mica-Interview Benedikta Manzano

Am 12. Februar hat im Wiener Rabenhoftheater der 10. Protestsongcontest stattgefunden. Die sechsköpfige Jury – u.a. mit Skero, Peter Paul Skrepek und Martin Blumenau – hat Benedikta Manzano mit ihrem Lied „Mehr Mitgefühl für Märkte“ zur Siegerin gekürt. Auf Platz zwei landeten ex aequo Anstaltskinda aka Kapitano Chaotico und die Refugees of the Vienna Refugee Camp, das sind Flüchtlinge, die zurzeit die Votivkirche besetzen. Ursprünglich stammt Benedikta Manzano aus Salzburg, heute gilt: Lebt und arbeitet in Wien. Im mica-Interview mit Jürgen Plank zeigt Benedikta Manzano Solidarität mit den Flüchtlingen, ein gemeinsamer Auftritt in der Votivkirche ist längst geplant.

Welchen künstlerischen Hintergrund hast du?

In den 1980er-Jahren bin ich viel mit eigenen Programmen aufgetreten, da habe ich angefangen eigene Lieder zu schreiben und bin in der Alternativen- und in der Frauenszene in Deutschland und Österreich herumgereicht worden. Ich habe auch bei freien Theaterproduktionen mitgespielt, z.B. gemeinsam mit Adi Hirschal in der Gruppe Netzzeit. Ich habe Wienerlieder und Operettenlieder gesungen, aber vor allem auch meine eigenen Lieder, davon gibt es leider nur wenige Tonaufnahmen.

Mit welchen MusikerInnen hast du schon zusammen gearbeitet?

Ich habe mit verschiedenen MusikerInnen zusammen gearbeitet, meine ersten Programme waren gemeinsam mit Hermann Fritz, der ist eigentlich Geiger und Volksmusikforscher und er hat mich aber am Klavier begleitet und sehr schöne Arrangements geschrieben. Der zweite Wegbegleiter war der Cellist Tristan Schulze, der spielt auch bei Triology. Dann habe ich mit Julie Loveson gespielt, die ist Jazzerin, Komponistin und Tontechnikerin. Und mit Arne Marsel habe ich ein paar sehr elektronische Sachen mit Klangteppichen aufgenommen, dieses Material haben wir aber noch nicht veröffentlicht. Für mein Protestsongcontest-Lied hat Franz Alexander Langer die Begleitung gemacht, der ist in erster Linie Komponist und Mitglied in der A-cappella-Band Die Echten.

Wie ist das Siegerlied aufgenommen worden?
Das Siegerlied haben wir in Windeseile aufgenommen. Ich bin mit dem Lied zu Franz Alexander Langer ins Studio gekommen und habe gedacht, es klingt wie ein Kinderlied, aber er hat gemeint: Nein, das klingt wie ein Schubertlied bzw. wie ein Schuberquintett. Das hat mich natürlich besonders gefreut, auch weil Schubert mein Lieblingskomponist ist. Die meisten sagen, es klingt wie ein Couplet, in der Tradition von Raimund und Nestroy.

Wie kam es, dass du dich entschlossen hast, ein Lied für den Protestsongcontest zu schreiben?
Es war nicht so, ich habe nicht beschlossen ein Lied für den Protestsongcontest zu schreiben, sondern ich habe das Lied im Mai 2012 geschrieben und jemand hat mir gesagt, ich sollte das doch beim Protestsongcontest einreichen und ich habe dann Franz Alexander Langer über facebook angeschrieben und er hat sich bereit erklärt, das Lied aufzunehmen. Aber das Lied war schon da, ich kam mit Text und Melodie ins Studio.

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Was war der Anlass für dich, dieses Lied zu schreiben?

Auslöser war einfach, weil ich mit jemandem in einem kreativen Wettstreit war. Es hat mich jemand dazu inspiriert, der gemalt hat und ich habe geschrieben und gedichtet. Das Thema hatte ich schon einige Zeit lang im Kopf, mir ist längere Zeit hindurch aufgefallen, wie über die Markt- und die Geldwirtschaft gesprochen wird, das ist ein Teil dieser neoliberalen Ideologie. Das ist dasselbe, was totalitäre Regime machen, da gibt es oft einen Euphemismus, etwa wenn jemand statt ‚Steuerhinterziehung’ einfach ‘Schutz der Privatsphäre’ sagt. Schöne Begriffe wie ‚Freiheit’, die ja jeder will, werden nun nicht auf Personen bezogen, sondern auf das Kapital. Abstrakte und sehr brutale Vorgänge werden zu liebenswerten, herzigen Personen gemacht, das Kapital ist ein scheues Reh, aber in Wirklichkeit passieren Dinge, die dazu führen, dass die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer. Und da trifft eine große Mitschuld die Medien.

Du hast es nun schon angedeutet: In deinem Lied geht es um das kapitalistische Wirtschaftssystem, das beispielsweise Banken stützt, es geht um Kapitalflucht, um Steueroasen etc., hast du die Hoffnung, dass dein Lied und dein Sieg beim Protestsongcontest 2013 etwas verändern wird?
Es gibt auch ein Video zum Lied, ich habe das vorab ein wenig über verschiedene Mailinglisten verbreitet und jemand hat zurück geschrieben, das Lied an einige Banker weiter zu leiten. Es kann also sein, dass das schon Menschen erreicht, die in diesem Bereich arbeiten.

Nun gibt es ja längst Ansätze wie die solidarische Ökonomie. Beschäftigst du dich z.B. damit?

Ursprünglich hat mich das Thema Wirtschaft nicht interessiert, früher habe ich über Männer und Frauen, Liebe, Gott und Teufel gesungen. Aber man kommt um das Thema Wirtschaft nicht herum, weil es so beherrschend ist. Ich bin da keine Expertin, aber ich kenne z.B. den Unternehmer Heini Staudinger, der jetzt Probleme mit der Finanzbehörde hat und bei dem habe ich mit gekriegt, dass jemand Unternehmer ist und trotzdem seinen Idealen treu bleibt und sich überhaupt nicht darum kümmert, was angeblich funktioniert und nicht funktioniert. Der tut das einfach auf seine Weise und zeigt: Es ist möglich Unternehmer zu sein und gleichzeitig eine humanistische Ausrichtung zu haben. Der ist ein Mensch, dem sein persönlicher Gewinn egal ist. Wenn jemandem das Wichtigste ist, Milliarden zu scheffeln, dann geht das natürlich nicht so. Ich suche meistens nach konkreten Personen, die ich als Alternative sehe, aber wahrscheinlich muss ich mich näher mit dem Thema beschäftigen, vielleicht werde ich auch bald ‘Das Kapital’ von Karl Marx lesen. Der Mammon ist jetzt unser Gott. Früher waren die höchsten Bauten immer Sakralbauten. Was ist es jetzt? Das Worldtrade-Center! Wenn künstliche Städte errichtet werden, dann werden sie um ein Einkaufscenter herum gebaut.

Kommen wir noch ein Mal zum Protestsongcontest: Wie schätzt du denn die Wichtigkeit eines solchen Wettbewerbes in der heutigen Zeit ein?
Ich hatte den Eindruck, dass es fast nicht mehr möglich ist, mit Protest in der bekannten Form Anklang zu finden. Die typischen Protestlieder der 1960er-Jahre wie ‘Where have all the flowers gone’? funktionieren heute nicht mehr. Und zwar in dem Sinn, dass man darauf noch Resonanz bekommen kann. Es gibt Hunderte Lieder, in denen die Leute eine sehr aggressive Haltung haben, man hört Raps, bei denen man den Eindruck hat, der Rapper protestiert gegen irgendetwas. Aber das hörst du dann halt im Einkaufszentrum und es berieselt deine Konsumtätigkeit. Das wird alles irgendwie abgefedert. Man kann lustig vor sich hinprotestieren, aber es passiert nichts.

Wie groß ist deine Hoffnung nun, dass dein Protestlied etwas ändert?
Was heißt ändert… ich glaube, es ist ein Lied, das diese Ideologie aushebelt und auf das man nicht mit den üblichen Stehsätzen antworten kann. Es ist ein Lied, mit dem man kontern kann, wenn jemand mit diesem Palaver, mit diesen Füll- und Stehsätzen daher kommt. Und in diesem Sinne ist es verwendbar, das glaube ich.

Wofür wirst du die nächsten Monate verwenden? Wird es ein Album geben?
Ich habe längere Zeit nichts gemacht, u.a. weil ich Probleme mit der Stimme gehabt habe. Ich habe mittlerweile einen fixen Job, da arbeite ich als Trainerin in AMS-Kursen, als Trainerin in so genannten Maßnahmen. Das finde ich gut, weil ich da in Kontakt mit vielen Geschichten aus der Arbeitswelt komme. Ich erlebe direkt mit, dass z.B. Leute, die eine Firma mit aufgebaut haben, wegrationalisiert werden, weil etwa ein Konsortium die Firma aufgekauft hat. Ich muss mir meine Zeit also einteilen, aber im Herbst wird es auf jeden Fall einen Abend im Rabenhoftheater geben und es gibt einen Regisseur, der mit mir arbeiten möchte. Ich wünsche mir, dass der Sieg mir nun einen Impuls für weitere Aktivitäten gibt. Es gibt ja genügend Lieder, ich muss jetzt endlich eine CD machen.

Die österreichische Band Aniada a Noar spielt auch ein Lied von dir?

Ja, das Lied hat Hermann Fritz an die Band weitergereicht. Es ist ein Wienerlied und heißt ‘Wiener Trost’, es handelt natürlich vom Tod und ist eine Aufforderung zum fröhlichen Selbstmord, wenn man leider zu alt ist. Ich habe das Lied gemeinsam mit einem Freund geschrieben als ich 24 Jahre alt war. Das ist ein Jugendwerk, das ich gemeinsam mit einem gleichaltrigen Freund geschrieben habe. (lacht) Der erste Satz lautet: „Das Alter kommt immer zu früh, der Tod kommt leider zu spät.“ Wenn man jung ist, glaubt man halt nicht, dass einen das Alter auch erwischen wird. Das Lied ist auch auf einer CD von Aniada a Noar drauf und sie spielen es live.

Am Protestsongcontest 2013 haben auch Flüchtlinge aus dem Vienna Refugee Camp teilgenommen, die sich zurzeit in der Votivkirche befinden und streiken. Was sagst du zu diesen TeilnehmerInnen, mit denen du am Ende gemeinsam auf der Rabenhofbühne gestanden bist?
Wir haben einander ja im Halbfinale kennen gelernt und einer der Refugees, der deren Lied geschrieben hat, hat zu mir nach dem Halbfinale gesagt, er wünscht sich, dass ich gewinne. Das war wirklich total lieb, du hast eh gesehen, wir sind dann gemeinsam auf der Bühne gewesen. Es ist klar, dass das zwei ganz verschiedene Situationen sind: Ich bin in der privilegierten Situation, denn das bin ich als Mensch hier in Österreich mit allen Sozialleistungen und der Infrastruktur. Und aus dieser privilegierten Situation heraus schreibe ich ein Lied, das ist musikalisch und textlich möglichst genau im Punkt. Das war auch der Grund, warum ich gewonnen habe, weil ich textlichen und musikalischen Anforderungen entsprochen habe. Bei den Flüchtlingen geht es um deren Existenz, das sind zwei verschiedene Ebenen und ich wünsche mir sehr, dass die Teilnahme an diesem Event, den Flüchtlingen auch wirklich etwas bringt. Ich habe mit gekriegt, dass das Anerkannt-Werden als Flüchtling nicht heißt, dass diese Menschen in einer beneidenswerten Situation sind. Bis sie einmal anerkannt werden, sind sie jahrelang zum Nichtstun, zum Warten verurteilt und das zermürbt die Menschen. Ich hatte in den Kursen Menschen mit tollen Ausbildungen, die aber jetzt irgendwelche Hilfsjobs machen und die schon völlig fertig sind, weil sie 5 oder 8 Jahre lang nichts machen durften. Ganz viel an wirklichem Potenzial geht Österreich verloren, durch die Art, wie mit den Leuten umgegangen wird. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die den Flüchtlingen nicht gönnen, am Leben erhalten zu werden. Das verstehe ich überhaupt nicht.

Also du bist schon eine Unterstützerin des Vienna Refugee Camps in der Votivkirche?
Ja. Ich weiß, das ist ein sehr, sehr komplexes Thema. Vor allem habe ich den Eindruck, dass auch Leute in den zuständigen Behörden nicht wissen, was es bedeutet, traumatisiert zu sein. Und wie traumatisierte Menschen reagieren, die oft gar nicht darüber reden können, wenn sie Schlimmes erlebt haben. Oder so monoton darüber reden, dass man glauben könnte, das belastet sie eh nicht. Wenn man sich vorstellt, dass jemand schreckliche Dinge erlebt hat und dann wieder und wieder traumatisiert wird, indem er in Flüchtlingslager kommt und in ständiger Ungewissheit lebt, anstatt aufgefangen zu werden. Wenn ich mich in die Lage der Flüchtlinge versetzte, vermute ich, dass das ganz viel Kraft braucht, so eine Situation zu überstehen und positiv aus so einer Situation heraus zu kommen.

Ich habe dich eben auch in einer anderen Rolle erlebt, du bist im Amerlinghaus mit dem roma.klang.theater aufgetreten. Was machst du da?
Ich bin beim Verein Exil, das ist eine Autorengruppe und ich wurde gebeten, bei der Performance des roma.klang.theaters mitzumachen. Dabei geht es um die Situation der Roma, historisch und in der heutigen Zeit in ganz Europa: Sie leben mitten in Europa z.T. wie in Slums und werden vor allem auch bedroht. Mein Teil bei dieser Aufführung ist, dass ich Texte von Roma-DichterInnen lese. Das sind sehr berührende Texte, sehr traurig z.T., da ist ein Text von Ceija Stojka dabei, das ist eine Frau, die drei Konzentrationslager überlebt hat und vor kurzem gestorben ist. Und zum Workshop gehört auch, dass Jugendlichen selbst einen Rap zum Thema entwickeln.

Live: Votivkirche, Rooseveltplatz 8, 1090 Wien, Sa 16.02.2013 (tba)

Foto Benedikta Manzano:  Benedikta Manzano
Foto Protest: chiligallei

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