Max Hauer a.k.a. CLER schreibt und veröffentlicht beständig Musik, in Kürze erscheint sein Album „s’menschlt“: im Interview mit Jürgen Plank erzählt der umtriebige Musiker, warum kleine Fehler bei Aufnahmen für ihn kein Problem sind und welchen Weg er für sich im Umgang mit dem Musikbusiness und dessen Anforderungen gefunden hat. Und er erzählt von der Zusammenarbeit mit dem SUBCHOR, der bei einigen der neuen Songs dabei ist. Das Album „s’menschlt“ wird am 20. Mai 2025 in der Sargfabrik in Wien präsentiert, parallel dazu bringt CLER auch ein Buch mit Liedtexten aus den letzten 5 Jahren heraus.
Dein neues Album heißt „s’menschlt“, wie bist du auf diesen Titel gekommen?
Max Hauer: Ich habe lange überlegt, wie ich das Album nennen soll und „s’menschlt“ hat für mich dann auf mehreren Ebenen gut gepasst. Erstens, weil bei vielen Nummern einfach viele Menschen miteinander Musik gemacht haben: der Chor, das Orchester und die Band. Ich habe natürlich darauf geschaut, dass der Mix schön klingt, aber ich habe wenig editiert. Ich habe versucht, Fehler, die gut klingen oder die passen, drinnen zu lassen. Mir gefällt das, das hat Charme für mich. Gerade in Zeiten von Künstlicher Intelligenz (KI), die für viele Musiker:innen und Produzent:innen relevant ist, war es für mich cool, ein Album zu machen, in dem davon gar nichts drinnen ist.
Habt ihr die Lieder live eingespielt?
Max Hauer: Nein, das hätte ich gerne gemacht. Es war aber schon eine Herausforderung, für den Chor Termine zu finden. Wir haben die Spuren nacheinander eingespielt und mit dem Schlagzeug begonnen. Danach haben wir die Instrumente darüber gelegt, etwa die Bläser und die Streicher.
Ihr habt das Album also organisch wachsen lassen.
Max Hauer: Genau, jede Nummer hat das bekommen, was sie braucht. Hin und wieder hört man mal einen falschen Ton und hin und wieder ist mal eine Linie nicht ganz so sauber wie eine perfekt gespielte Linie. Das macht das Album für mich aber ein bisschen aus.
Wie ist die Entscheidung gefallen, dass du nicht in englischer Sprache singst, auch nicht Hochdeutsch, sondern eben im Dialekt?
Max Hauer: Ich kann im Dialekt Emotionen und Sachen, die ich rüberbringen will, besser ausdrücken. Das ist bei mir auch in Bezug auf Hochdeutsch so. Wenn ich auf Hochdeutsch rede, versteht man die Wörter zwar, aber ich finde es kommt weniger Emotion rüber. Im Dialekt bin ich vielseitiger und kann Dinge nuancieren. Ich habe noch nicht auf Englisch oder Hochdeutsch geschrieben, ich habe das noch nicht versucht, vielleicht sollte ich das probieren. Ich kann auf Englisch sagen: i am alone. Aber ich habe das Gefühl, es ist mehr da, wenn ich sage: i bin allan.
„BEI VIER SONGS HABE ICH MIR GEDACHT, DASS EIN CHOR COOL WÄRE“
Wie war die Zusammenarbeit mit dem Subchor und wie bist du auf diesen Chor gekommen?
Max Hauer: Bei vier Songs habe ich mir gedacht, dass ein Chor cool wäre. Bei uns an der Schule haben wir einen Schüler:innen- und Lehrer:innen-Chor und ich habe mir gedacht: mit einem Chor kann man coole Sachen machen. Zu den vier Songs habe ich dann Chorstimmen geschrieben und ich habe Chöre in Wien gegoogelt. Einige habe ich angeschrieben und vom Subchor und einem anderen Chor ist eine Rückmeldung gekommen und die Zusammenarbeit mit dem Subchor war sehr gut. Der Chorleiter hat die Stimme ein bisschen umgeschrieben. Wir haben das kurz geprobt, waren im Studio und das hat alles gut geklappt.
Musikalisch „menschelt es“ sozusagen, indem ihr nicht jeden kleinen Fehler ausgebessert habt, wie du gerade erzählt hast. Auch textlich würde ich so einen ähnlichen Ansatz heraushören und die Lieder als Plädoyers für Fehler oder Bescheidenheit hören.
Max Hauer: Ja, auf jeden Fall, genau. Ich finde, dass meine Texte auch immer wieder gesellschaftskritisch sind. Es gibt ein Lied über die Musikindustrie, in der es viel zu richten gibt. Und Lieder über Leute, die nicht den Mund halten können. Am besten fasst das letzte Lied „Ois renkt si ein“ die Stimmung zusammen: alles ist schlecht, alles geht den Bach hinunter in dieser Welt. Hin und wieder kriegt man ein bisschen Angstzustände, wenn man über die diversen Implikationen nachdenkt. Im Endeffekt ist es menschlich zu sagen: es renkt sich alles wieder ein, alles wird gut und wird wieder passen. Man glaubt das dann auch irgendwie. Mir geht es ja selbst auch so, wenn jemand zu mir sagt: hey, alles wird gut. Dann denke ich mir: ja, alles wird gut.
Auf das Lied „Freiwillig“ wollte ich ohnehin zu sprechen kommen, im Lied geht es um die Verwertungsdynamiken im Musikbusiness: du singst über Likes in sozialen Medien und 0,03 Cents, die für einen Stream ausbezahlt werden. Inwiefern ist der Song überspitzt oder wie nahe ist er tatsächlich an der Realität?
Max Hauer: Ich glaube, er ist ein wenig überspitzt, aber mich turnt dieses Business wahnsinnig ab. Es gibt ja Künstler:innen, die ihre Kunst einfach machen müssen. Ich habe das Gefühl, dass das als Grund dafür hergenommen wird, sie nicht anständig zu bezahlen. Weil sie ja ihre Kunst freiwillig machen. Sie müssen ja nicht Kunst machen, sie könnten ja eine normale Arbeit machen. Wenn man das so sieht, versteht man Künstler:innen falsch. Kunst ist wichtig und bei Corona hat man auch gesehen, dass Kunst systemrelevant ist. Diejenigen, die Kunst kreieren, sollen nicht darunter leiden, sondern müssen ordentlich entlohnt werden.
Wie siehst du die Frage der Bezahlung im Musikbereich?
Max Hauer: Das ist das Ding: Man wird entlohnt, muss aber den ganzen Rattenschwanz an Vorgaben des Musikbusiness abarbeiten. Du musst deine TikTok-Videos machen, deine Shorts machen, du musst regelmäßig Content produzieren. Du musst produzieren: wenn du nicht produzierst, bist du nicht relevant. Die Musiker:innen brauchen natürlich Geld zum Überleben und dann musst du dich irgendwo diesem Business beugen. Dass man als Musiker:in, als Künstler:in, das machen kann, was man gerne macht und auch anderen Menschen etwas gibt, müsste eigentlich bedingungslos entlohnt werden. Und nicht nur, wenn man sich dem Business beugt.
„MEINE MUSIK MACHE ICH NEBENBEI UND ICH MACHE NUR DAS, WAS ICH MAG UND NICHT DAS, WAS ICH MACHEN MUSS“
Ist die Zwickmühle nicht noch größer: Neil Young, Joni Mitchell und andere sind von den Streaming-Plattformen weg. Solche Leute können es sich natürlich leisten, nicht mitzumachen. Während kleinere Bands sich dem System beugen müssen, aber trotzdem nicht ordentlich entlohnt werden.
Max Hauer: Richtig, genau. Ich habe jetzt als Musiker einen anderen Weg genommen: ich habe einen Job, den ich gerne mache, ich bin gerne Lehrer. Das taugt mir. Meine Musik mache ich nebenbei und ich mache nur das, was ich mag und nicht das, was ich machen muss. Für mich funktioniert dieser Weg jetzt ganz gut. Ich habe es ein wenig versucht, Promotion zu machen, Instagram-Reels zu machen etc., aber das taugt mir nicht. Das ist nicht mein Ding. Es gibt aber auch Leute, die das Instagram-Format sehr cool verwenden, das sollen sie auch machen. Wenn du hauptberuflich Künstler:in sein willst, musst du den Regeln des Business folgen.
Neil Young ist eine Ausnahme, er hat es geschafft. Es geht aber nicht um die, die es schon geschafft haben, sondern um all die, die es noch nicht geschafft haben. Dass die ja auch eine Lösung finden müssen, wie sie Musik machen können. Entweder du hast von irgendwoher einen Haufen Geld und kannst es dir leisten, Musik zu machen. Oder du hast einen Job, dann ist Musikmachen halt immer ein Hobby. Oder du bist auf Förderungen angewiesen.
Musikalisch würde ich dein Album ein wenig in Richtung Austropop verorten, gekoppelt mit jazzigen Ansätzen. Und mit Ansätzen in Richtung Big Band.
Max Hauer: Ich habe es bei jedem Album unterschiedlich gemacht: beim „Scherben“-Album haben wir mit der gleichen Besetzung eine Stunde lang gespielt. In diesem Fall gibt es Austropop-Songs, ja. Es ist halt Austropop, weil ich Österreichisch singe. Es gibt zwei Nummern, die klassischer arrangiert sind: „S’Woifal“ und „Weltspartag“. Dieses Album ist für mich sehr divers, auch weil der Chor dabei ist. Wahrscheinlich ist Austropop ein Genre, das den Stempel von vor 30 Jahren hat. Austropop hat irgendwann mal aufgehört. Vielleicht bräuchte es einen neuen Begriff, vielleicht Dialekt-Musik, der ist wahrscheinlich wieder zu breit.
Ich bin ja nicht der große Sänger, der laut und hoch und schön singt, sondern ich bin eher derjenige, der eine Geschichte erzählt, kombiniert mit einer Melodie. Ich finde, das Geschichtenerzählen verweist in Richtung Austropop.
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Welche Geschichte erzählst du mit dem Lied „Weltspartag“? Ich habe es als Song über Menschen gehört, die man als Mitläufer:innen bezeichnen würde, hältst du diesen einen Spiegel vor?
Max Hauer: In „Weltspartag“ geht es hauptsächlich um Männer. Es ist oft Teil der Entwicklung einer beruflichen Karriere, dass man aufsteigt, wenn man zur Obrigkeit, wer auch immer gerade die Autorität ist, sagt: Du hast recht. Alles, was du sagst, ist total richtig. So kommt man nach oben, weil die Autorität sich irgendwann sagt: den mag ich, der ist cool. Das sind für mich Menschen, die nicht gelernt haben, selbst zu denken und zu entscheiden. Sie sind eher wie ein kleiner Bub, der vom Papa hören will, dass er etwas sehr gut macht. Irgendwie in der Rolle des kleinen Buben hängen geblieben, der immer hören will: du bist der Beste. Wenn diese Leute in eine Machtposition kommen, wollen sie, dass alle ihnen sagen: hey, ja, du bist der Beste. Das ist ein Teufelskreis.
Komischerweise musste ich an Trump denken, während du gesprochen hast.
Max Hauer: Auf jeden Fall, Politik ist ein plakatives Beispiel dafür, wie man nach oben kommt und plötzlich Staatskanzler oder Staatssekretär ist. Trump bzw. die U.S.A. sind ein plakatives Beispiel, das ist aber auch alles bei uns relevant.
Zwischen den Zeilen verzeihst du aber auch und hast Sympathie für die Schwäche.
Max Hauer: Ich schaffe es nicht immer, aber ich probiere, dass meine Texte nicht mit dem erhobenen Zeigefinger funktionieren. Es soll nicht heißen: so ist es richtig und so ist es falsch. Ich möchte, dass es eine Art von Menschlichkeit in Bezug auf Fehler gibt, die man akzeptieren muss. Es bringt nichts zu sagen: du hast einen Fehler gemacht, du bist ein Trottel, geh’ weg!
Hin und wieder denke ich mir zu einem Text von mir auch, dass er zu viel in Richtung Oberlehrer geht. Aber ich versuche den Zuhörer:innen möglichst wenig Message ins Gesicht zu werfen, auf die man durchs Nachdenken kommen könnte.
Die Bühne in der Sargfabrik ist mittelgroß. Wie wirst du den Chor und die Band auf die Bühne bringen?
Max Hauer: Ich weiß es noch nicht. Letztes Jahr haben wir auch in der Sargfabrik gespielt und ich habe meinen Rucksack vergessen und am nächsten Tag abgeholt. Da hat, glaube ich, der Schmusechor gespielt und die haben zwei Podeste verwendet. Und ich habe gedacht, dass wir vielleicht auf diese Podeste den Subchor stellen können. Auf der Bühne wird es jedenfalls kuschelig werden.
Es wird menscheln. Begleitend zum neuen Album, erscheint auch ein Buch von dir.
Max Hauer: Das Buch enthält die Texte der letzten 10 Alben, knapp 100 Texte. Da sind auch QR-Codes drinnen, die zu den Liedern führen und die Auflage ist 25 Stück.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Cler feat. Subchor live
25.5.2025, Sargfabrik
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Cler