“Wir alle haben eine Phobie gegen die klassische Pop-Form. Das eint uns” – Interview mit den Salzburgern Roia

Roia heißt das Generationen übergreifenden Pop-Projekt von Nina, Dorian, Paul und Sam aus Salzburg. Mit ihrer ersten Single “Suicide Butterly” schafften sie es auf Anhieb in die fm4-Rotation. Das war bereits vor mehr als einem halben Jahr. In der Zwischenzeit haben sie ihr hoffnungsvolles Debut-Album “Cute little Fear” fertig gestellt und befinden sich derzeit auf kleiner feiner Tour durch Österreich und Deutschland. Grund genug, einmal vor Ort in Salzburg nachzufragen, wie sich der plötzliche Ausverkauf von Konzertsälen so anfühlt.

Wir befinden uns in einem Studio, das ihr beide, Sam und Paul, betreibt, so viel ich weiß. Was wird hier alles produziert?
Paul: Im Mozartjahr waren wir eigentlich durchgehend mit Mozart-Projekten beschäftigt. Vor allem drei CDs, auf denen klassische Themen mit Loops vermischt werden, haben uns in Atem gehalten. Davon leben wir eigentlich. Jetzt gerade produzieren wir eine loungige Elektronik-Geschichte von Leuten, die zu uns kamen, weil sie Roia hörten und mochten. Sonst produzieren wir derzeit aber gar nichts, sondern konzentrieren uns voll auf die Band. Ende August haben wir unser erstes Probekonzert gegeben.

Wo fand das statt?
Sam: Im Freisitz in Hallein vor Bekannten.

Und damals hat schon alles funktioniert?
Sam: Gewisse Sachen gingen natürlich noch nicht so auf, aber das haben die meisten Zuhörer nicht so direkt mitgekriegt. Insgesamt war das Konzert schon ein Herantasten, insgesamt aber sehr lässig. Die wirkliche Feuertaufe fand dann wenig später im Sublime statt. Ein sehr schönes Konzert.
Paul: Mitte August haben wir uns für drei Tage durchgehend im Rockhouse zur Generalprobe eingemietet und auf der Bühne gemeinsam mit Licht und Visuals geprobt, damit wir ein Gefühl dafür kriegen, wie die optischen Effekte bestmöglich mit der Musik harmonieren.

Das alles klingt sehr aufwendig.
Sam: Schon. Wir haben live einen eigenen Lichttechniker, VJ und Tontchniker dabei. Auf der Bühne sind wir sieben Leute. Das heißt, insgesamt sind wir zu zehnt unterwegs. Von Infrastruktur und Logistik her ist das ein ziemlicher Aufwand.

Wie kann ich mir die mit Visuals angereicherte Show vorstellen? Psychedelisch?
Sam:
Leute beschreiben es teilweise so. Auf der Bühne klingt unsere Musik rauher, rotziger und viel tiefer als auf dem Album. In Kombination mit dem Licht und den Visuals kannst du richtig reinkippen.

Sind die Kosten für einen so großen Tross nicht beträchtlich?
Sam: Das kann man wohl so sagen.
Paul: Wir haben alle an der Produktion beteiligten Personen von vorneherein darauf vorbereitet haben, dass sich die Kosten im ersten Jahr zwar decken, aber keine großen Gewinne eingefahren werden, außer zu den Konzerten kommen wirklich viele Leute. Dann verdienen alle, da alle an den Konzerteinnahmen beteiligt sind. Kalkuliert haben wir also so, dass heuer niemand etwas drauf legen wird müssen. Rechnen wird sich das Ganze aber erst im kommenden Jahr. Damit waren alle einverstanden. Jeder, der etwas ähnliches schon einmal gemacht hat, weiß: das Ding kann erst langsam und allmählich ins Rollen kommen.
Nina: Alle, die mitmachen, investieren, weil es ihnen Spaß macht.
Dorian: Jeder ist dabei, weil das Projekt interessant ist.

Ziel ist aber schon, dass sich das Projekt einmal nicht nur selbst trägt, sondern auch Früchte abwirft?
Nina: Auf jeden Fall.
Paul: Etwas Selbstausbeuterisches kannst du auch nur eine gewisse Zeit und in einem gewissen Rahmen machen, sonst wird es zäh. Wenn man bedenkt, welchen Aufwand viele von uns hatten: Die halbe Truppe kommt aus Wien, unser Schlagzeuger aus Oberösterreich. Alle mussten sie zu insgesamt 103 Tagesproben hier vor Ort sein…
Sam: Alles gestandene Musiker.

Jeder, der auch nur eine minimale Ahnung vom Live-Geschäft hat, weiß, dass es schon einen enormen Kraftakt darstellt, soll sich eine Tour mit zehn aktiven MusikerInnen auf null ausgehen.
Paul:
Dadurch dass ich schon so lange im Geschäft bin, gibt es auch viele Gefallen, die ich im Zuge dieses Projektes Stück für Stück einfordere. Umgekehrt müssen Sam und ich zum Beispiel dafür, dass wir die Bühne im Rockhouse drei Tage lang bekamen, dort bald einen “Logic”-Workshop halten. Ein Gegengeschäft, das für alle Seiten gewinnbringend ist. Bei der PA verhält es sich ähnlich. Wenn ich all diese Leistungen branchenüblich kalkulieren müsste, dürfte ich mich keinen Meter aus Salzburg wegbewegen. Das kostet alles wirklich Geld. Von der Bühne bis zum Bus aus dem Bekanntenkreis.
Dorian: Das billig zu organisieren, bedeutete unheimlich viel Arbeit im Vorfeld.

Wer bei euch nimmt sich dieser Arbeit an? Und geschieht sie freiwillig oder bleibt sie wie so oft bei einem hängen?
Paul: Grundsätzlich erledigen das Sam und ich gemeinsam. Seit letztem Jahr macht Sam auch das Booking. Ich hab das zwar früher auch einmal gemacht, will aber nichts mehr damit zu tun haben. Das ist ja die wirkliche Knochenarbeit: Sich auf nichts hin Gigs zu checken, nur mit der Promo-CD im Gepäck. Dass wir es auf diese Art schafften, vierzehn oder fünfzehn Gigs in ganz Österreich zu bekommen spricht nicht nur für unsere Musik, sondern auch für Sams Durchhaltevermögen.

Wie kamt ihr dann im Konkreten zu den Gigs? Weil euch der Ruf vorauseilt, mit einer Nummer (“Suicide Butterfly”) auf fm4 gelaufen zu sein?
Paul: Das eigentlich weniger. Eher schon, weil “monkeymusic” und Walter Gröbchen ein Begriff sind und die Leute sich, wenn sie erfahren, dass beide beteiligt sind, die Musik wenigstens einmal anhören. Und wenn es so weit kam, dass sich jemand die Musik anhörte, hat es dann meistens auch mit dem Gig funktioniert. Freilich ist fm4 eine gute Plattform für uns, die meisten Leute aber wussten gar nicht, dass wir dort bereits Airplay hatten.

Wie habt ihr es dann geschafft, dass die Rote Bar im Volkstheater randvoll war, als ihr eure CD präsentiertet?
Sam: Unser Auftritt fand während der langen Nacht der Musik statt, die vorher entsprechend beworben wurde. Selbst haben wir natürlich auch viele Leute angerufen, angemailt und sonstigen Radau gemacht. Monkeymusic hat natürlich auch seinen entsprechenden Teil dazu beigetragen. Das mit dem vollen Haus war ja auch nicht immer so. Im Sublime etwa war der Saal nur zur Hälfte ausverkauft. Wir sind uns dessen schon bewusst, dass wir bei null anfangen. Und wenn nur 25 oder 30 Leute kommen, ist uns das auch egal. Wir spielen, um die Gekommenen zu überzeugen und bisher, denke ich, ist uns das auch gelungen.

Wie war das Feedback in Wien?
Sam: Sehr gut. Insgesamt war das der denkbar bestmögliche Einstieg für uns. Die Location passte wie angegossen und dafür, dass es erst unser drittes offizielles Konzert war, lief alles perfekt.
Nina: Man konnte es den Leuten in den vorderen Reihen richtig ansehen, wie es sie mitriss.
Paul: Eine unserer internen Vorgaben für die Live-Umsetzung unseres Sounds lautete, dass die Dynamik weiter in den Vordergrund rückt und auch die Zeit eine stärkere Rolle spielt. Gerade zeitlich ist man auf CD sehr limitiert. Live spielen wir auch fünf ganz neue Nummern – böse und schöne Sachen gleichermaßen – die schon von sich aus mehr in diese Richtung gehen. Das harmoniert sehr gut.

Von der nächsten CD, die ihr – wie ich schon gehört habe – fertig habt, obschon doch gerade erst euer Debut erschien?
Nina: Ganz fertig ist sie natürlich noch nicht.
Sam: Aber die Grundbausteine sind da. Das Material liegt zum Großteil auf dem Tisch.
Paul: Im Prinzip aber hast Du recht. Eigentlich sind wir mit dem Kopf schon bei der nächsten Platte, die vom Arrangement und der Grundstimmung her um einiges tiefer wird.

Was meinst Du mit tiefer?
Dorian:
Dunkler.
Paul: Der Live-Prozess beeinflusst die gesamte Soundästhetik: Die Arrangements werden klarer, Samples und Bässe dominanter. Live geht das Ganze mehr in Richtung Drum&Bass.
Dorian: Drum&Bass im Sinne von Drums und Bass.

Ist es nicht ungemein schwierig, derart ruhige, intensive Musik live umzusetzen?
Paul:
Doch. Eben weil die Zeitabläufe live einfach völlig andere sind. Manche Dinge muss man dehnen, sonst hat man nach drei Songs das Gefühl, da würde nichts anderes gemacht, als die Nummern eine nach der anderen runter zu spielen. Andererseits muss man hie und da das Tempo auch wieder anziehen, um nicht zu langweilen.
Sam: Die meisten Leute können sich das vorweg nicht vorstellen.
Dorian: Aber festhalten muss man schon, dass die Live-Umsetzung sich natürlich trotzdem am Album orientiert. Es ist anders, aber nichts komplett Anderes.

Musik, wie ihr sie macht, erweckt immer den Eindruck als müsse sie perfekt produziert sein, um zu wirken. Live kann es dann nicht mehr perfekt produziert sein. Worum geht es dann? Um die perfekte Inszenierung?
Paul: Live geht es darum, das spezielle Idiom zu finden. Und dieses ist bei uns halt sehr Sample-orientiert. Auf der Platte haben wir teilweise fünf, sechs Loops. Das musst du jetzt so vereinfachen, dass es auf der Bühne spielbar ist und dennoch den Charakter bewahrt, den es auf Platte hatte. Durch die Vereinfachung ergibt sich Klarheit und Druck. Auch dass der Bass plötzlich gespielt wird, sorgt für zusätzliches Fundament.
Sam: Wien war der Knackpunkt. Vorher wussten wir ein ums andere Mal nicht, ob die Show tatsächlich funktionieren wird. Bevor wir in Wien raus gingen, war uns zum ersten Mal wirklich klar, dass es funktioniert.
Paul: Wichtig ist natürlich auch, dass bei uns wirklich nur Leute auf der Bühne stehen, die wirklich spielen können.

Habt ihr schon einmal an eine DVD gedacht,, um diese spezielle visuelle Komponente perfekt zu vermitteln?
Sam: Das würde uns allen riesigen Spaß machen, ist aber noch zu bald.
Paul: Für solch eine Produktion liegen die Ansprüche gewaltig hoch. Da muss man wirklich überzeugend und stark sein. Das dauert wohl noch eine Zeit lang.
Dorian: Wir befinden uns ja noch immer in einer Art Probezeit.
Paul: Nächstes Jahr wollen wir auf Festivals spielen. Wir hatten heuer schon ein, zwei Anfragen, aber das wäre eindeutig noch zu früh gewesen.

Welche Festivals habt ihr da anvisiert?
Paul: Forestglade zum Beispiel

Forestglade? Passt das zu eurer Musik?
Sam:
Warum nicht? Letztes Jahr sollten die Sofa Surfers und Mauracher dort spielen.
Paul: Finanziell sind Festivals einfach attraktiver. Der ganze PA-Krempel ist schon vor Ort, der logistische Aufwand ist daher um ein Vielfaches kleiner, was sich direkt auf deine Verdienstmöglichkeiten auswirkt.
Sam: An Gigs wäre sicher noch mehr gegangen, aber wir sind zehn Leute und es kostet einigen Aufwand, das zu organisieren.

Wie lief es in Kärnten und im Burgenland?
Paul:
Wenn von fünfzig zahlenden Gästen sieben nach dem Konzert eine CD kaufen, dann werte ich das als großen Erfolg.

Braucht ihr live nicht eine gewisse Bühnen-Größe, damit die Umsetzung klappt?
Paul: Am Anfang hatten wir bei ganz kleinen Clubs Bedenken, im Endeffekt war das kein Thema. In kleinen Sälen ist die Projektion dann eben kleiner. Außerdem verfügen wir über einen exzellenten Sound-Mann, der sich dementsprechend einstellen kann.
Dorian: Die kleinen Gigs haben wir jetzt erst mal hinter uns. Aber die Erfahrung, auf kleinen Bühnen Erfahrung zu sammeln, war ungemein wichtig.

Habt ihr schon einmal an eine abgespeckte Version gedacht, um Kosten zu sparen? In der Form, dass Nina und Dorian mit drittem Mand, der für den Elektronik-Sound zuständig ist, kleinere Clubs besielen?
Sam: Überlegt schon. So etwas finden wir allerdings irrsinnig unsexy. Wir wollen die beiden auf keinen Fall auf solche Art und Weise verheizen. Deshalb haben wir den schwierigeren Weg gewählt.
Paul: Das Geld-Thema ist derzeit ein Nullthema. Wir kommen über die Runde und setzen auf nächstes Jahr.
Sam: So überheblich das auch klingen mag: Drei, vier Jahre lang Club-Touren zu spielen, läuft sich irgendwann einmal tot. Wir müssen schauen, dass wir einen Kanal ins Ausland bekommen. Daran arbeiten wir. Deutschland, Skandinavien, Frankreich – das sind die Märkte, die es zu erobern gilt.
Paul: Das ist einzig eine Frage der Kontakte.

Habt ihr ein Problem damit, dass düsterer, songorientierter Elektronik, so wie ihr sie macht, oft das Trip Hop-Stigma anhaftet? Oder anders gefragt: Seid ihr von den Medien schon ein bisschen in diese Schublade gesteckt worden?
Dorian:
Es kamen ab und zu Vergleiche in diese Richtung. Aber nicht dass uns das in irgendeiner Art und Weise beeinflusst hätte.
Paul: Vergleiche kommen immer, egal was du machst. Die, die bisher kamen, ehren uns aber.
Paul: Das waren alles Bands, die uns unglaublich gut gefallen.
Sam: Ob das jetzt Massive Attack, Portishead, Sneaker Pimps oder Lamb waren. Das sind alles Bands, vor denen wir großen Respekt haben.

Die genannten vier zumindest liegen mehr oder weniger auf der Hand.
Sam: Es kamen schon auch Vergleiche, die nicht so nahe liegen: Madonna zum Beispiel, wobei explizit nicht die neuen Produktionen, sondern die Ästhetik von “Ray of Light” gemeint war. Oder auch Talk Talk und die Cocteau Twins. Die hätte ich allesamt nicht unbedingt aus unserer Musik raus gehört. Aber wenn die Zuhörer derart verschiedene Assoziationen haben, ist das doch toll. Auch die bisherigen Rezensionen aus Deutschland und Österreich waren allesamt gut.

In welchen Magazinen wart ihr da vertreten?
Sam: In Deutschland in einem Magazin namens “Sonic Seducer” aus der Gothic-Ecke. Faszinierend, dass wir auch dort ankommen. Darüber hinaus in “Beam me Up”, “Raveline” im Elektro-,Technobereich und im Live-Magazine. In Österreich im Now!. Da kam auch der Vergleich zu Massive Attack.
Paul: Jedenfalls war das alles viel zu gut. Wir warten auf die erste wirkliche Vernichtung.

Liegt sie in der Luft?
Paul: Absolut.
Sam: Manchen Journalisten – da kann man jetzt schon davon ausgehen – wird unsere Musik nicht gefallen. Ich denke da etwa an den Verriss des wirklich guten Zeebee-Albums im Standard. Da wir musikalisch in eine ähnliche Richtung gehen, würde uns, käme jemand vom Standard zu einem unserer Konzerte, wohl eine ähnliche Hinrichtung blühen.
Paul: Das lässt sich so oder so nicht beeinflussen.

Schlägt sich diese generell positive mediale Resonanz denn auch in den Verkaufszahlen nieder?
Paul: “Cute little fear” steht erst seit Montag in den Läden. Aber wir sind guter Hoffnung. Zumindest haben wir das Gefühl, dass die von unserer Plattenfirma beauftragten Promo-Leute wirklich gute, ambitionierte Arbeit abliefern. Es kommen ständig Berichte, wo das Album überall platziert wurde, welche Resonanz es gab udgl mehr.

Wie heißt die Agentur?
Sam: Chateau de Pop in Hamburg

Und die wurde von monkeymusic beauftragt?
Sam:
Genau.

Wird ein solcher Promo-Kraftakt mit dem Verkauf gegengerechnet?
Paul:Nicht dass ich wüsste. Das wurde uns von monkeymusic zumindest immerwieder versichert. Wir sind Band, Booker, Produzenten. Promo undVertrieb muss ganz einfach woanders liegen. Wenn wir uns darum auchnoch kümmern müssten…

Klingt alles in allem nach einer harmonischen Zusammenarbeit?
Paul:
Auf jeden Fall

Und produktionstechnisch wollte niemand mitreden?
Paul:Nein, im Gegenteil. Seitens monkeymusic kam eigentlich immer wieder dieOrder, wir sollten uns mit dem Album wirklich Zeit lassen.

Also keine kommerziell gepolte Vorstellung, wie gewisse Dinge zu klingen hätten?
Paul:Nein, ganz im Gegenteil. Wir sollten das machen, wonach uns ist und unsso wenig wie möglich um irgendwelche Konventionen kümmern, meinteWalter Gröbchen. “Ihr könnt ruhig noch ärger werden. Spinnts euch aus.”Das haben wir beherzigt. Insofern haben wir es mit unserem eigenenStudio natürlich auch recht einfach. Wenn uns etwa nicht gefällt, dannschmeißen wir es einfach weg. Im musikalischen Prozess sollte man sichnicht beirren lassen. Durch nichts und niemanden. Sobald aber Einflüssevon außen kommen, beginnt sich das Rad zu drehen und man muss daraufachten, das der Wahnsinn nicht Überhand nimmt.

Inwiefern?
Paul: Es kommen dauernd Leute auf dich zu, die deine Musik loben. Das darf dich zwar freuen, mehr aber nicht.
Nina:Seit wir mit dem Album draußen sind und touren, sehen wir uns mit einervöllig neuen Realität konfrontiert. Nach Jahren in stillerZurückgezogenheit geht es jetzt auf einmal voll los. Es kommt zumersten mal direktes und unmittelbares Feeedback. Die Situation ist füruns einfach noch ungewohnt. Daran müssen wir uns erst gewöhnen.
Paul:Du must dann auch aus heiterem Himmel von Kreation auf Verwaltungumstellen. Da kommt irrsinnig viel Arbeit auf dich zu, sobald das Dingzu greifen beginnt.

Und die wird von Tag zu Tag mehr. Wie wollt ihr diese Band-Arbeit künftig bewerkstelligen?
Sam:Bis dato war die Eigenmotivation so hoch, dass wir das alle gerngemacht haben. Derzeit ist es uns auch lieber, dass wir es selbstmachen. Ich glaube auch, dass es in diesem Stadium verfrüht wäre, dasauszulagern. Nur, wenn es mehr wird, und das wird hoffentlich der Fallsein, wird uns irgendwann die Energie ausgehen und dann muss jemand ausdeinem Umfeld einspringen.

Vergangene Woche hatte ichGelegenheit, Wolfgang Descho zu interviewen. Der sagte, das größteManko in Salzburg sei der eklatante Mangel an professionellemManagement.
Paul: Das ist nur logisch

Meinst Du nach dem Henne-Ei-Prinzip?
Paul:So in etwa. Welche Booking-Agentur losste einen wirtschaftlichen Grundhaben, Roia ins Programm zu nehmen? Roia lässt sich nicht über eineAgentur verkaufen, weil das Ding einfach noch keinen Preis hat. Wiesoalso sollte eine Agentur hier Aufbauarbeit leisten? So funktioniert daseinfach nicht. Noch jede Agentur sagte uns auf den Kopf zu: “Kommtwieder, wenn das Ding eine gewisse Größe hat.” Da musst du, wenn dieMusik machst, die wir machen, einfach durch. Mittlerweile ist diegesamte österreichische Veranstaltungsszene ist in unserem Computer undin Sam abgespeichert.

Als Band habt ihr eine sehrungewöhnliche Konstellation. Es kommt wohl nicht so oft vor dass sichCousine uns Cousin musikalisch finden und dann mit dem Herrn Papa unddessen Studiopartner eine Band gründen.
Nina: Dass sie das ungewöhnlich finden, haben uns schon einige gesagt.
Dorian: Für uns ist das kein Thema, für andere schon.

Seinen Anfang nahm das Familienprojekt, indem ihr beide, Nina und Dorian.Gemeinsam begannt, Songs zu schreiben. Entstehen die Lieder immer nochso?

Dorian: Zum Teil schon. Mittlerweileteilt sich aber generell zu ziemlich gleichen Teilen auf uns vier auf.Jeder bringt Ideen auf den Tisch und die werden dann diskutiert,probiert.
Nina: Oft arbeiten wir auch parallel an verschiedenen Songs.
Dorian: Und wenn etwas dabei entstanden ist, wird der Baustein weiter gereicht.
Sam:Die Auseinandersetzung mit dem Material ist dann oft eine sehrkritische. Da schenken wir uns gegenseitig nichts. Was bei uns anSpuren im Abfalleimer landet, ist der pure Wahnsinn
Paul: Manchmal tut´s schon weh, wie wenig wir uns schenken. In dieser Vehemenz hab ich das in noch keiner anderen Band erlebt.

Worum geht’s in der Kritik?
Nina: Schlicht alles: Form, Gesang, Arrangement, Instrumentierung…

Form?
Paul:Was genau wann passiert, wie sich die Geschichte entwickelt. Wir habenalle eine Phobie gegen die klassische Pop-Form. Das eint uns. Hie undda taucht er dann aber im versteckten Gewande auf: der Pop.
Dorian:Das ist die große Widersprüchlichkeit, in der wir leben. Trotzdemstehen wir nämlich alle ungemein drauf, Songs zu machen. Wir komme zwarhierher ins Studio , um Pop-Songs zu machen. Irgendwie widerstrebt unsdabei allen gemeinsam jegliches Schema.

Und was kommtdabei raus? Sperrige Pop-Songs? Das heißt Pop-Songs mit einer gewissenLänge und Wiedererkennungswert, aber ohne die klassische Abfolge vonStrophe und Refrain?
Paul: Richtig.

Oft kommt man aber doch dort hin, ohne es zu wollen?
Paul: Ich glaube, anfänglich will jeder von uns einen Song machen.

Mirkamen manche eure Titel mitunter sehr szenisch, dramatisch aufgeladenvor. Ich möchte den Begriff “opernmäßig” aussparen. Würde es euchinteressieren, ein solches Werk im engeren Sinne zu machen?
Paul:
Die Idee, ein Konzeptalbum zu machen geistert schon lange in unseren Köpfen herum.

“Cute little fear”, das Debut-Album von Roia ist soeben auf monkeymusic erschienen.