„DIE MUSIK MUSS DICH UMARMEN“ – ORANGE GONE (MAXIMILIAN MRAK) IM MICA-INTERVIEW

Als ORANGE GONE macht Maximilian MRAK seit 2017 Musik. Dutzende Lieder sind bisher entstanden, für die ihn manch einer schon als Sufjan Stevens des Weinviertels bezeichnet hat. Trotzdem existiert unter dem Namen ORANGE GONE nur eine Bandcamp-Seite und der Eintrag im Soundpark von FM4. Auf den wenigen Fotos, die von ihm existieren, stapft MRAK im Anzug durch Felder oder schlummert zwischen Löwenzahn. Licht sei dabei ein wichtiges Element, erzählt er im Gespräch. Das Träumen sowieso. Mit ORANGE GONE lasse sich beides auf Albumformat vereinen.

Cover Our Waltz Beneath the Light
Cover “Our Waltz Beneath the Light”

Vor Kurzem erschienen mit „Our Waltz Beneath the Light“ neue Lieder von MRAK. Dass ORANGE GONE bisher nur ein paar Freunden und seiner Mutter bekannt ist, darf als größte Frechheit der österreichischen Musikszene seit Lederjacke und Bologna bezeichnet werden. Wie sich das ändern soll, wer seinetwegen schon geweint hat und warum man sich sowohl Drop als auch Deep-Listening erarbeiten muss, hat MAXIMILAN MRAK im Gespräch mit Christoph Benkeser erklärt.

Ich muss dir leider einen Vorwurf machen: Du kannst dich nicht selbst promoten.

Maximilian Mrak: Ha! Geht das nicht vielen so?

Na ja.

Maximilian Mrak: Ich find Insta eh cool. Manchmal poste ich Bilder zu meinem Album, wenn sie Vibe-mäßig dazupassen. Das mach ich gern, bringt mir promotechnisch aber gar nichts. Es geht nur darum, dass meine Freunde wissen, dass ich ein neues Album rausbring.

Das ist

Maximilian Mrak: Keine Content-Produktion, ja. Ich sag halt, dass ich was gemacht hab – wie ein Künstler, der schon etabliert ist und nicht mehr promoten muss. Sorgen mach ich mir aber trotzdem keine, weil ich nicht glaub, dass ich in naher Zukunft durch die Decke gehe.

Was wäre, wenn?

Maximilian Mrak: Die Frage ist doch: Was würde sich in meiner Musik verändern?

Was würd sich verändern?

Maximilian Mrak: Na, im Moment kann ich machen, was ich will, weil ich nicht gebunden bin. Das würd sich schon ändern. Dabei sind das eh irrationale Gedanken, oder? Ich wüsst nicht mal, was mir ein Label bringen würde – ich nehm alles selbst auf, mische selbst …

Du könntest alles. Erzähl mal, wie du dazu gekommen bist.

Maximilian Mrak: 2016 hab ich ein Album von Animal Collective gehört. Danach wusste ich: Das will ich machen, hab mir also Fruity Loops runtergeladen und mit den Sounds experimentiert. Das ging über Monate so. Ein Jahr später hab ich mein erstes Lied geschrieben, darauf folgte ein anderes, es wurde immer mehr. Am Ende hatte ich 400 Songs, aus denen ich filtern konnte. Ein Album entstand.

Aus 400 Songs?

Maximilian Mrak: Ja, es war ein Lernprozess, ich bereu es nicht, dass ich so viele Umwege gegangen bin. Während meines Zivildienstes hab ich zwei weitere Alben produziert. Die hab ich aber gar nicht veröffentlicht. Eine Freundin, mit der ich im Chor war, wollte später ein Charity-Projekt starten. Daraufhin hab ich begonnen, Lieder auf der Gitarre zu schreiben. So ist es bis heute geblieben.

Bild Orange Gone
Bild (c) Orange Gone

Du spielst Gitarre, warst im Chor, hast mit der Software Fruity Loops zu produzieren begonnen. Bist du musikalisch aufgewachsen?

Maximilian Mrak: Na, gar nicht. Ich war eine Zeitlang im Chor, da hab ich gesangstechnisch einiges lernen können.

War das der Moment, in dem du deine Stimme entdeckt hast?

Maximilian Mrak: Ich glaub schon. Davor hab ich mich in Hall und Effekten versteckt. Im Chor hab ich gemerkt, dass ich mir mehr zutrauen kann. Das gemeinsame Singen hat viel gebracht. Gerade bei lauten Stellen, wenn alle singen, kann man wirklich reinbrüllen – ein oarges Gefühl.

Man geht in der Sicherheit der Masse auf.

Maximilian Mrak: Voll! Nur einmal ist es vorgekommen, dass ich solo singen musste. Das war schrecklich!

Auf der anderen Seite produzierst du dich auch selbst.

Maximilian Mrak: Vor mir steht aber kein Chorleiter, der mich schief anschaut, wenn ich falsch sing. Bei mir zu Hause hab ich eine low-pressure-environment.

Wo bist du aufgewachsen?

In Großweikersdorf im Weinviertel. Wir haben drei Supermärkte, eine Bundesstraße, sind ein bisserl ein Kaff. Deshalb bin ich aber wieder gern draußen. Im Vergleich zu Wien herrscht dort Stille.

Gab es dort eine Jugendszene?

Maximilian Mrak: Ich war überhaupt nicht in die Jugendszene eingebettet. In Hollabrunn hab ich ein paar Jahre Klavierunterricht bekommen. Das war’s dann. Heute spiel ich die Klavierparts selten selbst. Ein paar Synth-Stimmen gehen sich aus, den Rest hab ich total verlernt. Mit der Gitarre geht es mir ähnlich. Ich hab so lange gelernt, bis ich meine Sachen spielen konnte. Dann hab ich aufgehört, weil ich eh nicht mehr wollt.

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Du bist zufrieden, wenn es für dich passt. Das find ich sympathisch.

Maximilian Mrak: Dafür muss ich jetzt aufholen, weil ich die Sachen live spielen soll.

Apropos live: Du stellst gerade deine eigene Band zusammen.

Maximilian Mrak: Genau, wir gehen die Sache healthy an. Es gibt keinen Druck, wir wollen Spaß haben – auch weil es um die collaboration geht. Bei Orange Gone brauch ich wiederum die Kontrolle. Das bleibt bei mir.

Zum Verständnis: Das Bandprojekt ist nicht Orange Gone?

Maximilian Mrak: Nein, ich teil mir mit Andreas Böhm, dem oargen Typen, das Songwriting für die Band. Wir haben aktuell sieben oder acht Lieder und proben auf unseren ersten Gig hin.

In welche Richtung wird das gehen?

Maximilian Mrak: Bissi Dream Pop, bissi Shoegaze. Und rockiger als Orange Gone. Trotzdem will ich die Freakouts von meinem Soloding einbauen, weil ich so gern den Rhythmus verlasse.

Das ist für mich Orange Gone: ein Ausfransen in unendliche Welten.

Maximilian Mrak: Das mach ich gern, ich will die Struktur verwischen, sie brechen und zerstreuen.

Bild Orange Gone
Bild (c) Orange Gone

Bist du ein verträumter Typ?

Ich bin schon am Boden der Tatsachen, gleichzeitig aber total verloren – auf eine gute Weise, glaub ich.

Wenn man das mit deiner Musik verbindet, fällt mir nur ein Begriff ein: Reflective Dreaming. Die Musik will sich zerstreuen. Sogar deine Fotos wollen das.

Maximilian Mrak: Für mich geht es ums Licht – die Sonne sticht, grelle und sich spaltende Farben fallen ins Auge, unsere Umgebung wird verzerrt. Ich vergleich diese Lichtspiele deshalb gern mit meiner Musik.

Du denkst musikalisch in Licht.

Maximilian Mrak: Ich hab eine Zeitlang fotografiert. Vielleicht kommt das Interesse von der Landschaftsfotografie. Ich denk mir dasselbe aber auch im Club. Plötzlich fällt das Licht cool in den Raum, der Moment brennt sich ein, ich nehm ihn in mein Repertoire auf.

Lass mich dir eine depperte Frage stellen: Wieso heißt das Projekt dann Orange Gone?

Maximilian Mrak: Simon, mein bester Freund, hat in der Schule mal eine Mandarine geschält, von der Schale ein Foto gemacht und den Text „Orange Gone“ druntergesetzt: „Unter diesem Namen machen wir Musik“, hat er gemeint!

Und?

Maximilian Mrak: Na ja, wir haben’s nie zusammengebracht, gemeinsam Musik zu machen.

Du hast ihm nur den Namen geklaut.

Maximilian Mrak: Eigentlich schon. Schlimm, oder?

Na ja, gibts hard feelings?

Maximilian Mrak: Ganz ehrlich: Zu einem kleinen Teil sicher! Aber was soll man machen. Es hat in der Musik nie ganz geklickt, das ist schade, overall ist er aber fein damit.

Orange Gone sei dein Ding, hast du vorhin gesagt.

Maximilian Mrak: Das ist meine eigene Welt, die ich gestalten kann, wie ich möchte. Die Welt ändert sich, setzt sich neu zusammen, bleibt aber meine, weil ich meine Geschichten erzähle.

„ICH MACHE MUSIK FÜR MENSCHEN, DIE ICH MAG – DESHALB MANCHMAL AUCH FÜR MICH.“

Für wen erzählst du sie?

Maximilian Mrak: Ich hab mal eine Double-Single veröffentlicht: „Benny/Jubilee St.“. Das waren ältere Lieder, die ich meiner Mutter geschenkt hab.

Was kann man als Sohn Schöneres tun, als der eigenen Mama ein Lied zu schreiben oder wie du sogar zwei!

Maximilian Mrak: Sie hat mehrmals geweint. Das war schon schön, auch weil ich mich öffnen konnte.

Das war sicher

Maximilian Mrak: Eine große Überwindung!

Viel persönlicher geht es nicht.

Maximilian Mrak: Ja, die EP  „A Year in Stars, Endlessly You“ hab ich zum Beispiel meiner Freundin geschenkt. Ich mache Musik für Menschen, die ich mag – deshalb manchmal auch für mich.

EP Cover A Year in Stars, Endlessly You
EP Cover “A Year in Stars, Endlessly You”

Das ist ehrlich!

Maximilian Mrak: Ich brauch ein „You“, an das ich schreib. Das ist eine Person, die ich kenn – deshalb kann es auch ich sein.

Deine Musik will einen umarmen, weil du das willst.

Maximilian Mrak: Ich hör gern Musik, die einen umarmt, vielleicht auch tröstet, auf jeden Fall aber weniger verschreckt und deshalb gut fühlen lässt.

Good Vibes quasi.

Maximilian Mrak: Es darf nicht nur happy-peppi sein, sonst kommt das nicht genuin rüber.

Also keine gekünstelten Partyvibes?

Maximilian Mrak: Es gibt schon geile Partynummern! Die Frage ist halt, wo man die Grenze zieht.

Am besten in den Welten, die du in deiner Musik aufmachst. Als Suckerr schöne Akkordfolgen fällt man bei dir weich, trotzdem ist es nie offensichtlich!

Maximilian Mrak: Weißt du, ich bin eigentlich ein Sucker für Drops!

Du meinst das Hinarbeiten zum Höhepunkt?

Maximilian Mrak: Ich mein nicht lazy EDM-Drops mit White Noise-Wusch. Ich denk eher an „In The Flowers“ von Animal Collectiveder Drop der Musik! Deshalb geb ich gern zu: Mit meinem ersten Album wollte ich deren Album „Merriweather Post Pavilion“ nachmachen.

Davon bist du mittlerweile weggekommen.

Maximilian Mrak: Mir fällt auf: Ich hör momentan viel weniger Musik als noch vor ein paar Jahren. Nicht weil ich es nicht mehr will. Ich müsst mir aber mehr Zeit dafür nehmen.

Früher bin ich öfter in Deep-Listening-Zustände gekommen zwischen schlafend und wach. Dafür braucht es Zeit, man muss sich auf die Musik konzentrieren und diese Momente erarbeiten.

Maxilian Mrak: Deshalb sind diese lazy EDM-Drops unverdientes Dopamin. Man kann sich nicht in diese Zustände skippen. Ich bin zum Beispiel bei „Music For 18 Musicians“ von Steve Reich eingeschlafen. Eigentlich blöd, aber als ich aufgewacht bin, war das ein interessantes Gefühl. Die Musik lief noch immer, ich bin in ihr aufgegangen.

Bild Orange Gone
Bild (c) Orange Gone

Man schläft nicht ein, weil man gelangweilt ist, sondern weil man die lange Weile schätzt.

Maximilian Mrak: Das ist eine oarge Überwindung! Wenn ich mir ein langes Stück von Pauline Oliveros anhöre, hab ich inzwischen das Gefühl, dass ich etwas falsch mache, weil es schwierig ist, die Aufmerksamkeit zu richten. Deshalb find ich es schade, wenn Leute gar keine Alben mehr hören. Playlists können cool sein, trotzdem wirken sie ganz anders – als würde man sich statt Filmen nur einzelne Clips ansehen.

Das ist ein schöner Vergleich: Man reißt etwas auseinander, das man nicht unbedingt auseinanderreißen sollte. Übrig bleiben die Fetzen.

Maximilian Mrak: Deshalb hab ich mir beim aktuellen Album viele Gedanken gemacht, wie es flowt. Es folgt einer Symmetrie, zum Beispiel in den Tracknamen. Außerdem sample ich meine Musik in diesem Muster. Man hört das nicht direkt raus. Für mich ist es trotzdem wie ein akustisches Spiegelbild, das aus den Sounds, auch den Field Recordings, hervorgeht.

Du nimmst die Umgebung oft auf, das hört man auf deinen Stücken.

„ES KLINGEN SO VIELE SACHEN GEIL.“

Maximilian Mrak: Das passiert alles am Handy. In meiner Freundesgruppe zirkuliert das Meme, dass ich alle fünf Minuten wo steh und was aufnehm. Aber es klingen so viele Sachen geil!

Ich sag was Prätentiöses: Du führst ein sonisches Tagebuch.

Maximilan Mrak: Mit irrsinnig vielen Vögeln!

Und Kirchenglocken!

Maximilian Mrak: Ja, die Lieder finden oft an gewissen Orten statt, die ich in den Lyrics reference. Es sind Sounds des lokalisierten Moments.

Erinnerst du dich in Sounds?

Maximilian Mrak: Darüber hab ich mir noch nie Gedanken gemacht, aber: Die Glocken verbindet man natürlich mit etwas, das man kennt. Deshalb finde ich es spannend, mit Sounds zu arbeiten, bis sie sich nicht mehr zuordnen lassen – fast so, als wäre man ein Kind, das ein Geräusch zum ersten Mal hört.

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Wie zeigt sich das bei dir?

Maximilian Mrak: Indem ich Vögelgeräusche so lange pitche, bis sie zur Musik passen, zum Beispiel. Auf „We Poplars“ vom letzten Album spiele ich eine Gitarre durch einen Halleffekt, bis sie das Geräusch des Vogels imitiert. Hört man die Stelle, ist man irritiert. Das gefällt mir, entsteht oft aber einfach nur aus dem Flow.

Das ist wie eine akustische Täuschung, die man hören kann, aber nicht unbedingt muss.

Maximilian Mrak: Genau.

Damit ist alles gesagt?

Maximilian Mrak: Ich red nicht so viel, das ist eine tiefsitzende Eigenschaft von mir.

Trotzdem haben wir uns ganz gut unterhalten.

Maximilian Mrak: Ich rede nicht ungern, schweife dabei aber selten aus.

Im Gegensatz zu deiner Musik, wo du total ausfranst.

Maximilian Mrak: Vielleicht kompensiere ich damit einfach meine Wortkargheit.

Bist du zufrieden mit dem, was du gesagt hast?

Maximilian Mrak: Ich weiß nicht, es ist mein erstes Interview. Wie bewertest es du?

Es war ein schöner Dialog!

Maximilian Mrak: Das ist gut zu hören, weil ich bei Gesprächen mehr mit Selbstkritik hadere als bei der Musik.

Du machst dir nach einem Gespräche Vorwürfe über das, was du gesagt hast?

Maximilian Mrak: Eher, dass ich umfassender sprechen hätte können.

ttest du heute mehr sagen können?

Maximilian Mrak: … Vielleicht.

Dann nehmen wir das so, danke für deine Zeit!

Christoph Benkeser

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Links:
Orange Gone (Bandcamp)
Orange Gone (Instagram)