Zum 20. Mal zeigt das donaufestival, was zeitgenössische Kunst im Zustand der Verunsicherung leisten kann. Seit 2017 unter der künstlerischen Leitung von Thomas Edlinger, bringt das Festival erneut Musik, Performance, Film, Diskurs und bildende Kunst nach Krems – abenteuerlich, herausfordernd, aktuell. An zwei Wochenenden im Mai (02.–04.05. und 09.–11.05.) entfalten sich über 55 Programmpunkte an unterschiedlichsten Orten der Stadt. Das diesjährige Motto: „Confusion Is Next“ – benannt nach einem Song der Noise-Rock-Pioniere Sonic Youth – ist dabei mehr als ein Slogan: Es ist Diagnose, Konzept und künstlerischer Kompass zugleich.
Kunst im Zeitalter des Chaos
In einer Welt, die sich zunehmend durch Verschwörung, Desinformation und politische Polarisierung definiert, fragt das donaufestival, wie Kunst auf den globalen Kontrollverlust reagiert. „Confusion Is Next“ begreift die Verwirrung nicht als Hindernis, sondern als produktiven Ausgangspunkt. Künstler:innen aus aller Welt loten Grenzbereiche aus – zwischen Aktivismus und Absurdität, zwischen Wut, Widerstand und Wahnsinn.
Zu sehen ist etwa die Dokumentation „Schwester Courage“ des Kollektivs ZUGANG über Protestformen in Deutschland, während Markus Metz und Georg Seeßlen in einer multimedialen Lecture-Show die paranoiden Maschinen der politischen Manipulation sezieren. Performancekünstler:innen wie Göksu Kunak, God’s Entertainment oder Ayla Pierrot Arendt widmen sich nationalen Traumata, geopolitischen Machtspielen und postdigitalen Identitäten. Die brasilianische Original Bomber Crew bringt urbane Gewalt auf die Bühne – mit Skateboards, Feuer und Körperwucht. Regina José Galindo inszeniert antimilitaristischen Protest mitten in der Fußgängerzone, während Jeremy Deller poetische Sabotage betreibt: Ein Satz von Primo Levi flackert als Störimpuls durch die Stadt.
Musik für eine zerrissene Gegenwart
Auch das musikalische Line-up spiegelt die Widersprüche der Gegenwart. Der Londoner Produzent Sega Bodega fusioniert dystopischen Clubsound mit fragiler Euphorie. Billy Woods präsentiert introspektiven Hiphop mit Jazz-Aura, während Anna von Hausswolff Orgelmusik in dunkler Pracht erklingen lässt – begleitet von zwei Schlagzeugen. SHABAKA, bekannt durch Sons of Kemet, taucht in spirituelle Jazz-Welten der 70er, Lankum transformieren irischen Folk in dunkle Drone-Mantras.
Weitere musikalische Höhepunkte des donaufestivals 2025 zeichnen sich durch expressive Intensität, genreübergreifende Experimente und markante künstlerische Handschriften aus. Keeley Forsyth berührt mit einer existenziellen Altstimme, deren emotionale Wucht an Künstlerinnen wie Anohni oder Kate Bush erinnert – zerbrechlich, eindringlich, unvergesslich. Gemeinsam mit dem Videokünstler MFO inszeniert Aya eine bild- und tongewaltige Crash-Show, in der zappeliger Hardcore auf dysfunktionalen Hyper-Pop trifft – ein audiovisueller Ausnahmezustand. Katharina Ernst, Michael Breyer und ATELIER-E präsentieren eine komplexe Versuchsanordnung aus Klang, Bild und künstlicher Intelligenz – eine technoide Reflexion über Wahrnehmung, Rhythmus und die Schnittstellen von Mensch und Maschine.
Klanglich kompromisslos zeigen sich auch Liturgy, Yellow Swans und Nídia, die an den Schnittstellen von Metal, Noise und Clubmusik operieren – mit eruptiven, körperlich erfahrbaren Performances. Mala Herba transformiert folkloristische Motive zu queerer, elektronischer Ritualmusik, die unter die Haut geht. Monumental wird es mit Spiritualized, dem legendären Space-Rock-Projekt rund um Jason Pierce, das orchestrale Klangflächen mit psychedelischer Transzendenz verbindet.
Einer der großen Namen der Techno-Geschichte,Jeff Mills, stellt gemeinsam mit Jean-Phi Dary und Prabhu Edouard das Projekt Tomorrow Comes The Harvest vor – eine Klangreise zwischen elektronischer Präzision und organischem Groove. Den feierlichen Abschluss des Festivals gestalten am 11. Mai zwei außergewöhnliche Persönlichkeiten: Moor Mother und Lonnie Holley, radikale Stimmen aus dem afroamerikanischen Musik- und Kunstkontext, die erstmals gemeinsam auf der Bühne stehen – ein ebenso politisches wie poetisches Finale.
Und dann wäre da noch Kim Noble – Performancekünstler, Grenzgänger, vielleicht der verstörendste Comedian der Gegenwart. In seinem Beitrag zum donaufestival gratuliert er auf seine ganz eigene Weise: mit einem Podcast, der Tränen mit Trinkwasser, die Donau mit dem Tod, das Festival mit dem Selbst verwebt. Ein Audio-Stück über das Ich und die Anderen, über Leben und Sterben – ein Podcast, der zum Kunstwerk wird.
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