„Ich will eine Band nicht größer und fetter machen, als sie ist, sondern das einfangen, was sie ist.“ – THOMAS PRONAI im mica-Porträt

ERNST MOLDEN, WILLI RESETARITS, DER NINO AUS WIEN und THOMAS ANDREAS BECK sind nur einige der namhaften österreichischen Künstler, die in den letzten Jahren THOMAS PRONAIS Dienste als Produzent in Anspruch genommen haben. Dem Burgenländer, der nun schon seit Jahren in der Osliper CSELLEY MÜHLE sein Studio betreibt und mit seiner analogen Arbeitstechnik bislang erfolgreich dem digitalen Zeitalter trotzt, war schon früh klar, welchen Weg er einmal einschlagen will. Musik sollte für ihn nicht nur Hobby sein, sondern Beruf. Diesen Wunsch hat er als Produzent, Musiker, Netzwerker und neuerdings als Veranstalter auch verwirklicht.

Ich als gebürtiger Eisenstädter habe Thomas Pronai, der in etwa in meinem Alter ist und mit dem ich in dieselbe Schule gegangen bin, schon früh mit Musik in Verbindung gebracht. Man hörte die Geschichten von Konzerten, die er im Keller seines Hauses gespielt und veranstaltet hat, man wusste, dass er Schlagzeuger in einer Metalband war, und ordnete ihm zu, dass er sich in Sachen Musik auskennt. Egal was in Eisenstadt musikalisch los war, man hatte das Gefühl, dass er immer irgendwie die Finger mit im Spiel hatte. Live für mich erstmals richtig sichtbar wurde Thomas Pronai bei einem sommerlichen Konzert, welches Mitte der 1990er-Jahre unter dem Dach der riesigen Haupttribüne des mittlerweile abgerissenen Lindenstadions in Eisenstadt stattfand. Aus welchem Anlass das Konzert gerade dort stattfand und welche Bands an diesem Abend sonst noch gespielt haben, daran kann ich nicht mehr erinnern, einzig die Musik und die Besetzung einer Band sind mir in Erinnerung geblieben: die von Brackish Gargle. Die Truppe war laut, wild, schräg und hatte etwas von Faith No More, die damals sehr populär waren und von allen, die irgendwie auf einen härteren Klang abfuhren, gehört wurden.

David Kleinl / Brackish Gargle (c) Thomas Pronai

Brackish Gargle

An Brackish Gargle beteiligt waren neben Thomas Pronai auch David Kleinl, Robert „Pinzo“ Pinzolits und Christian „Juro“ Jurasovich. Alles Leute, die in den folgenden Jahren mit anderen Projekten österreichweit und auch international für Aufsehen sorgen konnten, wie beispielsweise Sänger David Kleinl als exzentrischer Frontmann der legendären Band Tanz Baby! und Mitglied der experimentellen Noise-Rock-Band Charmant Rouge, der auch Robert Pinzolits, der wiederum Gründer des Labels „Karate Joe Records“ war, und Thomas Pronai angehörten. Christian Jurasovich konnte sich mit Mimi Secue einen Namen machen. Aktuell ist er dabei, sich mit seiner Indie-Shoegaze-Postrock-Truppe Drive Moya zu etablieren.

Brackish Gargle war quasi das erste ernstzunehmende Musikprojekt von Thomas Pronai. „Vorher hatte ich schon eine Metalband [Oberberg; Anm.]. Das war auch lustig, aber es ist mehr darum gegangen, im Proberaum zu stehen und Riffs einzutrainieren. Aber mit David, Pinzo und Juro war es wirklich so, dass wir einzig dafür im Proberaum standen, um Musik zu machen und Konzerte zu spielen. Das war das Wichtigste.“  Verstand er sich damals auch als eine Art Motor für die lokale Szene? „Die Bezeichnung Motor ist vielleicht gar nicht einmal so unpassend. Es war mir immer wichtig, etwas voranzutreiben. David, Pinzo und Juro waren alle jünger als ich. Sie mussten sich erst trauen, mich zu fragen, ob ich nicht etwas mit ihnen machen will. Da habe ich mich schon etwas geehrt gefühlt. Ich habe mich auf jeden Fall immer sehr gefreut, weil ich mit Leuten Musik machen konnte, die etwas schaffen wollten.“

Oberberg (c) Thomas Pronai

Musik oder Fußball?

Der Weg hin zum Musiker war für den 1975 in Eisenstadt geborenen Thomas Pronai im Grunde genommen ein klassischer. Mit sechs lernte er Blockflöte. Zwei Jahre später musste er sich für ein nächstes Instrument entscheiden. „Da hat für mich die Qual eigentlich schon angefangen. Ich habe begonnen, Klavier zu lernen, aber nach einem Jahr wieder damit aufgehört.“ Dann passierte eine Weile einmal nichts, weil der Fußball mehr in den Mittelpunkt gerückt ist. „Ich war als Tormann quasi mit einem Fuß schon im Spitzensport. Nur habe ich auch da schnell gemerkt, dass mir das nicht taugt.“ Es war letztlich dann doch die Begeisterung für Musik, die das Rennen machte, auch, weil diese „dann doch noch ein bissl freier war und ich mich damit einfach wohler gefühlt habe. Ab dann habe ich geschaut, dass ich das mache, was mir taugt“. Und das war zunächst Schlagzeugspielen und auch zunehmend das Aufnehmen von Musik. So entstanden schon bald erste Kassettenaufnahmen von Brackish Gargle. Zunächst noch in Wien in einem Studio, später dann in Eigenregie auf einem Achtspur-Rekorder.

Berufswunsch Musikproduzent

Mit der Zeit reifte in ihm schließlich mehr und mehr der Berufswunsch Produzent und Tontechniker heran. Er entschloss sich, nach Wien an das SAE Institute zu gehen, um dort die notwendige Ausbildung zu absolvieren. In Wien selbst ist er dabei aber nie wirklich heimisch geworden, weshalb es für ihn auch nie wirklich infrage kam, dort seinen Weg zu versuchen. „Ich habe mich in der Großstadt eigentlich immer etwas verloren gefühlt, wobei ich einige Aspekte einer solchen natürlich cool finde. Aber ich habe nie gewusst, wie ich es angehen sollte, mir dort ein Studio aufzubauen.“ Im Burgenland habe er immer das Glück gehabt, dass sich die Sachen irgendwie ergeben haben und leistbare Räume zur Verfügung gestanden sind. Speziell in der Cselley Mühle in Oslip. „Hier in der Mühle war es immer cool, weil es immer viel Platz gab. Und die Leute, die hergekommen sind, waren auch immer begeistert.“ Die ersten Schritte in seiner Tätigkeit als Produzent geschahen noch in eher DIY-Manier. „Ich habe am Anfang viele Räume genutzt und hatte immer lange Kabel dabei, die ich von einem in den anderen Raum gelegt habe. Mein Regieraum war ein kleines Wäschekammerl.“ Rückblickend, meint er, habe sich daran in den letzten 20 Jahren im Grunde genommen auch nicht sehr viel verändert.

Kurz nach dem Abschluss der Ausbildung standen auch schon die ersten Jobs an. Unter anderem war er beim BKF, dem Burgenländischen Kabelfernsehen, tätig, wo er einem ehemaligen Bandkollegen meines Vaters, der dort Tontechniker war, über die Schulter schaute. Dort ist er auch erstmals mit digitalen Programmen in Kontakt gekommen. Gleichzeitig wurde er in der Cselley Mühle zuerst Haustechniker, später Live-Techniker.

Bild Thomas Pronai
Thomas Pronai (c) Reinhard Gombas

Was folgte, war eine Reihe anderer Technikerjobs, die er aber alles andere als erfüllend empfand. „Ich habe geschaut, dass ich dort so schnell wie möglich rauskomme und selber Platten aufnehme.“ Von da an sei es dann eigentlich recht schnell gegangen, wie er meint. Irgendwann standen im eigenen Studio dann Produktionen für Bands wie Garish und Mimi Secue an, mit deren Ergebnissen er auch heute noch sehr zufrieden ist. „Ich würde sagen, dass wir für damalige Verhältnisse soundmäßig wirklich gut gearbeitet haben.“

War es eigentlich schwer, als No-Name in Österreich als Produzent Fuß zu fassen? „Es gab Ende der 1990er-Jahre bzw. Anfang der Nullerjahre eine Zeit, in der nicht wenige meinten, dass es in Österreich keine gescheiten Produktionen gibt. Viele haben sich damals darauf versteift, einen knackigen, fetten Sound zu produzieren, was ihnen aber nicht gelungen ist. Ganz allein aus dem Grund, weil ihre Vorbilder aus Amerika mit einem Equipment gearbeitet haben, das bei uns niemand gehabt hat.“ Abgesehen von einigen Austropop-Produktionen, die in modernen Studios entstanden und seiner Meinung nach „amtlich“ waren, wurde eigentlich selten eine hohe Qualität erreicht. Vor allem nicht im Indiebereich. Da hat man sich solche Produktionen schlicht und einfach nicht leisten können. Seine Vorstellung war, nicht zu viel zu wollen, sondern zu versuchen, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln, einen Sound hinzubekommen, der der Band ansteht. „Ich will eine Band nicht größer und fetter machen, als sie ist, sondern das einfangen, was sie ist.“

Bewegte Zeit

Neben seiner beginnenden Tätigkeit als Produzent war Thomas Pronai aber auch weiterhin musikalisch unterwegs. Unter anderem mit der Beautiful Kantine Band. Die Zeit erscheint in der Nachbetrachtung aber als eine, in der die österreichische Musikszene in einer Art Dornröschenschlaf befand. Zumindest wirkte es so, als würden internationale Acts das Geschehen dominieren. Dem pflichtet Thomas Pronai nicht bei. „Es war natürlich anders als jetzt. Ich würde aber sagen, dass es damals für Bands aus Österreich leichter war, Konzerte zu bekommen als heute.“ Durch den Erfolg von Bands wie zum Beispiel Wanda und Bilderbuch habe ein Wandel stattgefunden. Es sei alles plötzlich sehr professionell geworden, was es für Undergroundbands schwieriger mache, an Konzerte zu kommen. Die Veranstalter würden die großen Konzerte mit Eventcharakter wollen, was den finanziellen Rahmen für kleine Konzerte wiederum einschränke. Zudem seien immer mehr kleine Vereine verschwunden, die immer wieder die Orte für die Bildung von Szenen gewesen seien. Und auch das Publikum habe sich verändert. Viele würden jetzt zu den Großen gehen, das Interesse an neuen jungen Bands habe einfach nachgelassen. „Man bekommt gesagt, dass man das und das sehen muss, und alles, was man nicht sehen muss, bekommt man nicht mehr mit. Früher hat es mehrere Szenen gegeben, die sich für die Bands interessiert haben.“

So gesehen erlebte Thomas Pronai die Jahre um die 2000er für sich wie auch für die österreichische Musikszene als eine sehr bewegte Zeit. „Man denke nur an Bands wie Velojet, Garish, Zeronic oder Wedekind, da ist das Ganze losgegangen.“ Er selber habe mit der Beautiful Kantine Band knapp hundert Konzerte pro Jahr gespielt. Das wäre heute nicht mehr möglich. Aber allzu schwarzmalen will der Burgenländer dann auch nicht. Es gebe immer noch Wege und Möglichkeiten. Durch Festivals wie das Popfest in Wien habe sich der Scheinwerfer dann doch wieder etwas mehr auf die österreichische Musikszene als Ganzes gerichtet. Und auch der Kulturverein und das Label Medienmanufaktur, mit dem er in den letzten Jahren über seine Zusammenarbeit mit Ernst Molden in Kontakt gekommen sei, leiste hier hervorragende Arbeit. „Die Medienmanufaktur versucht, abseits der normalen Musikindustriewege Alternativen für Musikerinnen und Musik bzw. für Veranstalterinnen und Veranstalter zu finden. Da wird wirklich geschaut, was man machen kann, dass die Musik auch überall hinkommt. Das ist cool.“

Bild Thomas Pronai & Thomas Andreas
Thomas Pronai & Thomas Andreas Beck (c) Walter Mussil

Der analoge Weg

Wie ist Thomas Pronai eigentlich auf die Idee gekommen, die Alben analog zu produzieren? Es war auf jeden Fall ein längerer Prozess. Nach den intensiven Kantine-Jahren, in denen er viel unterwegs war und die in der Auflösung der Band mündeten, war erst einmal eine Auszeit von der Musik und somit auch von der Produzententätigkeit angesagt. Thomas Pronai ging für zwei Jahre lang, einem „normalen Job“ nach, wie er sagt: „Ich führte für einen Bäcker in der Nacht die Brote aus.“ Aber das Kapitel Musik war für ihn natürlich nicht beendet. „In der Zeit habe ich dann begonnen, mein Studio wieder einzurichten, und mir auch die Sachen, die ich bis dahin gemacht habe, durchgehört. Ich habe zunächst zwar wieder begonnen, digital zu arbeiten, habe aber gemerkt, dass ich recht schnell den Faden verliere. Als ich mit dem Studio begonnen habe, hat es die Digitaltechnik in der Form wie heute noch nicht gegeben. Dann habe ich mich aber sukzessive auf den Computer eingeschossen, weil es eben verlangt war.“ Er habe aber schnell gemerkt, dass er sich dauernd in diesem Wirrwarr an Möglichkeiten, die ihm die neuen Technologien geboten hätten, verlaufen habe, und habe sich daher entschieden, den Prozess zu vereinfachen. „Ich habe diese alte Bandmaschine vom Dachboden heruntergeholt, mit der ich meine allerersten Aufnahmen gemacht habe. Und siehe da, es hat genauso gut funktioniert wie mit dem Computer.“

Vorerst produzierte Thomas Pronai aber weiterhin noch eine Zeit lang digital. Wie etwa Hubert Weinheimer und seine Band Das Trojanische Pferd. Dieser aber empfahl daraufhin die Dienste des Burgenländers Ernst Molden weiter und schwärmte diesem vor, wie schön es in Oslip sei und wie easy dort alles ablaufe. Und wie es der Zufall so wollte, hatte der Wiener Liedermacher vor, sein neues Album analog aufzunehmen. Thomas Pronai besorgte sich hierzu eine zweite Bandmaschine für den Mix und legte mit Ernst Molden los. „A so a scheena Dog“ war somit das erste vollanalog produzierte Album des Burgenländers. „Das war die Initialzündung für mich. Ich wusste ja schon lange, dass analog der Weg ist, den ich gehen möchte. Mit diesem Album war es dann vollbracht.“ Die Entscheidung, diesen Weg einzuschlagen, erwies sich rückblickend als goldrichtig. Sein Studio in der Osliper Cselley Mühle sollte in den darauffolgenden Jahren neben Ernst Molden unter anderem auch andere österreichische Größen wie Willi Resetarits, Marlene Lacherstorfer, Der Nino Aus Wien, Anna Mabo und Thomas Andreas Beck anlocken. Auch die Alben seiner eigenen Bandprojekte Bo Candy & His Broken Hearts und neuerdings The New Mourning sind dort entstanden.

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The New Mourning

Apropos eigene Bands. Welche Bedeutung haben diese für Thomas Pronai? Steckt er in seine eigene Musik immer noch so viel Herzblut hinein wie früher? Oder laufen die Bands mittlerweile nebenher? „Alles, was ich mache, mache ich mit voller Begeisterung. Wenn ich merke, dass mir etwas keinen Spaß macht, lasse ich es.“ Bo Candy & His Broken Hearts habe ihm zwar lange sehr viel Spaß gemacht, nur habe sich die Band irgendwann einmal in einer Einbahnstraße befunden. Das Interesse an der Band sei überschaubar gewesen und Konzerte habe man auch keine mehr bekommen. „Wenn du mal nach Graz fährst und vor fünf Leuten spielst, hört sich der Spaß dann auch einmal auf. Wobei die Musik zu spielen schon immer cool war.“ Obwohl es mit Bo Candy & His Broken Hearts eigentlich super begonnen habe, sei die Kurve dann irgendwann einmal steil bergab gegangen. „Ich bin ja auch ein Songwriter und schreibe Songs. Und die will ich dann auch irgendwo spielen können. Daher suche ich mir immer andere Möglichkeiten.“ So sei Bo Candy & His Broken Hearts dann in die aktuelle Band The New Mourning übergegangen. Es seien einige alte Lieder übernommen und neu arrangiert worden und andere neu geschrieben worden. „Es ist bei mir jetzt nicht so, dass ich das eine von einen auf den anderen Tag abbreche und etwas komplett Neues mache, sondern ich suche mir Wege, wie mir etwas wieder taugt. Und The New Mourning ist so ein neuer Weg.“

Neue Rolle als Veranstalter

Auch in einem anderen Bereich hat sich Thomas Pronai ein neues Betätigungsfeld eröffnet. Mit dem Ziel, in der Region mehr Livemusik stattfinden zu lassen, ist er nun auch unter die Konzertveranstalter gegangen. Seit etwa zwei Jahren veranstaltet er im Eisenstädter Lokal FreuRaum eine Konzertreihe mit Acts aus Österreich.  „Ich versuche, den Eisenstädter Raum endlich dorthin zu holen, wo auch schon andere Landeshauptstädte sind.“ Bislang fand dort diesbezüglich wenig bis gar nichts statt. Auf jeden Fall ein ambitioniertes Projekt, das aber beginnt, zu gedeihen. „Im FreuRaum funktioniert das jetzt auch schon langsam.“ Interessant ist aber, dass die meisten Konzertbesucherinnen und -besucher immer noch von woanders kommen. Einheimische finden noch eher selten den Weg zu den Konzerten, aber das ändert sich hoffentlich. Der nächste Schritt soll auf jeden Fall die Ausweiterung der Konzertreihe in die Cselley Mühle sein, wobei hier noch einige Fragen zu klären sind. Man darf gespannt sein.

Michael Ternai

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Links:
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The New Mourning (Facebook)