Hans Temnitschka (1930-2006)

Der langjährige Kunst-Sektionschef im ehemaligen Bundesministerium für Unterricht und Kunst, Dr. Hans Temnitschka ist diese Woche im 76. Lebensjahr gestorben. Er diente unter zehn Ministern, darunter auch visionären, war ein Beamter und Mensch von Format. Er hat für die zeitgenössische Kunst vieles ermöglicht und war Geburtshelfer signifikanter kulturpolitischer Entscheidungen und Reformen. Auch bei der Gründung des mica stand er maßgeblich Pate.

Der Beamte der offenen Türen

Hans Temnitschka, der gemeinsam in einer Klasse mit Otto Schenk und Rudolf Melichar das Gymnasium auf der Stubenbastei besuchte, sich in jungen Jahren auch als Komponist und Chorsänger betätigte, kam schon 1956 als promovierter Jurist in die Kunstsektion des Unterrichtsministeriums und beendete nach vierzig Jahren aktiver Tätigkeit 1996 seine dortige Laufbahn als Sektionschef. Zu diesem wurde er erst 1990 ernannt, nachdem man ihm, der keiner Partei zugehörte, 1987 zunächst “nur” den Titel Sektionsleiter zugestanden hatte. Neben zahlreichen Ehrenämtern und kuratorischen Tätigkeiten in den verschiedensten Kunstbereichen, für die er stets auch persönliches Engagement, Neugier und Interesse einbrachte, war er nach seiner Pensionierung u. a. noch als Obmann des Vereins KulturKontakt tätig. .

Wichtige kulturpolitische Reformen tragen seine Handschrift. Temnitschka war auf Beamtenseite der wichtigste Partner von Fred Sinowatz und der sozialdemokratischen Kulturpolitik der Ära Kreisky, die mit einem in den siebziger Jahren erstellten Kulturpolitischen Maßnahmenkatalog Kulturvermittlung und den Abbau von Barrieren im Kulturleben groß schrieb. Er war es, der die Wende im Umgang mit den Kunstschaffenden lebendig vollzog, in dem er den Dialog mit diesen täglich – und mit weit geöffneten Türen – pflegte. Er war es, der die Weichenstellungen für das gegenwärtige System der Kunstförderung mitverantwortete: Kulturförderungsgesetz, auch (unter Firnberg) Reform der Kunsthochschulen. Er setzte die Demokratisierung von Entscheidungen der Kunstförderung durch die Einrichtung von Beiräten, Jurys, Kommissionen, zuletzt – mit Scholten, mit dem er sich ausgezeichnet verstand  – Kuratoren) mit durch, sorgte mit der Veröffentlichung der Kunstberichte für die Transparenz der Budgets und Einzelförderungen und machte sich um die die vorrangige Förderung der zeitgenössischen Kunst vor Repräsentationskunst verdient.

Seine Prinzipien einer als Service verstandenen Kulturverwaltung vertrat er in zahlreichen Reden, Artikeln, Diskussionsbeiträgen. Er verstand sich immer als Diener an der Sache (scherzhaft nannte er sich gerne selbst “Ministrant”) und vertrat dennoch immer klar seine Überzeugungen, zeigte immer Haltung.

Temnitschka bekräftigte immer wieder die Wichtigkeit des direkten Dialogs zwischen dem verantwortlichen, Leitlinien und politische Maßnahmen bestimmenden Politiker bzw. Minister und den Beamten. Die  gemeinsame Erarbeitung von tauglichen Entscheidungsgrundlagen wollte er nie als Einwegkommunikation von unten nach oben missverstanden wissen. Ex aequo mit dieser Funktion des guten Beamten gegenüber den Politikern platzierte er den ständigen Kontakt mit der “Kundschaft”, ein gutes Verhältnis und eine gute Kenntnis der Szene(n), von der er sich ständig – in hunderten Gesprächen – ein Bild machte.

“In Rede und Gegenrede erwächst aus der Bewertung oft sehr komplexer Sachverhalte am verlässlichsten die richtige Entscheidung”, zeigte Hans Temnitschka sich in einem rückblickenden Aufsatz, den er 1998 für die Zeitschrift kulturrisse schrieb, überzeugt. Das gelte auch für die Arbeit der Beamten in den Beiräten: “Im Idealfall ist der Beamte hier nicht nur der Empfänger von Informationen und fundierten Ratschlägen, sondern Dialogpartner, der in die Diskussion der Fachleute den kunstpolitischen und administrativen Aspekt einbringt”.

Nicht nur den administrativen Aspekt brachte Hans Temnitschka ein, sondern Liebe zur Sache: “Konstruktiver, ja oft kreativer Dialog auf der politischen Ebene – kontinuierliches Gespräch mit den handelnden Personen des Kunstlebens: diese äußeren Bedingungen haben meine Arbeit als Beamter in der Kunst-Verwaltung interessant und anregend gemacht und dazu beigetragen, dass ich diese Arbeit rückblickend als befriedigend ansehe. Unter diesen Bedingungen würde ich auch nochmals von vorne beginnen.”

Betroffen und alarmiert müssen wir konstatieren, dass es diese “äußeren Bedingungen”, von denen Hans Temnitschka da spricht, derzeit schon seit längerem nicht mehr zu geben scheint.
Heinz Rögl