„Es ist total wichtig, dass wir Vorbilder haben, die uns zeigen, was alles möglich ist!” – LILLY JAGL und KATHI WIESLER (STERRRN FESTIVAL) im mica-Interview

Das STERRRN Festival hat am 25. und 26. Juni seine Premiere am Areal des österreichischen Skulpturenpark in der Steiermark. Neben einem Musik Line-up mit lokalen queerfeministischen Acts, bietet das Projekt des KULTURVEREINS GRRRLS mehrere Bühnen, an denen FLINTA* aus verschiedenen Kultursparten, wie Literatur, Musik und Performance aufeinandertreffen. LILLY JAGL und KATHI WIESLER, zwei der Initiator*innen, erzählten im Gespräch mit Johann Redl von der Idee des Festivals und teilten darin ihre Gedanken über nachhaltige Gleichberechtigung. Es ging dabei um die Entstehung des Festivals, um den KULTURVEREIN GRRRLS und um die Rolle von Vorbildern, die notwendig sind um in die STERRRNe zu sehen.

Welchen Bezug habt ihr zu den Grrrrls?

Lilly Jagl: Der Grrrls Verein in Graz organisiert schon seit über 12 Jahren coole, queerfeministische Events. Kathi und ich kamen als DJs mit den Grrrls in Berührung, bevor wir dann selbst im Vorstand aktiv waren. Die Gründung geschah als Hommage an die Riot Grrrls der 90er, die in ihrem Bereich – dem Punk-Hardcore-Bereich – für Gleichberechtigung sorgen wollten. Gleichberechtigung wollen auch wir in Graz schaffen, indem wir Bühnen für FLINTA*-Acts bieten und diese fördern. Ganz im Sinne unserer Gründungsmütter, die erste regelmäßige Reihen veranstalteten, weil es sonst Niemand für sie machen wollte.

Also sehr DIY das Ganze: wenn’s keine*n gibt, der*die das für dich macht, dann mach’s selbst oder do-it-together…

Kathi Wiesler: Von Grund auf, voll!

Und daraus hat sich schließlich auch das STERRRN Festival entwickelt. Wollt ihr unseren Leser*innen kurz skizzieren, wie es dazu gekommen ist?

Lilly Jagl: Also… in einer lauen Märzen-Nacht sind wir Zwei zusammengesessen und fanden heraus, dass es eine Förderung für Freiluft-Formate gibt – in Anlehnung an die ganzen Corona-bedingten Absagen. Prompt kam uns daraufhin die Idee, ob wir nicht auch eine Bundesförderung versuchen wollen…? (Beide lachen)

Kathi Wiesler: Ja, genau, first time war das! Und, weil wir selbst gerne auf Festivals gehen, entstand die Idee gleich etwas Größeres zu machen, so für 2 Tage – mit dem Anspruch genau dieselbe musikalische Qualität und Vielfalt zu liefern, wie auch an einem Tag oder Abend. Woraufhin wir beschlossen: Lass es uns probieren! Das war dann der Startschuss für unsere Konzeptentwicklung.

Nur von euch zwei?

Kathi Wiesler: Nein, natürlich gemeinsam mit unserer Ob-Frau, Vize-Ob-Frau, dem Rest des Vorstands… und uns.

Lilly Jagl: Wir sind zu sechst im Vorstand und das Ansuchen der Förderung war eine gemeinsame Entscheidung. Wer sich ein bisschen damit auskennt, weiß, dass das mit viel Arbeit und Zeit verbunden ist. Umso mehr freuen wir uns, dass wir dieses Wochenende endlich zeigen können, was wir uns überlegt haben!

In euer Programm, das einige lokale Größen wie KDM, Mme Psychosis, Puke Puddle oder Dives verspricht, fädelt ihr auch die Fragestellung der nachhaltigen Gleichstellung für FLINTA* Personen gekonnt ein.

Lilly Jagl: Ja, also das schreiben wir ja eh auf unsere Fahnen! Denn der Grrrls Kulturverein tritt dafür ein – und zwar immer! Deshalb wählten wir auch genau diesen Slogan für Pressetexte und andere mediale Orte, wo das STERRRN Festival angekündigt wird. Nichts hätte besser gepasst – denn das ist unser spirit!

Kathi Wiesler: That’s the spirit, genau. Unsere DJs folgen sowieso schon dem Motto “gelebte Gleichberechtigung hinter den Turntables” – das wollen wir nun auch auf die Bühnen bringen. An 2 Tagen Festival!

Fragestellung check, Förderung check – und wie ging es mit der Kuration dann weiter?

Katha Wiesler:
Also angefangen haben wir mit den Mainstage-Artists, von denen wir wussten, dass sie vielleicht ein bisschen mehr Space für ihren musikalischen Anspruch brauchen. Die fanden wir tatsächlich recht schnell. Und dann hatten wir auch noch die Idee mit einem Open-Call.

Die Location war also schon klar.

Kathi Wiesler: Genau. Die Location war der Ausgangspunkt und wir wussten auch schon, wo die Mainstage sein soll: nämlich im Zentrum, neben dem Berggarten-Café. In unserem Open-Call stand, dass Bewerber*innen angeben können, welche Skulptur des Skulpturenparks sie gerne bespielen wollen. Und mit diesem Auswahlverfahren sind wir dann gestartet und haben geschaut, welche Programme, Musiker*innen und Performances gut zusammenpassen würden. Daran orientierte sich dann auch letztlich die Kuration.

Lilly Jagl: Ja – ich kann vielleicht noch hinzufügen, dass sich beim Erstellen des Musikprogramms ein paar Luxusprobleme zeigten, da wir fast schon zu viele Acts für ein zweitägiges Festival hatten. Mit dieser Menge hätten wir ein einwöchiges Festival füllen können! Deshalb will ich kurz das gängige Klischee aus der Welt räumen, das besagt, es gäbe zu wenig FLINTA* Acts: klares nein! Es gibt so Viele! So Viele, dass allein wir uns bei der Auswahl echt schwergetan haben. Wir hätten am liebsten noch viel, viel mehr Leute eingeladen.

Gar keine einfache Entscheidung einen Open-Call auszurufen, so viele Anfragen zu bekommen und dann auch richtig mit potentiellen Absagen umzugehen. Worin lag denn der Reiz ihn zu machen?

Lilly Jagl: Wir wollten unseren eigenen Bubble-Horizont erweitern, um zu erkennen, was es sonst noch so gibt. Natürlich ist es unangenehm Leuten absagen zu müssen, aber wir wollen die Acts im Gedächtnis für andere Events behalten.

Nochmal zurück zur nachhaltigen Gleichstellung: warum brauchen wir sie?

Kathi Wiesler:
Weil sie Status Quo werden soll, damit vorrangig male-dominated Festivals ein Ende haben! Mit dem STERRRN Festival wollen wir deshalb einen sichtbaren Raum schaffen, in dem Menschen, denen die Thematik vielleicht noch nicht so vertraut ist, über unsere Bubbles, Programme und Multiplikator*innen informiert werden. Damit sich die Gleichstellung manifestiert, weiterwachsen und nachwirken kann.

Mit Lese- und Literaturbühne, Gesprächs-Panels, Workshops und performativen Ausdrucksformen ebnet ihr ebenfalls den Weg für einen multi-disziplinären Ansatz. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Lilly Jagl: Auch hier wollten wir unseren eigenen Horizont erweitern. Uns war es wichtig zu zeigen, dass einfach mehr möglich ist. Im Übrigen sind wir auch sehr froh darüber gemeinsam mit der IG Kultur Steiermark das Gesprächs-Panel ins Leben gerufen zu haben. Damit ist ein Ort geschaffen, an dem wirklich spannende und wichtige Diskussionsformate geboten werden. Unser Festival soll mit den vielen Disziplinen einem echten Festival gleichen, so wie wir es uns nunmal vorstellen. Wir wollten allen Besucher*innen etwas bieten und sie zu neuen Denkanstößen einladen – und wenn dir was nicht taugt, gehst halt weiter und schaust, was es sonst noch gibt!

Kathi Wiesler: Genau. Weil auch wir vielseitig interessiert sind, war es uns wichtig über verschiedene Formate und Disziplinen neue Menschen anzusprechen, die dann Lust auf unsere Musik- und Performance-Acts bekommen.

„Selbst wenn du sie nicht siehst, sie sind da” lasst ihr auf eurer Homepage unter der STERRRN-Headline aufblitzen und spielt damit auf die Sichtbarkeit von Queer-Feminismus an. Welchen Stellenwert hat die Sichtbarkeit denn für euch?

Lilly Jagl: Natürlich einen sehr hohen Stellenwert! Deshalb machen wir das Ganze ja. Es ist total wichtig, dass wir Vorbilder haben, die uns zeigen, was alles möglich ist! Und auch wir wollen uns nicht verstecken. Deshalb haben wir auch eine Bühne von Pink Noise kuratiert. Pink Noise ist ein Verein, der alljährlich im Sommer ein Camp für FLINTA* Personen organisiert, wo Musikinstrumente ausprobiert oder erste Bands gegründet werden können. Man kann viel über das Musikbusiness lernen und einfach gemeinsamsein. Wir freuen uns extrem, dass Pink Noise mit dabei sind, denn sie zeigen nicht nur wie es kann, sie leben es auch vor. Übrigens: unsere wie Acts Puke Puddle oder Dives haben sich genau auf diesem Camp kennengelernt. Die Botschaft zieht sich also durchs ganze Festival: alles ist möglich, man muss es nur machen. Und noch leichter ist’s gemeinsam, mit mehr Energie.

Und dennoch ist es auch wichtig, dass ein Bewusstsein für den Wert von Kulturarbeit geschaffen wird, weil auch eure Arbeit eben nicht umsonst passiert.

Lilly Jagl: Dieses omnipräsente, wichtige und vieldiskutierte Thema wird deshalb ebenfalls im Diskurs aufgegriffen werden. Die IG Kultur Steiermark hat das sowieso auf dem Schirm und lenkt da bereits sehr viel in die richtige Richtung. Abhängig ist es natürlich von der Politik, aber da hängen wir sowieso alle im selben Boot. Das bleibt eine Herausforderung. Gerade in unserem Bereich, der Subkultur, sehe ich da einen echten Nachholbedarf an Wertschätzung. Nur weil es keine Klassik ist, bedeutet es schließlich nicht, dass die Arbeit weniger wert oder unwichtiger wäre. Aber aus Liebe zu dem, was wir machen, verbrennen wir uns ein bisschen daran – auch, wenn wir bei der Programmerstellung erkennen mussten, dass die Abhängigkeit von Fördermitteln eben auch bedeutet, sich an vorgegebene Ressourcen zu halten.

Kathi Wiesler: Kulturarbeit soll einfach gleichwert geschätzt werden!

Und deswegen sprechen auch wir darüber.  In diesem Sinne: aufschlussreiche STERRRN-Stunden uns allen und danke fürs Gespräch!

Von Johann Redl & Marion Ludwig

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