Die malerischen Melodien von Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ in Verbindung mit den künstlerischen Konturen eines Live-Painters? So gestaltet sich das Familienkonzert am 9. und 10. Juni 2018 am terminal 2 am Salzburg Airport zum Saisonauftakt der Kinderfestspiele Salzburg. In einem Interview mit ELISABETH FUCHS, Gründerin der Kinderfestspiele und Chefdirigentin der PHILHARMONIE SALZBURG, fand Malina Meier mehr über das Konzept der Kinderfestspiele und die verschiedenen Musikvermittlungsansätze der Dirigentin heraus.
Frau Fuchs, als Chefdirigentin der Philharmonie Salzburg setzen Sie sich stark für die Vermittlung von Musik an Kinder und Familien ein. Welchen Stellenwert nehmen diese Konzertformate in Ihrer Arbeit als Dirigentin ein und inwieweit ist es Ihnen auch persönlich ein Anliegen, diese Formate umzusetzen?
Elisabeth Fuchs: Seit meinem ersten Dirigat 1998 mit der von mir gegründeten Philharmonie Salzburg ist mir die Musikvermittlung an Kinder und Jugendliche immer ein Grundbedürfnis gewesen. Ich schrieb damals, als 22-jährige Dirigier- und Musikpädagogikstudentin, auf den Probeplan: „Generalprobe öffentlich für Schulklassen“. Es kamen 600 Schülerinnen und Schüler im Alter von 10 bis 18 Jahren. Ich moderierte die Probe, die eigentlich ein Konzert in Straßenkleidung war, was sehr gut ankam. Seither kümmerte ich mich um Proben oder Konzerte für Kinder und Jugendliche. Die Musikerinnen und Musiker und ich empfanden das als zeitgemäß, richtig und zukunftsdenkend. Wir boten die für die „Erwachsenenkonzerte“ geprobten Programme auch für Jugendliche an, sei es als moderierte Generalprobe im Konzertsaal, oder Auszüge davon pädagogisch altersgerecht aufbereitet im Turnsaal einer Schule.
Diese Educationformate nahmen vor allem in den letzten zehn Jahren einen großen Stellenwert in meiner Arbeit ein. Ich initiierte die Kinderfestspiele, – symphonische Konzerte mit Aktion und Interaktion – die Lehrlingskonzerte im Großen Festspielhaus sowie die Symphonic Talk Konzerte. Im Herbst starten wir mit etwas komplett Neuem: Bei NEXT LEVEL trifft die Philharmonie Salzburg auf DJs und Akrobaten. Ich liebe es, die großen Klassiker und Romantiker zu dirigieren. Dennoch leite ich mit Freude und Überzeugung auch spannende Cross-Over-, interessante Education- und auch Audience-Development-Projekte.
Symphonic Talk Konzerte
Im Rahmen der Kinderfestspiele werden, wie Sie gerade erwähnt haben, Symphonic Talk Konzerte angeboten. Wie sieht das Konzept hierbei aus?
Elisabeth Fuchs: Die Kinderfestspiele wurden 2007 von mir gegründet und widmen sich seitdem der symphonischen Musikvermittlung an Familien mit Kindern im Alter von 3 bis 12 Jahren. Die Symphonic Talk Konzerte sehe ich als Fortsetzung für ein Publikum ab 12 Jahre. Dieses neue Format bietet eine abwechslungsreiche Mischung aus klassischer Musik und spannenden Dialogen zwischen mir als Dirigentin und meinen Gästen on stage. Wir starten mit den Konzerten bewusst um 18.15 Uhr in der Großen Universitätsaula, die Dauer ist auf 75 Minuten ohne Pause begrenzt. Ich denke, dieses Erlebnis eignet sich ideal für einen schönen Abend mit der Familie, von 12 bis 99 Jahre.
Die Kinderfestspiele sind im Wesentlichen in zwei Teile gegliedert: Alljährlich finden jeweils im Mai/Juni in der „Kinderfestspielwoche“ sogenannte Workshop- bzw. Schüler- und Kindergartenkinderkonzerte in Salzburg und Umgebung statt. Für dieses Jahr erwarten wir an die 15.000 Kinder im Alter von 3 bis 12 Jahren, die in den Hör- und Sehgenuss von Mussorgskys Orchesterwerk „Bilder einer Ausstellung“ kommen werden. Dafür haben wir eine interaktive Fassung mit Orchester, Live-Painter, Schauspiel und Pantomime erarbeitet. Zudem erhält jedes Kind eine Gratis-CD mit dem Orchesterwerk und Liedern, die für dieses Konzert kreiert wurden. Zusätzlich gibt es für die Konzertbesucher in Salzburg die Möglichkeit, Orchesterinstrumente unter professioneller Anleitung auszuprobieren.
Für die Workshopbesucher gibt es eine altersspezifische Einführung in Mussorgskys Werk. Jährlich finden etwa 360 Workshops à 20 Kinder statt, geleitet von Musikerinnen und Musikern der Philharmonie Salzburg. Einmal ist keinmal, deshalb haben wir auf das Jahr verteilt insgesamt sechs halbszenische Familien-Konzertprojekte aufgelegt. Ein Familienkonzert dauert in der Regel 60 Minuten. Immer on stage sind die Philharmonie Salzburg, zwei bis vier Schauspielerinnen und Schauspieler, Sängerinnen und Sänger oder Tänzerinnen und Tänzer. Auf dem Programm für die Saison 2018/19 stehen neben „Bilder einer Ausstellung“ auch „Der Nussknacker“, „Bach für Kids“, „Mexikanische Weihnacht“, „Le Nozze di Figaro“ – in einer Kurzfassung – und ein Frühlingskonzert mit den Hollerstauden.
Zum Konzert zu Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ haben Sie einen Malwettbewerb ausgeschrieben, wobei die Gewinner-Bilder Preise bekommen. Wie wichtig ist für Sie die Verbindung verschiedener Kunstformen bzw. eine spartenübergreifende Musikvermittlung?
Elisabeth Fuchs: Spartenübergreifend zu arbeiten finde ich horizonterweiternd. Bei „Bilder einer Ausstellung“ passt es einfach perfekt! Wir holen zeitgenössische Malkunst mit auf die Bühne und geben den Kindern durch den Malwettbewerb einen Impuls selbst bildnerisch zu gestalten.
Beim Jubiläumskonzert anlässlich des 20. Geburtstags der Philharmonie Salzburg wird das Orchester sogar mit zwei DJs und über 20 Akrobatinnen und Akrobaten zur Musik von Antonín Dvořák, Ludwig van Beethoven, John Williams und Arvo Pärt performen.
Erste Kontakte mit den Instrumenten eines Orchesters
In den Kinderkonzerten können die Kinder auch immer Instrumente ausprobieren und kennenlernen. Welche Erfahrungen haben Sie hierbei gemacht, wie nachhaltig so eine erste Begegnung mit einem Orchesterinstrument ist bzw. wie groß sich das Interesse der Kinder dann gestaltet, selbst ein Instrument zu erlernen?
Elisabeth Fuchs: Jährlich probieren im Rahmen der Kinderfestspiele über 7.000 Kinder diverse Orchesterinstrumente unter Anleitung von Orchestermitgliedern der Philharmonie Salzburg aus und ja, wir können sagen, dass das nachhaltig erfolgreich ist. In den letzten zehn Jahren bekamen wir sehr viele Rückmeldungen, dass Kinder oder Jugendliche aufgrund der Kinderfestspiele angefangen haben Kontrabass, Geige oder sonst ein Instrument zu lernen. Das ist wirklich eine schöne Bestätigung unserer Arbeit.
Bei den Symphonic Talk Konzerten sind Sie nicht nur als Dirigentin aktiv, sondern auch als Moderatorin. Wie gestalten Sie hierbei Ihre Moderationen und was ist Ihnen wichtig, dabei inhaltlich zu vermitteln?
Elisabeth Fuchs: Meine Moderationen sind immer sehr locker angelegt. Ich möchte nicht in eine objektive Moderatorenrolle rutschen, sondern sehr klar als Elisabeth Fuchs über Musik, Leidenschaft, Vorlieben, Background- und Backstageinfo sprechen. Ich erzähle Wissenswertes über die Werke, so anschaulich, dass jeder eine Erkenntnis mit nach Hause nimmt. Dabei ist es mir wichtig, dass auch gelacht oder geschmunzelt wird.
Musikvermittlung in Salzburg
Welche Relevanz hat Musikvermittlung, wie Sie diese durchführen, in so einer musikgeschichtlich bedeutsamen Stadt wie Salzburg?
Elisabeth Fuchs: Musikvermittlung hat in Salzburg mittlerweile vor allem durch die Kinderfestspiele einen hohen Stellenwert. Dieser darf aber gerne noch höher werden! Die Kinderfestspiele habe ich unter anderem deshalb gegründet, weil ich vor circa 15 Jahren bemerkt habe, dass der „Klassikmarkt“ im Musikland Österreich und so auch in Salzburg für die Zukunft stark gefährdet ist. Das hängt in Österreich vor allem mit dem Bildungssystem zusammen. Bis vor 40 Jahren hatten fast alle Schülerinnen und Schüler einer Oberstufenform noch Musikunterricht, der gerade für die Eröffnung der symphonischen Musikwelt unverzichtbar ist. Danach wurde der Musik- und auch Zeichenunterricht sukzessive reduziert, sodass extrem viele Jugendliche der Oberstufe kaum oder gar keinen Musikunterricht mehr haben, was für ein Kulturland wie Österreich eine sehr gefährliche Spirale ist.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Musikvermittlungsangebote der Philharmonie Salzburg? Welche Entwicklungen streben Sie an?
Elisabeth Fuchs: Ein Traum wäre ein eigenes Performance- und Workshophaus. Wie wäre es mit einem „Konzerthaus Next Generation“ in der Musikmetropole Salzburg?!
Vielen Dank für das Gespräch!
Malina Meier
Links:
Philharmonie Salzburg