donaufestival 2017

Das donaufestival (28.4.-6.5.) erschafft jedes Jahr eine Parallelwelt zwischen Systemabsturz und Neustart. Es setzt auf Vibrationen zwischen Musik, Performance und Bildender Kunst. Der neue künstlerische Leiter Thomas Edlinger, die diesjährige Kuratorin für Performance Bettina Kogler und das bewährte Team des donaufestivals haben sechs Festivaltage mit rund 20 Veranstaltungen pro Tag programmiert, die Krems erneut zu einem Hotspot abenteuerlicher Ästhetiken jenseits aller Genregrenzen machen.

Du steckst mich an.

Der Festivaltitel des donaufestivals 2017 „Du steckst mich an.“ bezieht sich auf das diesjährige Leitmotiv, den Begriff der Empathie. Viele NGOs verstehen das Mitgefühl als sozialen Klebstoff, der das zusammenhält, was laut Margaret Thatcher gar nicht existiert: die Gesellschaft. Die Fähigkeit, in die Haut des anderen zu schlüpfen, wie Ex-US-Präsident Barack Obama die Empathie definiert, wurde zum moralischen Ideal. Brauchen wir angesichts schwindender politischer Solidarität und alarmistischer Narzissmusbefunde nicht mehr Verständnis für das Leben der anderen in My Country First-Zeiten?

Doch wer genau profitiert vom empathischen Imperativ? Wer braucht Anteilnahme und wer missbraucht Mitleid? Welche emanzipatorischen Potentiale liegen in der viraler Begeisterung? Führen Distanz mangel und Überidentifizierung mit einem Du zu einseitigen Urteilen? Übernehmen Kopfkameras oder nimmermüde Algorithmen die Auskundschaftung des Gegenübers und damit die Arbeit der Empathie? Und schließlich: Wie wird aus dem Mitgefühl eine Einsicht, die uneins mit sich selbst macht, und mehr verspricht als Betroffenheit?

Das Festivalprogramm beantwortet diese Fragestellungen nicht.
Viele Beiträge werden sich aber mit ihnen beschäftigen. Zum Beispiel der zitternde soziale Körper des „more than naked“ – Ensembles rund um Doris Uhlich, die Gewaltvirus-Installation von Stephane Roy, die Bühnenfantasie von Colin Self, die das kommende Volk der Alien Drags feiert, Kris Verdoncks Maschinen, die beseelt wirken und einem Eigenleben nachgehen, oder die Infrarot-Wärmebilder von Vika Kirchenbauer. Im Musikprogramm fühlt sich die Elektronik von Sote in lyrische persische Folklore ein, während The Grubby Mitts Hymnen für offene Arme und Herzen zelebrieren und Stian Westerhus seinen Phantomschmerz-Sound nachempfindbar macht.

donaufestival Trailer 2017 from NÖ Festival und Kino GmbH on Vimeo.

Zudem schlagen Bands und MusikerInnen mit Geschichte am Buckel und einem Werkkatalog im Gepäck wie Einstürzende Neubauten, GAS aka Wolfgang Voigt, Scritti Politti, Silver Apples, Ulver, This Is Not This Heat, Radian oder Josephine Foster Pflöcke ins Programm. Ihre Präsentationen treffen auf Entdeckungen aus den liminalen Zonen zwischen Dancefloor, Rockbühne und Konzertsaal – von Moor Mother bis Equiknoxx, von The Body bis Girl Band, von Klara Lewis bis Jace Claytons Hommage an den Minimal-Komponisten Julius Eastman.
Das Performanceprogamm spannt einen Bogen vom einfühlsamen Plädoyer für Minderheiten der Choreografin Ligia Lewis, den minimalistischen Aktionen des aus Schweden stammenden Duos QUARTO, einem Tischgelage von Karner und Samaraweerová bis zu den ausufernden Science Fiction-Erinnerungen von Ariel Efraim Ashbel and Friends.

Neue Festivalzentrale, neue Programmschienen, Reader zum Festivalthema

Das donaufestival 2017 bringt zudem einige prinzipielle Neuerungen: Die von Heidi Pretterhofer und Christian Teckert innenarchitektonisch neu gestaltete Festivalzentrale dient als Bar und Veranstaltungsort zugleich (u.a. für nächtliche DJ-Lines). Das Überraschungsformat Stockholm-Syndrom entführt an vorab nicht bekannt gegebene Orte. Eine Theory&Talks-Reihe lädt zu Gesprächen und Präsentationen in das Kino im Kesselhaus. Die zusätzlichen Spielorte Dominikanerkirche in der Kremser Altstadt oder die Galerie am Eck in Stein ergänzen das Angebot. Erstmals bietet das Festival heuer auch einen Reader mit vertiefenden Essays zum Festivalthema sowie einen beigepackten musikalischen Querschnitt durch das Programm auf einem USB-Stick an.

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