Go for Improvised Sounds: das GIS ORCHESTRA im mica-Porträt

Nein, das GIS ORCHESTRA ist keine Vereinigung zur Einhebung von Rundfunkgebühren. Sondern ein offenes Improvisationsensemble, das der  Ottensheimer Multiinstrumentalist Gigi Gratt – zusammen mit dem Alten Schl8hof Wels – ins Leben gerufen hat. Alois Sonnleitner geht den Fragen nach, wie das Orchester zusammengesetzt ist, nach welchen Prinzipien es  funktioniert, worauf es dabei hauptsächlich ankommt – und ob sich der ganze Aufwand überhaupt lohnt.

Christian Gratt, genannt Gigi, kennt man als Gitarrist, Bassist und Trompeter aus  Freischärler-Bands wie Tumido, Braaz und NI. Er kooperiert daneben mit Koryphäen aus dem In- und Ausland und hat vor einigen Jahren seine erste größere Formation gegründet: Gigi’s Gogos. Was letztlich in die Gründung des GIS Orchestra mündete, hat mit dieser Vorgeschichte zu tun, vor allen Dingen aber mit seiner Mitwirkung an anderen Impro-Orchestern. So wirkte Gratt mehrmals im Styrian Improvisers Orchestra (STIO), im London Improvisers Orchestra (LIO) und im Vienna Improvisers Orchestra (VIO) mit. In diesen und ein paar anderen Großgruppierungen wird kontinuierlich der Beweis dafür erbracht, dass die Komponenten Improvisation und Orchester einander nicht widersprechen müssen, sondern sich gegenseitig inspirieren können.

„Virtuosität am Instrument hat keine Relevanz“

Mit den genannten Improvisationsorchester-Erfahrungen im Gepäck, wurde Gigi Gratt daheim in Oberösterreich von Wolfgang Wasserbauer, dem Mastermind der Welser Kulturinitiative waschaecht, die neben einem bemerkenswerten interdisziplinären Jahresprogramm jährlich das weltweit renommierte unlimited-Festival ausrichtet, dazu angestachelt, selber ein Improvisationsorchester auf die Beine zu stellen und damit im Alten Schl8hof zu proben und aufzutreten. Gesagt, gedacht, getan. Das GIS Orchestra wurde formiert, wobei GIS für „Go for Improvised Sounds“ steht. Ein wesentlicher Gründungsgedanke Gratts war, dass so ein Großensemble möglichst offen strukturiert sein müsse und sich gleichberechtigt aus Profis und Amateuren zusammensetzen solle. „Hauptsache, sie entwickeln eine Leidenschaft und ein Gespür für freie Musik und sind offen für Experimente“, sagt Gigi Gratt. Virtuosität am Instrument hingegen habe für ihn keinerlei Relevanz, auch die Fähigkeit des Notenlesens sei keineswegs Bedingung zur Mitwirkung. Also ergab es sich, dass dem GIS Orchestra mittlerweile ein Pool aus rund 30 MusikerInnen zur Verfügung steht, Tendenz steigend.

Um diese zu dirigieren, hat sich Gratt eine umfangreiche Zeichensprache angeeignet, die er, über die Jahre sukzessive erweitert, auch heute noch im GIS Orchestra anwendet. „Hauptsächlich benützen wir die Zeichen des London Improvisers Orchestra, die ja auch in Graz beim STIO verwendet werden und mittlerweile sehr weit verbreitet sind, wie ich die letzen zwei Jahre feststellen konnte. Da gibt’s zum Beispiel einen Schlag auf die Handfläche, das heißt: langer Ton, auf die Faust: kurzer Ton. Ich habe auch ein paar Stilistikzeichen eingeführt: Rauchbewegung heißt Reggae, Faust oben = Marsch, der Zeigefinger swingend = Jazz. Ich verwende auch viele Gestiken, da es oft kein Zeichen dafür gibt, was mir gerade vorschwebt. Das funktioniert meistens überraschend gut. Es ist ja ein Impro-Orchester, wieso also nicht auch Zeichen improvisieren? Spannend sind da unsere GastdirigentInnen, die alle wieder eigene Zeichen haben und einen eigenen Stil zum Dirigieren.“

Auch improvisiertes Dirigat

Zur Bereicherung der ästhetischen Möglichkeiten lädt sich das GIS Orchestra neben musizierenden Gästen, wie etwa Judith Unterpertinger oder Didi Bruckmayr, regelmäßig GastdirigentInnen ein. Als da wären die Pianistin Elisabeth Harnik und die Vokalistin Annette Giesriegl (zwei Steirerinnen mit einschlägigen Erfahrungen sowohl im Grazer als auch im Londoner GIS-Pendant), der Geiger Michael Fischer vom VIO und der Elektroniker, Saxofonist und Sänger Christof Kurzmann, der seinerseits vor Jahren das ähnlich gemischt formierte Orchester 33 1/3 gegründet hat. Kurzmann war es auch, den man für einen mehrtägigen Workshop gewinnen konnte. Gratt: „Es ging dabei viel um Dynamik, um Timing und um Sounds – aber auch um Stille.“ Das sei ja eben das Geile am GIS Orchestra, sagt Gratt, dass selbst in Situationen, in denen nur wenige Töne passieren, eine unglaubliche Intensität und Energie zutage treten. Eine Energie, die man in kleinen Combos nie und nimmer zustande bringen  könne. Zudem birgt die Momentmusik des GIS Orchestra, die sich ausschließlich um Improvisation bzw. um Jetztzeitkompositionen dreht, eine ihm sehr sympathische Flüchtigkeit von Klängen, die niemals auf die gleiche Weise wiederholbar sind.

„Der Aufwand ist ein Irrsinn.“

Bei aller Euphorie, hervorgerufen durch die soziale und musikalische Energiezufuhr des GIS Orchestra, bleibt Gigi Gratt mit beiden Beinen am Boden, wenn es um die ökonomischen Bedingungen eines solchen Unternehmens geht. Vor allem der organisatorische Aufwand dafür sei eigentlich ein Irrsinn, wie er erzählt. „Allein für Fahrt und Verpflegung des Orchesters geht ein Haufen Geld drauf.“ Über Gagen brauche man gar nicht erst beginnen nachzudenken. Da trifft es sich gut, dass man unlängst etwas Geld aus dem Innovationstopf der Kulturplattform Oberösterreich zugesprochen bekam. Also braucht man auch künftig keine Rundfunkgebühren einheben, sondern kann sich voll und ganz dem Motto „Go for Improvised Sounds“ widmen – zum Beispiel am 8. November beim unlimited-Festival im Alten Schl8hof Wels, zusammen mit Elisabeth Harnik und Christof Kurzmann.

Foto: Michael Oskar Wlaschitz

http://www.innovationstopf.at/08-kv-koma-ottensheim-kv-waschaecht-wels-das-gis-orchestra/