Franz Koglmann – Präsentation und Preisverleihung am Freitag, 12.12. im Radio-KulturHaus

Franz Koglmann steht im Mittelpunkt eines musikalischen Programms und er erhält am selben Abend den Ernst-Krenek-Preis der Stadt Wien. Musikalisch geht’s um einmal um die Uraufführung eines neuen Programms für das und mit dem international renommierten Monoblue Quartet, zum anderen die Wiederaufführung von “Nächtliche Spaziergänge” (Nocturnal Walks), seine 2007 in Sibiu uraufgeführte Hommage an Cioran und an Haydn, mit dem Ensemble exxj … ensemble xx. jahrhundert unter Peter Burwik.

 
Lo-lee-ta, im ersten Teil, komponiert für das “Monoblue Quartet” mit Tony Coe (Saxophone, Klarinette), Ed Renshaw (Gitarre) und Peter Herbert (Baß) nimmt die Herausforderung an, die Texte des Fallenstellers Nabokov, der “Täuschungen, Fallen, Preisgabe der Deckung, Irreführung bis zur Hexerei” zu den Maximen seiner literarischen Produktion machte, als Klang und akustische Spurensuche neu zu entwerfen. Ausgangspunkt seines Nabokov-Zyklus ist das “Love Theme from Lolita” von Bob Harris aus dem gleichnamigen Kubrick-Film. Nicht viel mehr als eine Kreativzelle, deren Tonmaterial durch eine Serie von Permutationen, Umkehrungen, Krebsgänge und polyphone Verzweigungen gejagt wird, und wie ein Prisma unterschiedlichste Facetten von Nabokovs raffinierter Erzählkunst reflektiert.”Lo-lee-ta – Music on Nabokov” wird im Anschluß an die Uraufführung für col legno auf CD eingespielt.

“Nächtliche Spaziergänge” kommt (nach der Preisverleihunh um 21.00 Uhr) dann im zweiten musikalischen Programmteil. Mit dem vollen Titel “Eine Gedankendämmerung nach Motiven von Joseph Haydn, mit der Originalstimme von E. M. Cioran” ist dieses Musikstück im Mai 2007 als der österreichische Beitrag zur Europäischen Kulturhauptstadt 2007 im rumänischen Sibiu/Hermannstadt unter der Leitung von Peter Burwik sowie mit Koglmann als Solisten an Trompete/Flügelhorn uraufgeführt worden. Bei col legno ist das Stück gemeinsam mit der originalen Haydn-Symphonie in einer Aufnahme des Haydn Orchester von Bozen und Trient unter Gustav Kuhn auch auf CD erhältlich. (WWE 1CD 20273)

“Ich habe alle Themen von Haydns ,Hermannstädter Symphonie’ verwendet, zum Teil in Originalgestalt, zum Teil in Variationen, anderen Harmonien und Rhythmen. Außerdem gibt es harte Montageschnitte, was auch den Sinn hat, die Ambivalenzen von Cioran zum Ausdruck zu bringen, der einerseits ein totaler Skeptiker, andererseits aber ein recht lebensfroher und keineswegs trübsinniger Mensch war,” erläuterte Franz Koglmann sein Vorgehen in einem Interview. Neben Koglmann als Solist spielen auch Akkordeon und Vibraphon eine Rolle – “weil es dadurch vielleicht ein bissl was Ranziges kriegt” (Koglmann).

 
Dritter unsichtbarer “Akteur” und Mentor des musikalischen Gedankenspaziergangs ist der Philosoph E. M. Cioran, auch das ergab sich aus dem Widmungsort Hermannstadt – Cioran wurde in der Nähe von Sibiu geboren. Franz Koglmann gelang der Spagat, echten Jazz über Haydns “Hermannstädter Symphonie” (man fand dort eine Abschrift, deshalb Hermannstädter) zu ersinnen und obendrein noch Cioran quasi als sinnierenden Spaziergänger in sein Opus zu integrieren. Zitate aus Radiointerviews mit Ciorans Originalstimme gliedern das Stück, strukturieren auch seinen emotionalen Gehalt.

Eine Würdigung (nicht die erste) zur Preisverleihung

Franz Koglmann wurde 1947 in Mödling bei Wien geboren. Er ist gleichermaßen Jazzmusiker (Trompete, Flügelhorn) und Komponist und wird international als wesentlicher Erneuerer am Schnittpunkt von Jazz und Europäischer Moderne rezipiert. Als Jazzer schon in seinen Anfängen in Bereichen eines europäischen Gegenentwurfs zum amerikanischen Jazz, etwa in der Zusammenarbeit mit Wiener Avantgarde-Jazzern der siebziger Jahre (wie Walter Malli), alsbald auch mit bedeutenden Musikern der internationalen Szene (wie Steve Lacy, Bill Dixon, Lee Konitz, Paul Bley, später Tony Coe, mit dem er das Monoblue Quartet gründete).

Besonderes Interesse galt einem den Cool Jazz weiterführenden “Third Stream”, der im Jazz eine neue Balance zwischen Komposition und Improvisation und intelligentere Zugänge als die etwas rassistisch betonte (“Nur Schwarze machen richtigen Jazz”) Groove-Seligkeit mancher Szenen suchte. International rezipiert wurden in diesem Zusammenhang die von Franz Koglmann gemeinsam mit Ingrid Karl ausgerichteten, auch theoriebegleiteten Festivalprojekte der Wiener Musik Galerie, die zum Beispiel etwa die “heimliche Liebe des Jazz zur europäischen Moderne” thematisierten.

Spätestens ab der Gründung seines Kammer-Jazz-Ensembles Pipetet im Jahr 1983, das in variierenden Besetzungen zwischen 8-18 Mitwirkenden auftrat, und der Erreichung der “höheren Weihen” einer Uraufführung in Donaueschingen (The Use of Memory, 1990), gilt Franz Koglmann auch als interessanter, sehr produktiver und auch in E-Musik-Kreisen mit Wertschätzung bedachter Komponist per se. Bei Projekten in diesem Bereich hat er durch die Beschäftigung von bevorzugt vielseitigen Musikerinnen und Musikern auch für die heute zu beobachtende, fast schon als selbstverständlich erlebte Durchdringung verschiedener Genres und Musikszenen mehr als nur ein Quäntchen beigetragen. Für diese ist Koglmann ein wichtiger Anreger geworden, auch, weil sein Horizont überdies niemals auf Musik allein beschränkt war, sich auch auf bildende Kunst, Literatur und Theater erstreckte, was sich in seinen Arbeiten so gut wie immer niederschlug. Seine musikalischen Affinitäten schließen neben dem Jazz die Beschäftigung mit der Wiener Schule, aber auch mit der europäischen und amerikanischen Musikgeschichte allgemein, nicht nur des 20. Jahrhunderts, mit ein, auch die Auseinandersetzung mit Oper, Chortraditionen, die Liebe zum Lied, bei den Komponisten zu Franz Schubert und Alban Berg gleichermaßen wie zu Claude Debussy oder Johann Strauß.

 
Zu Franz Koglmanns wichtigsten Auftragsarbeiten im Grenzbereich Jazz und neue Musik zählen die Ezra Pound-Kantate O Moon, My Pin-Up (Hörgänge 1997), die Schubert-Hommage Ein heller, lichter, schöner Tag (Wiener Festwochen 1997), Don’t Play, Just Be sowie Späte Liebe (Lieder nach Gedichten von Franz Schuh), mit dem Klangforum Wien 1998 bzw. 2001 realisiert, und die “Beach Opera” Fear Death by Water nach T. S. Eliot (Netzzeit-Produktion mit dem Monoblue Quartet und dem Ensemble exxj – ensemble xx. jahrhundert unter Peter Burwik), 2007 dann, ebenfalls mit exxj – ensemble xx. jahrhundert, dann die Haydn – Cioran-Hommage, auch bereits in Wien einmal zu hören (zu Koglmanns 60-er).

Seine zahlreichen Werke erschienen bei den Labels HAT HUT, between the lines, Handsemmel und bei col legno Mit seinen diversen Ensembles konzertierte er weltweit bei vielen Festivals. Seine Auftragskompositionen wurden von den Dirigenten Sylvain Cambreling, Peter Burwik, Dennis Russell Davies, Gustav Bauer, Emilio Pomarico aufgeführt bzw. eingespielt. Koglmann erhielt wichtige Preise, darunter den Preis der Stadt Wien (2001), den Würdigungspreis des Landes Niederösterreich (2003), den Hans Koller-Preis (CD des Jahres 2003). Er lebt in Wien und Sittendorf (Niederösterreich).

Der 1985 anlässlich des 85. Geburtstages von Ernst Krenek von der Stadt Wien gestiftete Preis ist die höchste Auszeichnung die Wien für eine besondere Leistung im Bereich der Musik zu vergeben hat. Der Preis ergeht alle zwei Jahre aufgrund des Vorschlages einer unabhängigen Jury. (hh/hr/Wiener Musikgalerie)

 
FRANZ KOGLMANN am Freitag, 12. Dezember 2008 im Großen Sendesaal
Beginn: 19:30 Uhr

Programm:
Lo-lee-ta – Music on Nabokov (UA)
Just Half a Shade
Lolita Theme
Vadim Vadimowitsch
Ada and Van
Montreux Palace
Martha Dreyer
A Day’s Work
The Original of Laura

MONOBLUE QUARTET
Tony Coe, Klarinette, Tenorsaxophon
Franz Koglmann, Trompete, Flügelhorn
Ed Renshaw, Gitarre
Peter Herbert, Kontrabass

21:00 Uhr

Überreichung des Ernst-Krenek-Preises der Stadt Wien an Franz Koglmann für Nächtliche Spaziergänge durch Kulturstadtrat Dr. Andreas Mailath-Pokorny
Laudator: Klaus Nüchtern

FRANZ KOGLMANN
Nocturnal Walks – Nächtliche Spaziergänge
Eine Gedankendämmerung nach Motiven von Joseph Haydn mit der Originalstimme von E. M. Cioran. Achtsätziges Werk für Kammerorchester und Trompete/Flügelhorn sowie Tonbandzuspielung. Uraufgeführt am 18. Mai 2007 in Sibiu/Hermannstadt als österreichischer Beitrag für die europäische Kulturhauptstadt 2007

exxj … ensemble xx. jahrhundert

Birgit Ramsl, Flöte
Sebastian Frese, Oboe, Englischhorn
Stefan Neubauer, Klarinette, Bassklarinette
Robert Brunnlechner, Fagott, Kontrafagott
Andrej Kasijan, Horn
Franz Koglmann, Trompete – Flügelhorn
Alfred Gaal, Trompete
Clemens Hofer, Posaune
Roman Sprinzl, Tuba
Bojidara Kouzmanova, Violine
Chih-Yu Ou, Violine
Julia Purgina, Viola
Attila Pasztor, Cello
Alfred Melichar, Akkordeon
Berndt Thurner, Schlagwerk, Vibraphon

Dirigent: Peter Burwik

Tonbandzuspielung mit der Stimme von E. M. Cioran (Ausschnitte aus Gesprächen, die Alfred Koch mit Cioran in den Jahren 1986 und 1988 in Paris geführt hat.)

Koglmann © wmg
Monoblue Quartet © wmg