Der Schlagzeuger CHRISTIAN MÜHLBACHER ist Musiker, Komponist und Pädagoge. Im Dezember 2016 hat er die ersten 30 Jahre seines Projektes NOUVELLE CUISINE mit einem Konzert in der SARGFABRIK gefeiert. Am 5. April 2017 steht das nächste Jubiläum an: Auf den Tag genau 20 Jahre zuvor gab es im PORGY & BESS zum ersten Mal das Projekt 5.4. – jetzt MÜHLBACHER USW. Im Gespräch mit Jürgen Plank erzählte CHRISTIAN MÜHLBACHER von seinen Musikprojekten NOUVELLE CUISINE und PRO BRASS und davon, was er für das Jubiläumskonzert plant.
Heuer feiern Sie ein rundes Jubiläum: 20 Jahre 5.4. Welches Konzept steckt hinter diesem Projekt?
Christian Mühlbacher: Es ist ein recht ungewöhnliches Konzept: Für den 5. 4. 1997 wurde ich eingeladen, fernab von Nouvelle Cuisine im Porgy & Bess ein eigenes Projekt zu machen. Eine Art Porträt bzw. was auch immer mir einfällt. Da habe ich einige Leute eingeladen, mit mir zu spielen. Und das Grundkonzept war, dass es ein ganzer Abend ohne Unterbrechung ist. Ohne Applaus, ohne Zwischentexte. Ein Abend als gesamtes Erlebnis, das war mein Plan. Und mich hat die Entwicklung der Zeit sehr interessiert. Man beginnt ein Konzert und zwei Stunden später ist es aus: Was tut sich über diese lange Strecke? Das war für mich spannend. Der Abend war ein schöner Erfolg und so haben wir gesagt: „Dann machen wir das 1998 wieder.“
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Danach haben Sie mehrere Jahre hindurch immer wieder am 5. April im Porgy & Bess gespielt.
Christian Mühlbacher: Ja, ich habe das jedes Jahr dokumentiert, gepflegt und auf Scheibe gepresst. Die CDs sind alle so weit mit Musik gefüllt, wie es das Medium gerade erlaubt hat. Mir war wichtig, dass da immer komplett neue Sachen entstehen. Jahr für Jahr wurde ein komplett neues Programm erarbeitet. Es sind immer Leute dazugekommen oder ich habe den Fokus auf ein Instrument gelegt, beim allerersten Auftritt am 5. April war es die Kontrabass-Klarinette. Und es gab auch Alphörner. Das lief zehn Jahre lang so, es hat viel Kraft und Geld gekostet, diese Produktion jedes Jahr zu machen.
„Jetzt, weil es das zwanzigjährige Jubiläum ist, mussten wir das unbedingt wieder am 5. April im Porgy & Bess machen.“
Warum hat das Projekt viel Kraft gekostet?
Christian Mühlbacher: Dieser Zwang, das durchführen zu müssen. Dass alles zu diesem Datum im Kasten ist und rechtzeitig fertig gepresst da ist. Das habe ich mir beim zehnten Mal mit Wonne erspart und seitdem spielen wir unter Mühlbacher usw. Dieser Titel ist eigentlich schon von der ersten Scheibe an aufgeprintet, das hat sich so ergeben. Wir spielen bei verschiedensten Gelegenheiten, in Saalfelden oder beim INNtöne Jazzfestival. Jetzt, weil es das zwanzigjährige Jubiläum ist, mussten wir das unbedingt wieder am 5. April im Porgy & Bess machen.
Was haben Sie für das große Jubiläum am 5. April geplant?
Christian Mühlbacher: Es wird eine Art Best-of sein und ein paar alte Kumpels sind auf die Bühne geladen: Franz Hautzinger wird dabei sein, Conrad Schrenk wird wieder mitspielen, und das wird leiwand.
„Es geht um Individualität, Mühlbacher usw. ist ein großes Solisten-Ensemble.“
Franz Hautzinger haben Sie schon erwähnt, Sie haben aber auch mit Musikern wie Max Nagl, Luis Ribeiro und Gerald Preinfalk gespielt. Wie ist es, mit so verschiedenen Leuten zu spielen?
Christian Mühlbacher: Das irrsinnig Angenehme ist: Diese Leute sind gerne dabei. Auf eine Art möchte ich sagen: Alles tanzt nach meiner Pfeife. Ohne dass die Musiker ihre Individualität verlieren. Es geht um Individualität, Mühlbacher usw. ist ein großes Solisten-Ensemble. Es geht um all die Buntheit, die diese Leute mitbringen. Hautzinger, Preinfalk oder auch Lorenz Raab – das sind komplett andere Welten. Natürlich gibt es Überschneidungsmengen, das ist keine Frage. Die herauszusuchen und gleichzeitig all diese Individuen als sie selbst zu nehmen. Sogar weniger das Instrument, mehr die Typen spielen da mit. Das ist ein Grundkonzept von Mühlbacher usw. und die Musik ist auch so geschrieben, dass das alles Platz hat.
Heißt das, da alle ihre Individualität bewahren, ist es nicht ganz so schwierig, alle unter einen Hut zu bringen?
Christian Mühlbacher: Ja, das kann man irgendwie so sagen. Für jeden, der neu dazukommt, gibt es mal Fragen zum Material und am Anfang vielleicht auch ein wenig Stress. Aber wenn man weiß, wie das Werkl rennt, dann findet man sich bald zurecht und spürt auch intuitiv, wo Platz für einen ist.
Sie sind Musiker, Komponist und Pädagoge. Wie verbinden Sie diese verschiedenen Ebenen?
Christian Mühlbacher: Man kann sagen: Am Schlagzeug mache ich nur mehr meine Dinge. Ich habe aufgehört, irgendwelche Jobs zu spielen. Man kann nicht alles gleichzeitig tun, das geht nicht. Es war eine wichtige Zeit und ich zehre noch immer von all diesen Stunden des Übens im Keller des WUK. Beim Spielen folge ich nur mehr meinem eigenen Antrieb. Was das Komponieren betrifft, habe ich seit Mitte der 1990er-Jahre intensiv für verschiedenste Projekte geschrieben.
„Ich hatte jetzt ein Jahr Auszeit und die Muse küsst mich wieder, und das ist wunderschön.“
Auch für Ihre eigenen Projekte?
Christian Mühlbacher: Natürlich auch für die eigenen Projekte, und das ist nach wie vor wichtig für mich. Nach zwanzig Jahren muss ich allerdings auch sagen: Diese Uraufführungskultur – da rede ich jetzt von Neuer Musik –, da man schreibt etwas fürs Klangforum, das wird dann ein Mal gespielt. Dann findet man eine Möglichkeit, dass ein Werk noch ein zweites Mal aufgeführt wird: Wow! Aber wenn man denkt, wie viele Wochen und Monate man an dem Werk dran ist … Finanziell davon zu leben wäre auch sehr hart, da müsste man ununterbrochen nur schreiben und Arrangements machen und den kommerziellen Bereich betreten, was ich als Komponist nicht möchte. Andererseits: Ich hatte jetzt ein Jahr Auszeit und die Muse küsst mich wieder, und das ist wunderschön.
Und die Tätigkeit als Pädagoge?
Christian Mühlbacher: Das mache ich sehr gern. Und es hilft mir auch selbst, ich habe beim Unterrichten unglaublich viel gelernt. Etwa wenn man fundiert darlegen muss, warum etwas so ist. Ich unterrichte gerne und meine Studentinnen und Studenten nehmen das auch gerne an. Das bringt mir auch meine Brötchen, keine Frage.
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In Österreich gibt es eine große Szene an Neuer Musik, an improvisierter Musik. Wo sehen Sie sich aktuell in dieser Szene?
Christian Mühlbacher: Ja, es gibt eindeutig diese Szene und sie ist sehr aktiv. Es ist natürlich so, dass kleinere Besetzungen mehr Chancen haben, oft präsent zu sein. Das hängt auch damit zusammen, dass ich keine Kompromisse mehr machen will, was meine Mitspieler betrifft, und man erst mal so große Ensembles stemmen muss. Veranstalter fürchten sich vor den Transportkosten, vor den Kosten für die Unterbringung, sogar das Catering explodiert. Da drücken sich dann schon viele. Oder dauert sehr lange, bis es mit einem Auftritt klappt. Saalfelden wusste schon zehn Jahre, bevor wir 2014 schließlich eingeladen wurden, dass es das Projekt Mühlbacher usw. gibt. Das ist halt mein Ding: Ich habe grundsätzlich große Ensembles. Es gibt schon Pocket-Versionen und die machen auch Spaß, aber ich will aus dem Vollen schöpfen. So stehe ich jetzt in der Szene und sage: „Okay selten, aber dann ganz.“ Es ist wunderschön zu sehen, dass unglaublich viele junge Leute nachkommen, auch von meinen Studentinnen und Studenten. Die sind unglaublich fit und kreativ.
Sie haben bereits mit Musikern der JazzWerkstatt gespielt, etwa mit Clemens Salesny und mit Martin Eberle. Wie wichtig ist es für Sie, mit der Jugend zusammenzuarbeiten?
Christian Mühlbacher: Im Grunde sind es viele junge Musiker, mit denen ich spiele. Wenn die total brennen, ist das eine tolle Sache. Da gibt es Gott sei Dank genug Leute, da brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Viele haben bei Nouvelle Cuisine mitgemacht, das Projekt erlebt, sich da auch Hörner abgestoßen und sich im Großen integriert. Großartig.
Welche Projekte betreiben Sie aktuell und wie geht es weiter?
Christian Mühlbacher: Nouvelle Cuisine, Pro Brass, das ist etwas ganz anderes, kann man sagen, aber das habe ich trotzdem total gern. Das ist Brass mit klassischen Ansätzen. Von Bach bis Beatles ist da alles möglich, auch Mühlbacher. Ansonsten mache ich verschiedene kleinere Arbeiten, auch bei mir im Studio, mal etwas schneiden oder Arrangements für andere. Und ein Orchesterprojekt habe ich im Kopf, aber da verrate ich noch nichts.
Danke für das Gespräch.
Jürgen Plank
Mi 5.4.2017, Porgy & Bess, Riemergasse 11, 1010 Wien, 20:30h: 20 Jahre 5.4. mit Mühlbacher usw