Mit KRISTY AND THE KRAKS ist der Kindheitstraum von Ana Threat, Mitglied einer wilden Girlgroup zu sein, in Erfüllung gegangen. Gehüllt in Schwarz und mit Frisuren à la Ronnettes stehen Threat und Kate Kristal seit 2014 gemeinsam an Schlagzeug, Gitarre und Mikrofon. Im Interview mit Julia Philomena spricht das Duo von akustischer Direktheit sowie der Liebe zu musikalischen Heimstätten wie dem Wiener Rhiz.
Wie entstand Kristy and the Kraks?
Ana Threat: Kate und ich kennen einander schon lange. Über gemeinsame Freunde, die sich alle in ähnlichen musikinteressierten Kreisen bewegen, haben wir uns das erste Mal beim Ausgehen getroffen. Die Idee als Duo Musik zu machen, ist erst viel später entstanden, nach vier Jahren etwa.
Kate Kristal: Wir haben die Musik oder Bandprojekte der jeweils anderen immer sehr geschätzt und gemocht, so dass es nur eine Frage der Zeit war, bis wir beide uns zusammenzuschließen und gemeinsam etwas ausprobieren wollten.
Ana Threat: Das ist eine Geschichte, die man oft in frühen Punkband-Biografien lesen kann, denn auch bei uns gab es plötzlich einen unerwarteten Geldbetrag. Eines Nachts im Rhiz hast du mir ein Angebot gemacht, Kate. Du hast mich an der Bar auf die Seite gezogen und gesagt: „Ana, es gibt einen unerwarteten Geldbetrag und ich möchte einen Teil dieses Geldes dafür verwenden, mit dir eine Single aufzunehmen!“.
Kate Kristal: (lacht) Das war eigentlich eh nur ein bisschen Geld. Die Idee war zu Beginn tatsächlich nur eine Single-Aufnahme für das Totally Wired Record Label.
Ana Threat: Und wie es dann aber doch unverhofft und oft so kommt, hat man Spaß und macht jahrelang weiter.
“Wir haben Kristy and the Kraks von hinten aufgezogen.”
Wie hat sich Ihr Zusammenspiel ab diesem Zeitpunkt weiter entwickelt?
Kate Kristal: Wenn man einmal gemeinsam auf Tour gewesen ist, dann ist man eine Band. So war das auch bei uns.
Ana Threat: Wir haben Kristy and the Kraks von hinten aufgezogen. Zuerst die Single, aus der dann bald eine EP geworden ist. Die Nummern waren bereits aufgenommen und wir hatten auch schon die Fotos fürs Cover. Eigentlich war alles fertig, nur sind wir damals noch nie gemeinsam auf der Bühne gestanden.
Kate Kristal: Oder im Proberaum. Wir haben die EP gemacht ohne zu wissen, wie das eigentlich funktionieren soll. Da war anfangs kein Kalkül.
Ana Threat: Es kam der Punkt, an dem plötzlich ganz klar war, wie es weiter geht, in welche Richtung sich unser Sound bewegen wird. Der direkte, schnörkellose Zugang zu unserer Musik war wichtig, weil wir auch auf der Bühne alles so spielen wollen, alles so funktionieren muss, wie bei der Aufnahme. Viel Arrangement durfte es somit von Beginn an nicht geben. Und im Laufe der Zeit hat sich unsere markante Reduziertheit, das Knochig-Rauhe herauskristallisiert.
Kate Kristal: Wir wurden zum Beispiel schon oft darauf angesprochen, wieso sich unser Debütalbum „Smile“ in Summe nur auf 20 Minuten beläuft. Und die Antwort ist einfach, denn in den 20 Minuten war alles gesagt, was wir zu sagen hatten. Unsere Musik sollte nicht länger sein. Ich zum Beispiel würde sie auch nicht gerne länger hören. Live spielen wir ebenfalls keine Rock-Opern. Man überfordert die Zuhörer vielleicht mit der Kürze, weil es schwieriger ist, sich in die Musik hineinzufinden. Das Lied hat gerade erst begonnen und schon ist es wieder vorbei und wir merken, dass der Applaus verzögert einsetzt. Das gefällt mir ganz gut.
Wie wichtig ist für Sie die Live-Performance?
Ana Threat: Ich würde am liebsten die ganze Zeit spielen. Jeden Tag drei Mal und am liebsten mit all meinen Bands gleichzeitig. Nur ginge sich das nicht aus.
Kate Kristal: Ich auch, auf jeden Fall! Aber da müsste man sich ganz neu aufstellen. Kontinuierlich Pausen von der Arbeit einlegen, sich und seinen Alltag neu strukturieren.
“[…] ich bin kein Opfer der Musikindustrie!”
Sie beide arbeiten neben der Musik in ganz anderen Bereichen, nämlich in der Wissenschaft und der Grafik. Könnten Sie sich vorstellen, ausschließlich von Ihrer Passion, der Musik leben zu können oder leidet man somit zwangsläufig unter den Zwängen der Industrie?
Kate Kristal: Also ich leide sicher nicht! (lacht) Ich bin sehr glücklich, ich bin kein Opfer der Musikindustrie! Ich will mit der Musik aber auch nichts verändern. Ich will nicht mit dem erhobenen Zeigefinger bestehende Hierarchien stürzen oder politisch ermahnen.
Ana Threat: Und man kann auch sagen, dass es für uns ausgezeichnet läuft. Dafür, dass wir uns an einem Nebenschauplatz verorten können und nicht davon leben müssen. Müsste man allerdings davon leben und würde man unsere Musik als unsere Berufung betrachten, wäre das bestimmt furchtbar.
Kate Kristal: Es ist aber nicht zwangsläufig der Untergang, wenn Passion zur Arbeit wird. Der Zugang verändert sich vielleicht. Und selbstverständlich ist es sehr abhängig von der Musik oder generell dem jeweiligen Medium, mit dem man Geld verdienen möchte. Musik ist ja nicht gleich Musik.
Ana Threat: Ich arbeite in der Forschung an einer Kunstuniversität und habe deswegen eine sehr genaue Vorstellung davon, wie Kreativität mit den Zwängen des Produzierens für Lohnarbeit vereint werden kann. Die Entzauberung des kreativen Arbeitens in Sachen Musik könnte allerdings auch darauf zurückzuführen sein, dass sich das Geschäft seit den 1970er Jahren stark verändert hat.
“So verkauft man keine Band, aber es macht mich glücklich.”
Wie würden Sie Ihre Beziehung zum Publikum beschreiben?
Kate Kristal: Im Idealfall merkt man, dass sich das Publikum angesprochen fühlt, die Musik versteht und sich freut darüber. Das kommt zu uns zurück und das macht Spaß. Aber es ist bestimmt nicht unser größtes Anliegen, das Publikum zufrieden zu stellen.
Ana Threat: Ich sehe das wieder in dem Punk-Kontext: Ich habe mit fünfzehn Jahren angefangen selber in Bands zu spielen und mich daher zwangsläufig auch mit den Subkulturen, der Musikszene auseinander gesetzt. Für mich war diese Welt immer stark verwoben mit meinem sozialen Umfeld: Ich mache Musik, alle meine Freunde machen Musik und mittlerweile wäre es anders unvorstellbar für mich. Und auch wenn das sicher schnell zum Todesurteil vieler Musiker werden kann, spiele ich am liebsten in Wien, im Rhiz, vor den selben zwanzig Leuten, die das alles schon zum 80. Mal gesehen haben. So verkauft man keine Platten, das weiß ich. Und so verkauft man auch keine Band, aber es macht mich glücklich.
Kate Kristal: Mir gefällt es schon auch, vor einem unbekannten Publikum zu stehen. Die haben keinerlei Vorwissen. Das Publikum ist unvoreingenommen und neu. Wenn mir ein Fremder nach dem Konzert auf die Schulter klopft um mir ein Kompliment zu machen, ist das sehr viel Wert, weil es fraglos aus keiner Gefälligkeit heraus passiert.
Ana Threat: Die Dynamik ist natürlich eine andere wenn man aus seinem sozialen Umfeld, dem Blasenkontext heraustritt. Aber ich schätze die Blase sehr, ich liebe sie. In der Blase entsteht oft etwas sehr Irres. Durch mein Umfeld kommt es zum konstanten Austausch, zur Weiterentwicklung oder zu neuen Ideen. Das formt sehr und zeichnet diesen lokalen, intimen Faktor aus.
“Bei Kristy and the Kraks macht sich sehr viel von selbst.”
Wie kann man sich Ihre musikalische Herangehensweise vorstellen?
Kate Kristal: Sehr fokussiert. Wir haben Ideen, diese werden geteilt und bearbeitet und die Lücken ergänzt.
Ana Threat: Und mit aller Deutlichkeit kann man sicher sagen, dass wir nicht jammen.
Kate Kristal: Natürlich probieren wir aus und spielen uns manchmal mit dem Beat, aber das ist eher die Ausnahme.
Ana Threat: Wir nehmen oft das Erste, was kommt. Bei Kristy and the Kraks macht sich sehr viel von selbst.
Welchen Stellenwert hat Ihr ästhetischer Auftritt, die visuelle Ebene?
Kate Kristal: Die ist uns sehr wichtig, und zum Glück sind unsere ästhetischen Vorstellungen auch sehr ähnlich. Unsere Outfits und das Artwork sind stimmig und auf jeden Fall wichtiger Bestandteil der Band. Theresa Adamski hat ein Musikvideo für uns gemacht, das unsere Grundästhetik nicht bessere hätte widerspiegeln können.
Ana Threat: Aber Musikvideos sind auch so ein Thema. Würde man kontinuierlich welche produzieren, müsste man so viel in das von uns nicht gerade geliebte Arrangement investieren, müsste ein großes Team aufstellen, ein Budget etc. Das ist im Endeffekt alles sehr unkontrolliert und kostet viel Zeit.
Kate Kristal: Die eigene Stimmung, die durch Videos entsteht, die Richtung die vorgegeben wird, die gefällt uns schon. Das ist eine schöne, ergänzende Ebene.
Ana Threat: Aber natürlich ist unsere Musik auch von Visuellem beeinflusst. Zum Beispiel von den Filmen von John Waters – Filme wie Pink Flamingos sind definitiv dafür mitverantwortlich, dass unsere Performances so aussehen, wie sie aussehen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Julia Philomena
