaubt?
Ich bin erst Jahre später drauf gekommen: Aber die Musik die ich als Jugendlicher im verschnarchten Kärnten zu hören bekam bestand zum Großteil aus amerikanischen Volksliedern. Folksongs die verdeutscht wurden und mit unmöglichen Sinnverkehrungen ausgestattet waren. Es gab da einen emotionalen Song über einen Waggonfahrer, der darüber klagt, dass er von seiner Frau verlassen wurde. In der deutschen Fassung, die von einem österreichischen Duo stammte, nannte sich das dann “Kein Gold im Blue River”. Sehr seltsam. Doch als ich dann zum ersten Mal die Beatles gehört habe, war natürlich schlagartig alles anders. Auch wenn ich damals gedacht habe: Die schauen ja unglaublich blöd aus! Aber da wurde eine Energie frei, das kann man heute gar nicht nachvollziehen. Das hat eine Tür aufgemacht.

Doch wie kam Americana tatsächlich ins Spiel?
Eine meiner größten Quellen Musik zu finden war ein Plattengeschäft in Venedig namens Discoland. Die hatten unglaublich viele amerikanische Cut-Outs. Ich hab dort grandiose Sachen gefunden. Und bin dort auch auf einen meiner absoluten Helden gestoßen: Townes van Zandt. Von dem ich vorher nichts gewusst habe, bis auf einen Song von ihm den Emmylou Harris gecovert hat. Ich wollte wissen wer das ist und ich war begeistert. Damals sagte auch kaum wer Americana zu dieser Musik.

Es gab dann ja auch tatsächliche Begegnungen mit Townes van Zandt …
1991 ist mein bester Freund Stefan Passernig nach Texas gezogen. Er war Künstler, ein Weiler- und Rainer-Schüler. Er hat dort Möbel gebaut und nebenher an der Texas-Opera gearbeitet. Ziegen hat er übrigens auch gezüchtet. So genannte Zierziegen (lacht). Auf jeden Fall hab ich gehört, dass er auf ein Townes van Zandt Konzert geht und ich habe ihn gebeten mir von Townes van Zandt einen Kaktus zeichnen zu lassen. Das hatte damit zu tun, weil ich damals einen großen Kaktus als Bühnenbild verwendete. Und Townes van Zandt zeichnete mir dann tatsächlich einen kleinen Kaktus. Mit ungeahnten Auswirkungen: Kurze Zeit später stellte sich heraus, dass Townes sein erstes Konzert in Wien geben wird. In der Szene. Und für mich war klar: Ich will im Vorprogramm spielen. Auf das hin habe ich in der Szene angerufen und Manfred Winter, der Veranstalter, meinte: “Sag mir einen Grund”. Und ich hab gesagt: “Ich hab einen Kaktus den mir Townes van Zandt gezeichnet hat.” Nachdem ich ihm die Zeichnung gefaxt habe war der Auftritt fixiert (lacht). Leider hat sich danach kein längerfristiger Kontakt ergeben.

 

 

Aber das Konzert hatte andere Auswirkungen …
Stimmt. Damals war Wolfgang Kos im Publikum der mich dort zum ersten Mal gehört hat. Er war dann auch der erste der mich im Radio gespielt hat. Auf Ö1. Doch die Sachen kamen auch anderweitig ins Rollen. Mein Freund Stefan hat aus Texas angerufen und gemeint, dass in Austin eine Art Tribut- Konzert für Townes van Zandt stattfinden würde: “For the sake of the song”. Etliche texanische Musiker haben sich in der dortigen La Zona Rosa getroffen und jeder durfte einen Townes-van-Zandt-Song spielen und im Anschluss hat Townes selbst ein Set gespielt. Auf jeden Fall hat sich Stefan dort für mich engagiert und erzählt, dass ich mit ihm in Wien gespielt habe. Ich wurde dann tatsächlich nach Texas eingeladen, musste bei einem Radiochef der das Konzert initiiert hat vorspielen. Schussendlich spielte ich dort dann “At my window”. Es war ein unglaublich toller Abend. Guy Clark, Jerry Jeff Walker, Alejandro Escovedo haben dort mit mir gespielt. Ich hab dort das erste und einzige Mal in meinem Leben Standing Ovations bekommen. Das war toll. Bob Dylan, der gerade wegen der Fernsehshow für Willie Nelsons 60. Geburtstag in Austin gastierte, war als Besucher dort. Und für diese Willie-Nelson-Show hab ich wiederum dem Stefan, der ja beruflich Bühnenbildner war, geholfen das Bühnenbild zu machen. Die Fernsehbilder gibt’s immer noch. Es war ein Riesen-Navajo-Teppich und ein großer Schriftzug: “Happy sixty-o, Willie!”

Austin hat dich musikalisch länger fest gehalten .
Ich hab dort begonnen bei all den Open-Mic-Sachen zu spielen. Man lernt dort tolle Leute kennen und erlebt wahnsinnig viel. Eigentlich wollte ich ja in Austin bleiben, doch es wurden dann doch nur vier Monate.

Dafür wurde es dann vermehrt der italienische Raum .
Zur selben Zeit hab ich beim Autostoppen einen italienischen Musiker kennen gelernt. Er gab mir damals die Adresse vom Folkest-Festival in Udine, wo ich in der Folge auch gespielt habe. Und 1996 hatten die Festivalmacher die Idee ein Label zu machen: Folkest Dischi. Ich hatte die Ehre das erste Album auf Folkest Dischi zu veröffentlichen. Die Nummer 01: “Songs from lands end.” Die CD war in Italien ziemlich erfolgreich. Also viel Presse, viel Radio und so weiter.

Wobei du eigentlich als aktiver Künstler ein Spätberufener bist .
Ich habe 16 Jahre lang davon gelebt Gitarrestunden zu geben. In dieser ganzen Zeit hat es in mir gebrodelt: Ich wollte schreiben, schreiben, schreiben. Aus irgendwelchen Gründen ging das nicht. 1997 als ich 36 war ist irgendwie ein Damm gebrochen. Ich kann nicht aus der Hüfte schießend schreiben. Mein Schreibprozess hat mehr mit Suppe kochen zu tun: Ein langer Prozess, mit vielen Zutaten, man wärmt die Dinge auf. (20min)

Um über die neue Platte zu sprechen: Hat sich der Entstehungsprozess von “All the things we say today” von anderen Produktionen unterschieden?
Ich habe dieses Mal für meine Verhältnisse sehr viel Material geschrieben. 20 Songs in einem Jahr. Das gab es bei mir noch nie. Die Aufnahmen haben sehr schnell passieren müssen. Wir haben das gesamte Material zwei Mal durchgespielt. 14 Songs. Dann war schon die Aufnahmesituation da. Wir haben das ganze Studioequipment in meinem Haus in Villach aufgebaut. Und die einzelnen Musiker auf Zimmer verteilt. Ohne Blick- nur mit Kopfhörerkontakt. Aus irgendwelchen Gründen – keiner weiß wie wir das geschafft haben – haben wir alle 14 Songs in zwei Tagen eingespielt. Dadurch gibt’s vielleicht ein paar Schlenzereien. So genannte Neil-Young-Schwimmer. Doch so etwas stört keinesfalls. Es ging um die Momentaufnahme. Die Situation wurde widergespiegelt. Und es ist wirklich ein Bandalbum geworden. Diese Platte bedeutet schon eine neue Phase für mich, weil sich auf dieser Platte alles komprimiert hat was ich vorher gemacht habe. Ganz wichtig war das Aufnahmeteam: Markus Wallner hat bisher drei meiner Alben aufgenommen aber keines davon gemischt. Dieses Mal hatte er keine Zeit für die Aufnahmen, weil er für die Biennale in Venedig gearbeitet hat. Markus hat gesagt: “Reg dich nicht auf, wichtig ist dass ihr gut spielt.” Später haben wir verzweifelt einen guten Mann zum Mischen gesucht. Markus Wallner hat gesagt: “Schick mir die Aufnahmen ich hörs mir an.” Er meinte dann: “Ich wills mischen, aber so wie ich es will.” Er hat keinen Einspruch geduldet. Er hat die 14 Songs in zwei Tagen im Couch-Records-Studio gemischt. Er hat auch gemeint er wird nichts was an zwei Tagen aufgenommen wurde zwei Wochen lang mischen. Sein Plan war die Platte richtig schmutzig zu mischen. Er hatte nämlich eine genaue Vorstellung davon wie es zu klingen hat. Es ist mein erstes Album bei dem der Mischer einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Und eigentlich hat Markus nicht im ursprünglichen Sinn gemischt, sondern er hat Räume erzeugt, gepresst, herausgearbeitet, gestrichen usw. So werden die Dinge spannend.

 

 

Wie lässt sich dein Kreativprozess beschreiben?
Ich habe verschiedenste Schreibtechniken. Zum einen das Sammeln: Das Notieren von Sätzen. Ich schreib auf kleine Zettel und klebe damit die Wände voll. Dann beginnt man mit diesen Zetteln zu bauen. Man ersetzt und ergänzt. So wie man mit Bausteinen arbeitet. Es gibt verschiedene Ebenen. Und es stoßen Dinge zusammen die vielleicht gar nicht zusammengehören, sich aber gut überlagern. Mir ist auch immer lieber zuerst den Text und nicht die Musik zu haben. Im Text ist ja immer schon Musik drinnen: Melodie und Rhythmus. Aber es gibt auch andere Herangehensweisen: Ich geh in einen Film, lass mich füttern und füge Eigenes hinzu: Etwa die Beschreibung von Bildern aus dem Film. So entsteht aus einem Film ein Song. Oder ich habe auch einmal einen Text einer befreundeten Schriftstellerin verwendet. Es war ein deutscher Text. Ich hab ihn nicht übersetzt, ich habe ihn raus geschält und in ein Songformat gegossen. Solche Songs sitzen meistens sofort. Das sind die ganz großen Glücksmomente.
Aber es gibt auch Sachen die tümpeln fünf, sechs Jahre dahin. Man weiß zwar um was es gehen soll – aber du findest den Zusammenhang nicht. Irgendwas muss dann noch passieren. Es muss ein Destillat werden, es muss zusammenschmelzen. Autobiografisch schreibe ich allerdings relativ ungern.

Dass die Sprache in der du schreibst Englisch sein muss, war immer klar für dich?
Es wird mir ja manchmal vorgeworfen, dass ich keine deutsche Musik mache. Aber mein ganzer musikalischer Input kommt aus dem britischen und vor allem amerikanischen Raum. Damit wurde sozusagen meine Festplatte gespeist. Und die Texte waren mir nie egal. Ich wollte immer wissen was dahinter steht. Ich hatte auch das Glück immer von vielen Native Speakers umgeben zu sein, die manchmal meine Texte korrigiert haben. Sofern es ihre Höflichkeit zugelassen hat (lacht).

Wie erklärst du dir den Boom rund um österreichische Singer-/Songwriter-Musik?
Ich hab mich nie als Singer-/Songwriter bezeichnet. Wobei mein Kerngebiet dennoch aus Schreiben und Spielen besteht. Aber in Bezug auf den Boom denke ich mir, dass die Sachen immer gleichzeitig passieren. Nur die Suchschweinwerfer schwenken immer hin und her. Manchmal ist der Spot da, manchmal dort. In Austin aber war alles immer gleichzeitig präsent. Von Punk, über Rock´n Roll, Country, Jazz bis Singer-/Songwriter.

 

 

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