Ende Jänner 2021 erschien das Debüt-Album „Milch für die Fliegen“ von MANUEL PASS aka FATE auf dem Wiener Label Honigdachs. Der gebürtige Grazer pendelt viel zwischen Wien, Graz und seinem derzeitigen Wohnort Berlin. Mit Itta Francesca Ivellio-Vellin hat FATE ein virtuelles Gespräch geführt, und unter anderem über Fliegenfallen, Schicksal und den Unterschied zwischen Hip-Hop aus Österreich und Deutschland geredet.
Wieso lebst du eigentlich in Berlin?
Fate: Ich bin eigentlich schon vor ein paar Jahren zum Studieren nach Deutschland gezogen, so vor 4-5 Jahren. Es war eigentlich immer kürzer geplant, hat sich dann aber immer wieder verlängert, auch weil ich Freunde hier kennengelernt habe. Aber irgendwie bin ich zum Musik machen und Leute sehen immer noch viel in Graz und Wien. Ich führe ein bisschen ein Doppelleben, ein Teil hier, ein Teil da.
Und, funktionierts?
Fate: Ja, schon. Manchmal kann es bissl anstrengend sein. Aber es ist schon auch schön. Berlin ist, wenn jetzt nicht gerade Corona und Lockdown ist, einfach eine coole Stadt zum Musik machen.
Ich habe das Gefühl, dass viele Österreicherinnen und Österreicher, die Hip-Hop machen, nach Berlin ziehen, siehe DJ Stickle, Yung Hurn und Raf Camora. Hat Österreich nichts zu bieten, was das angeht?
Fate: Doch, und das ist auch der Grund, warum ich immer noch trotzdem gern viel in Wien und Graz bin, und auch Musik mit den Leuten von dort mache. Hier ist die Szene auch etwas vielfältiger und kreativer.
Echt?
Fate: Ja schon. Oder zumindest niedrigschwelliger. Man ist mehr in Kontakt und tauscht sich mehr aus.
Vielleicht, weil es kleiner ist?
Fate: Ja, vielleicht. Auch weil man Leute, die bekannter sind, in Berlin nicht mehr trifft.
Weil sie abgehobener sind?
Fate: Vielleicht nicht im Sinne von Arroganz, aber es sind verschiedene Sphären. Wie etwa die Underground-Kultur, wo es viel Austausch gibt, und dann noch die eher Business-mäßige.
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Ursprünglich bist du ja aus Graz. Man verbindet doch mit manchen Bundesländern – oder besser gesagt, Bundeshauptstädten – gewisse Musikstile. Also Salzburg hat den Indie-Rock, natürlich neben der Klassik, Wien hat Techno, in Linz hat der Österreichische Hip-Hop seinen Ursprung. Was geht in Graz ab?
Fate: Gute Frage! Die Beobachtung ist auf jeden Fall interessant. Hip-Hop ist auf jeden Fall auch in Graz angekommen. siebzig prozent ist jetzt auch zum Beispiel ein Weckruf, dass Graz eben einiges zu bieten hat. Im Bezug auf Hip-Hop gab es ja auch die uboot cypher vom Hip-Hop-Kollektiv noedge, wo eben auch mehr Austausch passiert ist. Da sind für Jam-Sessions auch Leute aus Wien vorbeigekommen. Ansonsten ist Graz schon recht divers, die Jazz-Szene ist auch bekannt. Und mittlerweile eben auch Hip-Hop, würde ich sagen.
Wieso eigentlich Fate?
Fate: [lacht] Gute Frage. Mit dem Namen habe ich schon sehr gekämpft, muss ich sagen. Ich mag den Klang aber sehr gern, und, dass es so kurz ist.
Und…Schicksal?
Fate: [lacht] Genau das hat irgendwann angefangen, mich zu stören. Ehrlich gesagt, habe ich, gerade mit dem Album-Release überlegt, ihn noch zu ändern, aber irgendwie mag ich den Klang immer noch. Und, man kennt das ja auch von Acts, die man mag, dass da dann so ein Punkt kommt, wo der Name nicht mehr registriert wird und diese Bedeutungsebene verliert. Aber es steckt jetzt keine tiefe Bedeutung im Schicksal.
Wie lang machst du schon Musik?
Fate: Seit 11 oder 12 Jahren, glaube ich.
„Es war nicht so eine bewusste Entscheidung, sich fürs Album so viel Zeit zu lassen.“
Also schon richtig, richtig lang. Wieso kommt „erst“ jetzt das Album?
Fate: Gute Frage. Ist ein sehr guter Punkt. Ich nehme die Schuld auf mich. Also, es ist schon 2015 die erste EP bei Honigdachs rausgekommen. 2016 dann auch noch eine zweite. Dann kam so eine Phase, in der ich eigentlich viel geschrieben, aber nicht viel releast habe. Es war nicht so eine bewusste Entscheidung, sich fürs Album so viel Zeit zu lassen. Aber irgendwie hat es sich so ergeben. Es war mir auch wichtig, ein rundes Album zu machen und das Konzept durchzuziehen. Also jetzt nicht alle Songs, die so entstehen, aufs Album zu geben. Ich wollte, dass sich das Konzept durch alle Songs durchzieht. Deshalb hat es auch länger gedauert. Vielleicht auch noch wegen des Graz-Berlin-Pendelns. Und wir haben auch viel Zeit ins Arrangement gesteckt.
Also bist du stolz auf das Resultat.
Fate: Ja, ich bin sehr zufrieden. Es ist auch was Schönes, dass es so eine kleine Kapsel ist, in der sehr viel drinsteckt.
Wie lange hat die Produktion jetzt insgesamt gedauert?
Fate: Ich glaube, die ersten Texte sind schon so vor 5 Jahren entstanden. Das waren aber eher Skizzen oder Ideen. Die intensivere Phase war jetzt eben die letzten zwei Jahre.
Ist schon eine längere Zeit. Stehst du immer noch 100% hinter dem Album, oder glaubst du, du würdest anders klingen, wenn du es jetzt aufnehmen würdest?
Fate: Darüber habe ich tatsächlich selber nachgedacht. Natürlich kann ich mich mit mir selbst von vor zwei Jahren immer noch identifizieren, aber es ist schon eine andere Version von mir. Aber das habe ich auch so an dem Album gemocht, dass es diese Phase repräsentiert, die aber langsam vorbeigeht. Das hört man eh auf dem Album, zum Beispiel in „Amnesia“, wo es um einen Rückblick geht, aber auch gleichzeitig darum, dass es eben vergangen ist. Musikalisch stehe ich auch immer noch hinter dem Album, weil es eben meinen Stil der letzten Jahre verkörpert. Aber ja, es sind schon einige Tracks sehr dicht geschrieben, sehr flow-lastig und schnell – mittlerweile mag ich es aber ganz gern, wenn es ein bisschen dynamischer ist. Viele Leute, die Hip-Hop machen, bringen auch kaum Alben raus, weil es eher in Richtung Singles und einzelne Videos geht. Ich finde es cool, dass Videos so eine große Rolle spielen. Aber wenn dann Alben kommen, dann sind sie richtig rund, so wie bei Monobrother. Deshalb kann man sich auch mal Zeit lassen, beim Album-Machen.
Dein Album erinnert mich ein bisschen an oldschool Texta Ende der 90er und noch etwas, aber ich komme nicht drauf, was. Was sind denn deine Vorbilder und Inspirationsquellen?
Fate: Das ist echt schwer, so den Finger darauf zu halten, weil es einfach sehr viel Verschiedene Sachen sind. Man hat ja immer so Artists, die man viel hört und man zieht sich dann immer irgendwas raus, oder irgendwas schleicht sich dann rein. Nicht im Sinne von Kopieren, sondern eher von Verbinden. Was den Flow angeht, und das Schnelle – früher habe ich gern RAG gehört, und diese Art von Wortspielen mag ich immer noch supergern. Hiob, Morlockk Dilemma, diese Schiene ist auch cool. Diese Art von Storytelling und der besondere Fokus auf Lyrics, das finde ich gut. In den letzten Jahren habe ich auf viel UK-Hip-Hop gehört. Ich mag aber so jazziges, wie The Roots. Manche haben mich mit Edgar Wasser verglichen, auch wenn ich das nicht so sehe.
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„Diese Vielfalt an Zugängen zu Sprachmaterial macht Österreichischen Hip-Hop schon echt interessant.“
Den Vergleich mit Edgar Wasser finde ich auch nicht so treffend, um ehrlich zu sein. Aber du hast jetzt einiges an deutschen Hip-Hop genannt. Du machst aber schon österreichischen Hip-Hop, würde ich sagen. Beziehungsweise: Wo siehst du den Unterschied zwischen Hip-Hop aus Österreich und Deutschland?
Fate: Boah, echt gute Frage. Das ist interessant. Also ich habe tatsächlich jetzt in erster Linie deutsche Artists aufgezählt, aber ich höre auch viel Hip-Hop aus Österreich, allein die ganze Honigdachs-Gang. Eine Sache, die österreichischen Hip-Hop von deutschem unterscheidet, ist auf jeden Fall, dass in Österreich der Dialekt eine größere Rolle spielt, was ich super gerne dran mag, weil es richtig viel hergibt an neuen Wörtern, die vielleicht noch nicht so verbraucht sind, die noch nicht gereimt sind, was man zum Beispiel bei Monobrother merkt. Aber auch phonetisch, also, dass die Leute so sehr damit spielen. Bei Rap geht es ja auch sehr stark um den Klang der Wörter, nicht nur um die Melodie. Da sind Dialekte aus Tirol oder Wien schon genial. Die bringen dann auch sofort so einen bestimmten Vibe rein. Diese Vielfalt an Zugängen zu Sprachmaterial macht Österreichischen Hip-Hop schon echt interessant. In Deutschland gibt es zwar viel Eigenständiges, aber viele Sachen gehen auch einfach in eine Richtung, die man eh schon kennt. Zum Beispiel mag ich die Sichtexot-Sachen schon echt gerne, diese Art zu betonen, die auch ähnlich wie bei Hiob ist, oder auch Lord Folter, aber manchmal kennt man halt schon die Art, wie Leute Wörter aussprechen.
Der Titel deines Albums, „Milch für die Fliegen“, steht für eine Fliegenfalle – kannst du das nochmal kurz erklären? Inwieweit steht diese Falle für das Album?
Fate: Ja genau, das ist eigentlich so ein altes Hausmittel, von dem ich zufällig gelesen habe. Man mischt Milch mit Fliegenpilz und das ist ein anziehendes Gift für Fliegen. Ich glaube, deshalb heißt der Fliegenpilz auch so.
Hast du’s es ausprobiert?
Fate: Nein, tatsächlich nicht. Ja, vielleicht wäre das echt interessant.
Was, wenn es nicht funktioniert? Was heißt das dann für das Album?
Fate: Das stimmt. Vielleicht ist es dann ein Hoffnungsschimmer. Irgendwas daran hat mich auf jeden Fall fasziniert und deshalb habe ich es mir als Notiz im Handy gespeichert. Es hat so eine archaische Aufladung, und, dass man diese Schüssel mit Milch hinstellt, hat etwas von einem Opferaltar. Es hat einfach so viele Ebenen, die mir daran gefallen. Milch wird ja auch mit Mutter assoziiert und hat etwas Unschuldiges, Fliegen werden allerdings gern in Verbindung mit dem Tod gebracht. Ein zentrales Thema am Album ist auch Rausch, in verschiedenen Hinsichten. Das steckt alles irgendwie drin, in dieser Metapher des Albumtitels, das Kreisen um etwas, und sich davon angezogen fühlen, was aber gleichzeitig etwas ist, was etwas Destruktives hat. Das symbolisiert für mich auch der Rausch, das Kreative, aber auch Destruktive.
Abseits von irgendwelchen illegalen Substanzen, was berauscht dich?
Fate: Gute Frage. Also was im Album immer wieder durchkommt, ist Schlafmangel, was, glaube ich, auch manchmal so ein Zustand sein kann. Aber ich habe auch mal zwei, drei Jahre nichts konsumiert, also auch keinen Alkohol getrunken. Die reine Askese, quasi. Ich finde, auch das hat irgendwas Berauschendes auf eine Art, zum Beispiel beim Ausgehen, man kommt trotzdem so in einen spannenden Zustand.
Herzlichen Dank für das Interview!
Itta Francesca Ivellio-Vellin
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Links:
Honigdachs