mica-Interview mit Bruno Strobl

Seit 12.4.2008 ist Bruno Strobl neuer Präsident der IGNM. Mit seinem Team, der Ö1 Musikredakteurin Irene Suchy, den Komponisten Simon Vosecek, Hannes Raffaseder und Johannes Kretz und der Musikerin Manon Liu Winter, erreichte er mehr als zwei Drittel der Stimmen. Der langjährige Obmann der Kärntner Zweigsektion der IGNM will in seiner neuen Funktion Netzwerke schaffen und nützen, sich um Aufführungsmöglichkeiten für Neue Musik bemühen und einen ästhetischen Diskurs in Gang setzen. Das Interview führte Sabine Reiter.

Sein Engagement für die zeitgenössische Musik praktiziert der Komponist einerseits als Ensembleleiter, andererseits als Organisator von Konzerten, Festivals und Projekten, wie etwa “EXPAN” oder dem “Klangspectrum Villach”. Als Gründer und langjähriger Leiter des Vokalensembles VOX NOVA und als Dirigent des Ensemble Kreativ, wie auch der MusikFabrikSüd, führte Strobl sehr viele Werke österreichischer zeitgenössischer Komponisten auf.  Als Obmann der Kärntner Landessektion der IGNM hat er bereits wichtige Akzente in Richtung Zusammenarbeit der Ländersektionen gesetzt. Obwohl Strobl in Kärnten in den Landesgremien vertreten ist, bezieht er immer wieder kritisch Position, wenn es um politische Themen geht.

SR: Du warst seit 1977 Obmann der Kärntner Sektion der IGNM. Wer oder was hat Dich bewogen, Dich der Wahl zum Präsidenten zu stellen?

BS: Es wurde schon seit einigen Jahren von verschiedenen Personen der Wunsch an mich herangetragen, die IGNM zu übernehmen. Ich habe mich immer gewehrt, weil mir die Zeit für das Komponieren wichtiger ist. Nun sind aber nach der vorletzten Generalversammlung im Dezember doch so massive Schwierigkeiten aufgetreten und so viele Leute an mich herangetreten, dass ich die Leitung übernehmen soll, dass ich mir gedacht habe, das sollte ich vielleicht wirklich tun – aber mit einem Team. Ich habe in den letzten Jahrzehnten gesehen, dass das mit einem bunt zusammengewürfelten Vorstand nicht unbedingt ideal ist. Deshalb wollte ich mit Leuten antreten, von denen ich weiß, dass sie das, was zu tun ist, leisten können und wollen, und bei denen man sich auf darauf verlassen kann, dass die Kommunikation und die Zusammenarbeit gut funktionieren. Die Mitglieder in der Generalversammlung haben anscheinend dieses Botschaft gut verstanden und unser Team mit großer Mehrheit gewählt.
Im Vorstand sind dann üblicherweise noch die Obmänner der Bundesländersektionen.

SR: Du hast eine Vorgeschichte als sehr gut vernetzter Obmann der Kärntner IGNM. Ist es zu erwarten, dass die IGNM die Zusammenarbeit mit diesen Ländersektionen verstärkt?

BS: Es ist so, dass die Bundesländer eigentlich immer ganz gut zusammengearbeitet haben, aber ich denke mir, dass man das noch verbessern kann. Irene Suchy hat das ja auch als ihr Ziel im Vorstand definiert, speziell für die stärkere Vernetzung mit den Bundesländern zu arbeiten. In der Steiermark entsteht gerade eine neue Bundesländersektion, vielleicht gibt es dann noch irgendwo eine, eventuell in Vorarlberg. Mit der Steiermark haben wir fünf Bundesländersektionen und da ist es schon wichtig, dass sowohl was thematisch passiert, als auch was musikalisch passiert, nicht nur an einem Ort bleibt, sondern herumgeht, weil das einfach von der Synergie her vernünftig ist, und außerdem wesentlich mehr Wirkung hat.
Das ist auch eines unserer Hauptziele, für das die IGNM stehen soll, nämlich das Eintreten für ein Bewusstsein für Neue Musik, auch für das kreative Potenzial, das es hier gibt, dass dieses Potenzial in das Bewusstsein der Leute kommt, dass es auch einen Diskurs darüber gibt. Wir werden auch vermehrt solche Veranstaltungen machen, wo Diskurs möglich ist.

SR: Du meinst ästhetischen Diskurs? Das trifft sich gut, den möchte das mica auch…

BR: Natürlich ist auch diese Vernetzung mit anderen Institutionen wie mica und ÖKB z.B. ganz wichtig, und auch da muss man die Synergieeffekte nutzen. Man kann sich nicht abschotten und für sich allein tun – aber das ist es, was die IGNM leider zuletzt getan hat und das möchte ich auf jeden Fall ändern.

SR: Gibt es da schon irgendwelche konkreten Überlegungen?

BS: Wie du weißt, sind wir momentan mit anderen Dingen beschäftigt…

SR: Es ehrt dich, dass du die IGNM in dieser Situation übernommen hast!

BS: Es wurde eben ein beträchtlicher Schuldenberg hinterlassen, und zunächst einmal gilt es, diesen Schuldenberg abzubauen. In diesem Jahr wird nicht sehr viel möglich sein, allerdings wollen wir mit einer Veranstaltung im Herbst diesen Diskurs-Gedanken schon in Fahrt bringen, und im nächsten Jahr damit wirklich anfangen.

SR: Was wird das sein?

BS: Ich weiß nicht, ob ich das schon ausplaudern soll… eine kleine Veranstaltung, die nicht sehr viel kostet, im Radiokulturcafé, wo über das, was gehört wird, auch gesprochen wird. Nicht nur von Fachleuten, sondern wo auch das Publikum Gelegenheit hat, seine Meinung dazu zu sagen. In welcher Form das stattfinden soll, dazu gibt es schon verschiedene Ideen, aber ich will jetzt nicht schon das ganze Programm vorstellen, weil es auch noch nicht möglich ist, weil wir einfach noch Ideen haben, und außerdem noch warten, bis wir wissen wieviel Geld wir überhaupt haben. Die Bundesländer wollen natürlich auch ihre Projekte durchführen, das heißt, wenn wir letzten Endes wissen, wieviel Geld zur Verfügung sein wird – und da sind jetzt viele Gespräche notwendig, mit dem Ministerium, mit der Stadt Wien, mit den Ensembles und Musikern, die noch Geld zu kriegen haben – müssen wir schauen, was man dann noch durchführen  kann.

SR: Was die Veranstaltungen der IGNM betrifft, war beispielsweise für das Jahr 2005 von 120 Veranstaltungen zu lesen. Ich nehme an, da waren sehr viele Kooperationen dabei?

BS: Also diese Linie werde ich sicher nicht fortsetzen, dass ich alle Veranstaltungen, wo irgendein Mitglied von der IGNM beteiligt ist, als IGNM-Veranstaltung bezeichne, das wird sicher nicht mehr passieren. Diese Vereinnahmung ist mir ein Gräuel, denn da wurde von Veranstaltungen einzelner Mitglieder geredet. Es wird auch kolportiert, dass wir fünfhundert Mitglieder haben sollen, usw.

SR: Wieviel Mitglieder gibt es?

BS: Ungefähr 260.

SR: Hauptsächlich Komponisten?

BS: Nicht nur, es sind auch Musiker dabei, außerdem einige, die einfach nur an Neuer Musik interessiert sind. Es werden etwa 160-170 Komponisten sein, ich habe die Zahlen jetzt noch nicht genau.

SR: Von den Veranstaltungen weiter zu einer anderen IGNM-Aktivität, der CD-Produktion. Wird es diese weiterhin geben?

BS: Ja, es wäre für heuer auch eine Oberösterreich-CD geplant gewesen. Diese “unerhört”-Reihe möchte ich schon fortsetzen, sie hatte ein gutes Echo und ist auch technisch sehr gut. Nur können wir diese Oberösterreich-CD aus finanziellen Gründen heuer nicht machen, die wird sicher auf nächstes Jahr verschoben werden. Aber ich denke mir, dass das zunächst einmal weitergeführt wird.

SR: Wie funktioniert denn die Auswahl der Komponisten für eine solche CD? Meine Frage zielt darauf ab, dass es in der IGNM immer eine sehr lebendige demokratische Streitkultur gegeben hat, allerdings nicht in den letzten Jahren. Ist eine solche Auswahl eine eher basisdemokratische Entscheidung oder wie hat man sich das vorzustellen?

BS: Ich denke, gerade bei der Gestaltung der Oberösterreich-CD müssen wir die Mitglieder stärker einbinden, denn es soll nicht sein, dass der derzeitige Oberösterreich-Obmann der IGNM alleine bestimmt, was da draufkommt. Ich habe ihn also schon eingeladen, die Unterlagen, die er hat, nach Wien zu schicken, oder das nächste Mal mitzubringen, sodass wir gemeinsam darüber beraten können, wie die CD ausschauen soll, damit man das Projekt zumindest einmal angehen kann.

SR: Ein Anliegen der IGNM ist die Förderung und Verbreitung österreichischer Komponisten im Ausland. Welche Pläne gibt es auf diesem Gebiet?

BS: Es haben

SR: 2012 ist ja das 90-jährige Gründungsjubiläum der IGNM, wird es ein Weltmusikfest in Österreich geben?

BS: 2012 ist einerseits recht bald, auf der anderen Seite ist es insofern noch weit weg, weil ich gar nicht weiß, ob ich dann noch Präsident bin. Es gibt ja alle zwei Jahre eine Wahl. Aber es wäre natürlich gerade zu dem Zeitpunkt recht interessant. Es hat in den letzten Jahrzehnten schon Gedanken gegeben, ein Musikfest zu machen. Es hat sich nur niemand darüber getraut, weil es schwierig ist, das zu planen. Denn wir müssen für so ein Fest die Zusagen von den Förderern sehr früh bekommen, und ich weiß nicht, wie das gehen soll. Ich kann nicht ein Weltmusikfest planen, und schon drei Jahre vorher beginnen alles zu organisieren, ohne zu wissen, ob es dafür überhaupt Geld gibt.
Das ist sicher etwas, was man mit den Fördergebern früh genug besprechen muss, ob das gewünscht wird, oder nicht. Dass wir es machen wollen, ist glaube ich nicht so das Problem.

SR: Am 3. Juni findet die Parlamentarische Enquete “ZukunftsMusik. Aktuelle Herausforderungen und musikalische Entwicklungsperspektiven in Österreich” statt. Welche Anliegen der Parlamentarischen Enquete wären der IGNM besonders wichtig?

BS: Das wäre natürlich – und dafür möchte ich mich sowieso auch im Rahmen der IGNM stark machen, das wird bei der Enquete wahrscheinlich nicht so gelingen, weil da sehr viele verschiedene Interessen zusammen kommen – einmal auf dieses andere Musikland hinzuweisen, nicht auf jenes der Staatsoper und der Festspiele usw., sondern eben dieses andere Musikland ins Bewusstsein zu rufen. Speziell ist es natürlich für die IGNM – und das wird eine Arbeit sein, die noch weit darüber hinausgeht – wichtig, dass wir bei den öffentlichen Stellen, seien es nun die Medien, Politiker oder Subventionsgeber, dass wir dort mehr Bewusstsein für das kreative Potenzial schaffen, das es hier gibt, und dafür, dass es gepflegt werden muss, denn von diesem kreativen Potenzial kommt ja der Nachschub, der Österreich dann letzten Endes zum Musikland macht.
Es muss schon bewusst sein, dass das notwendig ist, auch für nachfolgende Generationen ein Musikland zu bleiben, und dass es mit den traditionellen Stücken, die wir so landauf, landab hören, nicht getan sein wird. Da fließt natürlich viel Geld hinein, das ist halt massentauglich und quotentauglich, das ist unser Problem.

SR: Du warst ja Musikerzieher, und musikalische Bildung bzw. Ausbildung ist auch eines der Themen der Enquete. Inwieweit arbeitet die IGNM auch in diesem Feld?

BS: Wir haben ja in Kärnten Musikvermittlung auf verschiedenen Ebenen betrieben, wir haben z.B. diese Kreativwerkstatt ein paar Jahre lang gemacht, mit dem Ensemble Kreativ, wo die Menschen über mehrere Tage freien Zugang zu den Diskussionen, Proben etc. hatten. Die Kreativwerkstatt war gedacht als eine Veranstaltung, wo das Ensemble Kreativ auch der Lernende war. Das Ensemble hat sich mit den Stücken auseinander gesetzt, mit Hilfe von KomponistInnen, MusikwissenschaftlerInnen und MusikvermittlerInnen, die dann zu den einzelnen Stücken, die da einstudiert worden sind, referiert und diskutiert haben.
Ein anderes Projekt, das alle zwei Jahre in Spittal an der Drau stattfindet, ist “EXPAN”, wo Komponisten für Musikschüler und Profis schreiben.
Wir sind jetzt gerade dabei, in Kärnten einen Schwerpunkt auf dem Gebiet zeitgenössischer Musik zu setzen, und zwar in Zusammenarbeit mit dem Institut für Angewandte Musikwissenschaft der Universität Klagenfurt mit Frau Professor Simone Heilgendorff. Das ist gerade am Anfang der Diskussion und hat den politischen Referenten noch nicht erreicht, das wird wahrscheinlich Ende Juni passieren, wir werden sehen, ob da etwas geht. Es sollte auch “Expan” Kärntenweit durchgeführt werden.
Ich stelle mir vor, dass solche Dinge natürlich auch in den anderen Bundesländern möglich sind. Alfred Peschek von der IGNM Oberösterreich hat gerade angefangen, mit ganz jungen Leuten geeignete Stücke einzustudieren, und ist ganz begeistert. Ich stelle mir vor, dass wir solche Gruppen dann in den Bundesländern kreisen lassen können, sodass wir uns austauschen, und eben dadurch auch wieder ein vermehrtes Bewusstsein beim Publikum entsteht, was da eigentlich los ist und wie viele Leute sich dafür interessieren und engagieren, das ist ja nicht so wenig. Und dass das halt auch bedenkenswert und hörenswert ist, dafür wollen wir uns einsetzen.
Musikvermittlung im Bereich der Neuen Musik ist etwas, das, gerade was die Schulen betrifft, relativ im Argen liegt. Ich könnte mir schon vorstellen, dass gerade in der Parlamentarischen Enquete dazu Worte fallen sollten, weil das eigentlich ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass man bei den Kindern ansetzt. Kinder haben ja mit Neuer Musik kein Problem, das haben immer nur die Erwachsenen. Diese Erfahrung mache ich immer wieder und ich kann konkrete Beispiele anführen, dass Lehrer gesagt haben, das können meine Kinder nicht! Die Sache ist nur, dass der Lehrer bereit sein muss, sich damit zu identifizieren, damit er das rüberbringt. Das muss für den Lehrer so selbstverständlich sein, als würde er einen Schlager einstudieren, was er gerne tut, weil es so gut ankommt. Aber wenn er das mit zeitgenössischer Musik auch so locker und selbstverständlich macht, haben die Schüler damit kein Problem.

SR: Welche Ergebnisse der Generalversammlung der IGNM haben wir bisher noch nicht berührt?

BS: Wir haben ja im Team auch Leute, die sehr stark mit anderen Kunstrichtungen kommunizieren. Hannes Raffaseder z.B. als Medienkünstler. Gerade das ist etwas, das wir auch versuchen wollen, dieses spartenübergreifende Kommunizieren, vielleicht einfach nur, um den gemeinsamen Diskurs zu pflegen, über Kunst, vielleicht aber auch um Projekte zu machen, das wird sich dann zeigen, mit bildender Kunst, Medienkunst, Film, Literatur usw.
Es ist natürlich auch so, dass wir uns auch selbst eine Identitätsfrage stellen. Was ist denn die IGNM, die Gesellschaft für Neue Musik, wie ist das mit dem Begriff der Neuen Musik. Es ist ja so, dass jeder Begriff den wird verwenden – Neue Musik, zeitgenössische Musik, aktuelle Musik – nie wirklich trifft, man muss dann immer erklären, was man eigentlich meint. Das ist eine Sache, die uns beschäftigt, die uns schon beschäftigt hat. Wir haben vor etwas mehr als einem Jahr einen Arbeitskreis gebildet, wo wir über diese Dinge nachgedacht haben, es hat aber nur eine Sitzung gegeben. Wir wollen diese Diskussion wieder in Gang setzen, was ist eigentlich unser Selbstverständnis, was wollen wir, und was sollte nach unserem Selbstverständnis Neue Musik sein.
Das ist keine Diskussion, die dann zu einem Ergebnis führt, aber die Diskussion darüber ist wichtig. Es wird sicher nicht so sein, dass man dann am Ende von zehn Diskussionen sagt, wir wissen es jetzt. Es ist ja alles in Bewegung, aber es ist wichtig, die Diskussion darüber zu führen, und möglichst viele Leute daran teilhaben zu lassen.

SR: Daneben soll natürlich deine kompositorische Tätigkeit auch weitergehen?

BS: Deshalb habe ich gesagt, es muss unbedingt ein Team sein, wo jeder gewisse Arbeiten übernimmt, denn ich kann nicht alles selber machen und bin auch nicht bereit dazu, weil ich wirklich meine Haupttätigkeit als Komponist sehe. Es ist mir aber klar gewesen, dass es nun einmal notwendig ist, dass ich das jetzt machen soll und ich habe auch durch dieses starke Votum die Bestätigung dafür bekommen. Ich sehe das jetzt schon als eine ganz wichtige Aufgabe und gebe relativ viel Zeit dafür her, um die IGNM wieder in Ordnung zu bringen, und sie an einen Punkt zu bringen, wo man sagen kann,  jetzt können wir anfangen, unsere Ideen umzusetzen.