„Für Musik aus Österreich wäre definitiv mehr Platz da“ – JULIAN LE PLAY im mica-Interview

In Zeiten, in denen man im Pop allzu oft mit austauschbarer Massenware konfrontiert wird, ist es schon erfrischend zu sehen, dass sich eben nicht alle dem allgegenwärtigen Mainstreamsound unterordnen. Einer, der auch seinen ganz eigenen Weg geht, ist JULIAN LE PLAY. Obwohl der Sänger und Liedermacher einen Hit nach dem anderen aus dem Ärmel schüttelt, erklingen diese doch unverkennbar anders und daher um einiges spannender als vieles, was man sonst so im Radio präsentiert bekommt. Der Sänger und Liedermacher im Interview mit Michael Ternai.

Die Musik dürfte schon früh einer Ihrer Wegbegleiter gewesen sein. Sie haben sogar am Kiddy Contest teilgenommen. Woher stammt Ihre Liebe zur Musik?

Julian Le Play: Die Liebe zur Musik war eigentlich von Anbeginn da. Ich habe ja schon mit vier oder fünf auf allem, was vor mir lag, so lange herumgetrommelt, bis meine Eltern einmal meinten: „Das nervt.“ Sie steckten mich dann in die frühmusikalische Erziehung, wo ich dann mit anderen Vierjährigen herumgeklopft habe. Generell kann man aber sagen, dass ich musikalisch immer irgendwie aktiv war. In der Volksschule, im Schulchor und so weiter.

In Ihrem Pressetext heißt es, dass vor allem Ihre Zeit in Australien die Initialzündung dafür war, eigene Songs zu schreiben. Sie haben ja dort an einem Schul-Contest teilgenommen und diesen auch gewonnen.

Julian Le Play: Ja, diese Zeit war sehr prägend. Früher habe ich das Liederschreiben noch mehr als Mittel zum Zweck empfunden. Man schreibt Songs einfach, um ein Popstar werden und zu Bekanntheit zu gelangen. Mit sechzehn, als ich in Australien war, bin ich aber draufgekommen, dass es um etwas ganz anderes geht. Es geht darum, Dinge, die man erlebt hat, zu verarbeiten, und auch eigentlich darum, in erster Linie etwas für sich selbst zu schreiben. Ich habe mich damals in mein stilles Kämmerchen zurückgezogen und wirklich meine ersten Songs geschrieben. Und als ich dann an diesem Schul-Contest mit diesen, meinen eigenen Liedern teilgenommen habe und vonseiten des Publikums eine echte Reaktion kam, habe ich mir einfach nur gedacht: „Wow.“

Wer waren eigentlich Ihre musikalischen Vorbilder?

Julian Le Play: Ich nenne mich selbst eigentlich immer ein typisches „Frequency-Kind“. Mit dreizehn und vierzehn habe ich vor allem alternativen Brit-Pop gehört. Bands wie Muse oder Radiohead. Aber auch Arctic Monkeys, The Kooks und Coldplay. Textlich hat mich dagegen eher Rap beeinflusst. Wenn ich deutschsprachige Musik gehört habe, waren das Leute wie Max Herre oder Samy Deluxe.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

„Es ist ja oft so, dass man Dinge schreibt, die gut klingen, es aber keinen wirklichen Inhalt gibt.”

Wie kam es zur Entscheidung, auf Deutsch zu singen?

Julian Le Play: Irgendwann bin ich ganz einfach mit meinem Englisch angestanden. Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht mehr wirklich weiterkomme. Jedes spannende Vokabel, das notwendig gewesen wäre, um über 08/15-Texte hinauszukommen, war verbraucht. Ich hatte schlicht und einfach keinen Wortschatz mehr. Es ist ja oft so, dass man Dinge schreibt, die gut klingen, es aber keinen wirklichen Inhalt gibt. Das sehe ich auch bei vielen österreichischen Bands, die auf Englisch singen. Entscheidend für mich war auch das Feedback auf meine Konzerte, die ich eine Zeit lang in einer australischen Bar beim Stubentor in Wien jeden Donnerstag gespielt habe. Nach meinen Auftritten sind die Leute oftmals auf mich zugekommen und haben mir ehrlich gesagt: „Du singst zwar gut, aber deine Texte, na ja …“ Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Mein erstes deutsches Lied, das ich dann geschrieben habe, war „Kind sein“. Und da merkte ich plötzlich, dass sich mit der deutschen Sprache für mich ganz neue Möglichkeiten eröffnen.

Haben Sie nie die Gefahr gesehen, dass Sie mit Ihrer Musik dem Austropop zugerechnet werden könnten?

Julian Le Play: Du kannst ja Medien nicht beeinflussen. Und wenn eine Redakteurin oder ein Redakteur sich nicht die Mühe macht, sich mehr als fünf Minuten mit dir zu beschäftigen, dann kommt schon irgendwann die Schlagzeile: „Julian Le Play ist der neue Austropop“, obwohl ich überhaupt nichts damit zu tun habe. Oder: „Julian, der Schmusesänger.“ Das sind so Schlagwörter, die auf die Schnelle verwendet werden. Aber generell muss ich sagen, dass ich eher seltener mit dem Austropop in Verbindung gebracht worden bin.

„Es heißt ja ‚Castingshow‘ und nicht ‚Casting-Künstler-Aufbau-der-10-Jahre-dauert‘.“

Der Begriff „Austropop“ kommt ja derzeit durch Bands wie Bilderbuch und Wanda wieder in Mode.

Julian Le Play: Ja, das stimmt. Aber ich glaube, die haben sich auch sehr intensiv mit dem Austropop und dessen Einflüssen beschäftigt.

Sie haben 2010 ja auch an der Castingshow „Helden von morgen“ teilgenommen. Inwieweit hat sich die Teilnahme für Sie ausgezahlt? Inwieweit hat es Ihnen geholfen, Ihren Bekanntheitsgrad zu steigern?

Julian Le Play: Also, die Castingshow selbst hat mir nicht geholfen. Ich bin ja 2010 rausgeflogen und habe erst zweieinhalb Jahre später mein erstes Album veröffentlicht. Nach einer so langen Zeit kennt dich von der Castingshow her eigentlich niemand mehr. Noch dazu, wenn du – wie ich – Siebenter geworden bist. Ich bin aber auch nicht wirklich mit dem Gedanken reingegangen, jetzt groß durchstarten zu müssen. Es war vielmehr so, dass ich mir – ich war gerade fertig mit der Schule – einfach nur gedacht habe: „Ich probiere es einfach aus.“ Es war zudem ja auch das erste Mal nach Starmania, dass Leute gesucht wurden, die eigene Lieder geschrieben haben.
Was mir die ganze Geschichte aber schon gebracht hat, war, dass ich dort mein gesamtes Kreativteam kennengelernt habe. Meine Produzenten Lukas Hillebrand und Alex Pohn etwa haben im Rahmen der Show per Zufall über Umwege etwas für mich produzieren müssen. So sind wir zusammengekommen. Die Teilnahme war für mich quasi irgendwie der Einstieg in die Kreativszene.
Etwas, was ich auch nicht ganz verstehe und was den Castingshows immer wieder vorgeworfen wird. Es heißt ja „Castingshow“ und nicht „Casting-Künstler-Aufbau-der-10-Jahre-dauert“. Man muss die ganze Veranstaltung schon als das verstehen, was sie wirklich ist, und zwar eine Show. Ich glaube, es war damals Christina Stürmer, die zu mir sagte: „Einen Tipp kann ich dir geben. Die Arbeit beginnt an dem Tag, an dem du rausfliegst oder gewinnst.“ Ich bin dann eben rausgeflogen, habe mir aber sofort gedacht: „So, jetzt geht es erst richtig los.“ Aber das verstehen die meisten nicht. Viele warten, nachdem sie aus der Show geflogen sind, einfach nur auf einen Anruf vom ORF. Aber der kommt eben nicht.

2012, 2013 ist es ja dann richtig losgegangen. Waren Sie vom Erfolg überrascht?

Julian Le Play: Eigentlich ist es sogar erst 2014 richtig losgegangen. Wobei ich dazu sagen muss, dass es nicht so wirklich plötzlich für mich gekommen ist. Ich habe schließlich intensiv, Tag für Tag darauf hingearbeitet.

Ihr Album „Melodrom“ landete ja auf Platz drei in den Charts. Vor ein paar Jahren war es noch undenkbar, dass das einer österreichischen Popband gelingen könnte. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Julian Le Play: Was ich nicht getan habe, war, dass ich mich alleine nur aufs Radio verlassen habe. Ich habe mich von Anfang an aufs Livespielen konzentriert. Und da war es mir egal, ob ich vor wenigen Leuten oder vor einem großen Publikum gespielt habe. Entscheidend für mich war, auf der Bühne zu stehen. Daneben habe ich, um mit den Leuten und meinem Fans in Kontakt zu bleiben, auch akribisch meine Facebook-Seite betreut. Und das hat wirklich gut funktioniert.

„Man muss dazu stehen, dass man Popmusik macht.“

Ihnen ist auch der Sprung nach Deutschland geglückt.

Julian Le Play: Auch das ist auch nicht von heute auf morgen passiert. Wir haben uns langsam raufgearbeitet. Das erste Mal, als wir durch Deutschland tourten, haben wir im Schnitt vor 75 Leuten gespielt. Bei der nächsten Tour waren es dann schon 100 und irgendwann 300. Letzten Oktober waren es dann schon 500. Der Publikumszuspruch ist stetig gewachsen, was auch unserem Label in Deutschland zu verdanken ist, das sich diesbezüglich wirklich reingehängt.

Sie haben ja auch bei Ö3 gearbeitet. Das heißt, Sie kennen beide Seiten der Medaille. Die eines Musikers und die eines Radiosenders. Wie stellt man es als österreichische Band an, im österreichischen Radio gespielt zu werden? Vor noch gar nicht allzu langer Zeit fand aktuelle Musik aus Österreich im heimischen Pop-Radio mit wenigen Ausnahmen ja kaum statt.

Julian Le Play: Es gehört zunächst einmal ein richtig guter Song her. Und der muss jetzt nicht megakommerziell sein. Er muss nur einen Wiedererkennungswert haben. Darüber hinaus muss man auch dazu stehen, dass man eben mainstreamtaugliche Popmusik macht und eben keine Mega-Nische. Viele messen hierbei einfach mit zweierlei Maß. Auf der einen Seite machen sie megaalternative Musik, auf der anderen möchten sie aber unbedingt ins Pop-Radio. Man muss dazu stehen, dass man Popmusik macht. Die Band Bilderbuch, die ja eigentlich aus der alternativen Szene kommt, tut das. Und das finde ich gut.
Auf der anderen Seite aber könnten natürlich auch die Radios mehr tun. Nicht nur Ö3, sondern auch KroneHit, die Landesstudios, NRJ, und wie sie alle heißen. Da wären schon ein wenig mehr Offenheit und Mut wünschenswert. Man könnte es ja einfach einmal ausprobieren, einen Song einer österreichischen Künstlerin oder eines österreichischen Künstlers zu spielen. Auf jeden Fall wäre für Musik aus Österreich definitiv mehr Platz da. Man müsste sich aufseiten der Radios vielleicht einfach mehr damit beschäftigen. Aber mittlerweile, glaube ich, tut sich diesbezüglich doch zusehend etwas. Wenn du die Situation mit der vor fünf Jahren vergleichst …
Was mich aber auch noch stört, sind diese hierzulande verhärteten Fronten zwischen der Alternativ- und der Mainstream-Szene. Und, nennen wir es ganz plakativ beim Namen, zwischen Ö3 und FM4. Es gibt die Leute, die auf keinen Fall zur einen, und die, die  auf gar keinen Fall zur anderen Seite, gehören wollen. Wirklich verstehen tue ich das nicht. Ich würde gerne einmal mit Bilderbuch auf einer Bühne stehen können und etwas gemeinsam machen. In anderen Ländern ist diese gegenseitige kategorische Ablehnung nicht so stark ausgeprägt wie bei uns. Es wäre schon einmal ganz gut, würde diese Grenze irgendwann etwas durchlässiger werden.

Danke für das Interview.

Michael Ternai

http://www.julianleplay.com
https://www.facebook.com/julianleplaymusic