„Dass der Streamingmarkt gerade so expandiert, ist für das Sync-Geschäft natürlich sehr von Vorteil.“ – JÜRGEN DISTLER (INK MUSIC) im mica-Interview

Es gibt in Österreich nicht viele Fachleute, die Lizenzvergaben für Film, Werbung und Gaming anbieten. JÜRGEN DISTLER („Ink Music“) ist einer davon. Im Gespräch mit Ruth Ranacher erzählte er, wie er sich seinen Job quasi selbst geschaffen hat und was seine Tätigkeit im Bereich „Sync & Licensing“ alles umfasst. Was passiert im Sync-Bereich in Europa und außerhalb? Er sprach über Werbung als zeitlich knappes Format, über Trends und Vertrauen und über das nerdige Musikhirn als zuverlässige Quelle.

Du bist seit 2017 bei „Ink Music“ für den Bereich „Sync & Licensing“ zuständig. Wie bist du selbst auf diese Nische gestoßen? Was waren die wichtigsten Stationen auf deinem Werdegang dorthin?

Jürgen Distler: Ich habe zehn Jahre als Tontechniker in einem Tonstudio für Werbung und Film gearbeitet, wo automatisch immer wieder Anfragen zu Musiklizenzierungen für Werbekampagnen oder Filme reingekommen sind. Aber es wurde in Österreich damals sehr wenig urheberrechtlich geschützte Musik von den Kundinnen und Kunden angefragt, weil im Kopf der Kundinnen und Kunden war, dass Lizenzierungen sehr mühsam, zeitaufwendig und teuer sind. Wenn man nicht weiß, wie Lizenzierungen funktionieren, wo man anfragen muss und worauf man achten sollte, mag das auch stimmen. Daher habe ich vor ein paar Jahren beschlossen, mich als Licensing-Manager zu betätigen, der auch musikalisch für Werbe- und Filmprojekte berät. Quasi der Job eines „Music Supervisor“, der in Österreich leider noch immer nicht wirklich etabliert ist. Da sind uns das restliche Europa und die USA sehr voraus.

„Werbung ist zeitlich ein sehr knappes Format […]“

Radio, Film und Werbung – gibt es die typische „Advertising Music“?

Jürgen Distler: Es gibt Musik, die besser in Werbekampagnen passt, und es gibt Musik, die in der Werbung eher „nischig“ behandelt wird. Aber eine stilistische Faustregel gibt es nicht. Das ist immer sehr von der Kampagne abhängig. Wichtig ist allerdings, dass ein Song in der Werbung schnell auf den Punkt kommt. Werbung ist zeitlich ein sehr knappes Format, da bringt es nichts, wenn sich ein Song über dreieinhalb Minuten entfaltet. So etwas ist dann eher filmtauglich.

Mit Musik werden unmittelbar Emotionen geweckt. Je nachdem, was wir hören, kann die Stimmung ein und derselben Filmszene total variieren. Kannst du uns dazu etwas mehr erzählen? Hast du ein paar Beispiele?

Jürgen Distler: Es ist wirklich beeindruckend, was Musik emotional bewirken kann, wenn sie richtig eingesetzt wird. Hier fällt mir immer wieder die Szene mit dem Plastiksackerl in „American Beauty“ ein. Wenn man den Ton wegschaltet, bleibt nicht viel über. Aber durch diese zarten, melancholischen Klaviertöne wird die komplette Szene zu einem zauberhaften Tanz. „American Beauty“ ist aber sowieso ein Film, in dessen Score sehr viel richtig gemacht wurde.

„Ink Music“ ist für Sync-Platzierungen in Österreich Partner von „Buddemusic“, einem großen Indie-Verlag aus Deutschland. Arbeitet „Ink Music“ außerdem noch mit weiteren Sync-Partnern zusammen?

Jürgen Distler: „Ink Music“ darf seit einem Jahr den Katalog von „Buddemusic“ für Sync-Lizenzvergaben exklusiv in Österreich anbieten. Das ermöglicht uns nun, in Österreich alles vom Welthit bis zum coolen Indie-Geheimtipp anzubieten. Um unseren eigenen Katalog international im Sync zu pushen, arbeiten wir zusätzlich noch mit weiteren Partnern wie Sync-Agenten oder „Music Supervisors“ zusammen.

„Prinzipiell, denke ich, ist für Musikschaffende alles gut und wichtig, was nicht nur neue kreative, sondern auch wirtschaftliche Felder öffnen kann.“

Vergebt ihr auch Auftragsarbeiten bzw. bringt ihr Filmproduzentinnen beziehungsweise Filmproduzenten und Musikschaffende zusammen? Stichwort: Filmmusik.

Jürgen Distler: Das kommt schon auch vor. Wir sind ständig mit Produktionsfirmen, Regisseurinnen und Regisseuren sowie Filmschaffenden im Austausch. Score ist für viele Musikschaffende ein sehr beliebtes Feld, in dem sie sich außerhalb ihres eigentlichen musikalischen Schaffens zusätzlich kreativ betätigen können. Wenn man so will, haben Filme gegenüber Werbung auch das coolere Image. Und selbst wenn der Produktionsauftrag jetzt nicht das coole, neue und hippe Ding ist, hat man zumindest zusätzliche finanzielle Einnahmen. Prinzipiell, denke ich, ist für Musikschaffende alles gut und wichtig, was nicht nur neue kreative, sondern auch wirtschaftliche Felder öffnen kann. Film ist eine dieser Optionen.

„Wichtig für Musikschaffende ist es zu wissen, wo ihre Label- und Verlagsrechte gebunkert sind.“

Kunstschaffende sollten ab einem gewissen Level an Professionalität im besten Fall selbst in rechtlichen Belangen fit sein. Was müssen sie in Hinblick auf Sync-Platzierungen selbst wissen? Was nimmst du den Kunstschaffenden ab?

Logo Ink Music

Jürgen Distler: Musikschaffende aus dem Ink-Music-Universum müssen sich hier eigentlich um gar nichts kümmern. Sie müssen mir nur ihre No-Gos sagen, was die beworbenen Produkte angeht. Natürlich muss man sich im finalen Schritt noch mal das letztgültige Okay der Urheberin bzw. des Urhebers holen, aber bis dorthin vertrauen mir unsere Komponistinnen und Komponisten bzw. Autorinnen und Autoren. Vertrauen ist auch sehr wichtig, denn das Sync-Geschäft ist ein sehr schnelles. Oft bekomme ich Anfragen für eine Kampagne, für die gerade Musik gesucht wird, und bis zum Abend sollen bereits Songs geschickt werden, die auch zu hundert Prozent rechtlich geklärt und für das angebotene Budget zu haben sind.
Wichtig für Musikschaffende ist es zu wissen, wo ihre Label- und Verlagsrechte gebunkert sind. Gibt es ein Label? Gibt es einen oder mehrere Verlage? Ist man im Selbstverlag? Wer ist als Urheberin bzw. Urheber am Song beteiligt? Und ganz wichtig ist Folgendes: Wenn ihr eure Songs an Kolleginnen und Kollegen aus dem Sync-Bereich weitergebt, achtet darauf, dass die Files korrekt beschriftet sind! Künstlerin bzw. Künstler und Songtitel sind das Minimum, sogar das wird leider oft vergessen.

Wie viele Unterschriften musst du im Schnitt für ein Placement einholen?

Jürgen Distler: In meinem Fall, bei eigenem Repertoire von „Ink Music“, brauche ich im Idealfall nur eine Unterschrift. Nämlich die von der Kundin bzw. vom Kunden im Lizenzvertrag. Ich achte immer darauf, dass die Musik, die ich anbiete, so gut es geht „one stop possible“ ist. Also dass Label- und Verlagsrecht in einem rechtlich abzuklären sind. Daher achte ich schon vor einem Pitch darauf, von den Komponistinnen und Komponisten bzw. Autorinnen und Autoren die Befugnis zu bekommen, deren Werke zu hundert Prozent rechtlich geklärt anbieten zu können. Bei einem Music Supervisor, der verschiedene Kataloge anbietet, wo auch unterschiedliche Labels und Verlage involviert sind, ist das natürlich anders.

Wie hältst du dich und deinen Wissensstand auf dem Laufenden?

Jürgen Distler: Durch den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen.

Wo kann man mehr über Sync-Placements, Lizensierungen und klassische Verlagsarbeit erfahren?

Jürgen Distler: Es gibt beispielsweise einige Showcase-Festivals in Europa, die sich in den letzten Jahren immer mehr auf das Thema Sync stürzen. Ich würde denjenigen, die bei der Lizenzvergabe von Werken und Aufnahmen für Film, Werbung und Computerspiele mitspielen wollen, raten, dort mal anzusetzen. Außerdem werden mittlerweile viele Kurse im Bereich der Musikwirtschaft angeboten, wie Lehrgänge an der mdw, am SAE Institute usw.

„Zusätzlich braucht man dann ein nerdiges Musikhirn, ein Gespür für Bild und Ton und das Wissen um aktuelle musikalische Trends in der Werbung.“

Woher weißt du, was wo passt?

Jürgen Distler: Zur Musik gibt es meistens Briefings von den Kundinnen und Kunden. Im Idealfall werden auch Mood-Beispiele mitgeschickt. Sprich, die Musik soll diese und jene Stimmung haben, das Tempo wird vorgegeben oder die Lyrics sollen spezielle Keywords enthalten. Daraufhin beginnt man, in seinem Katalog zu graben. Oft sind diese Briefings aber nicht so detailliert. Dann ist es auf jeden Fall von Vorteil, den Geschmack der Kundinnen und Kunden schon vorher zu kennen. Zusätzlich braucht man dann ein nerdiges Musikhirn, ein Gespür für Bild und Ton und das Wissen um aktuelle musikalische Trends in der Werbung. Auch wenn Werbung sehr innovativ sein kann, folgt sie trotzdem immer auch Trends, die alle paar Jahre von einer mutigen Agentur neu definiert werden.

Spricht man in der Branche über Geld?

Jürgen Distler: Nur mit den Urheberinnen und Urhebern bzw. den Kundinnen und Kunden.

Ihr seid demnächst bei der Musexpo *) in Los Angeles – einer Messe, die die wichtigsten Branchenvertreterinnen und -vertreter aus TV, Radio, Film und Gaming zusammenbringt. Hast du konkrete Erwartungen daran? Wie relevant ist der US-amerikanische Markt für heimische Musikschaffende? Wo würdest du persönlich ansetzen, um dort Fuß zu fassen?

Jürgen Distler: Wir machen den Schritt nach Los Angeles zur Musexpo heuer zum ersten Mal. Ich kann also noch nicht wirklich sagen, was mich dort erwartet. Unvorbereitet sind wir aber natürlich nicht. Unnötig zu sagen, dass der amerikanische Markt viel größer ist als der österreichische, daher ist es schon gut, wenn man davor schon ein, zwei Leute kennt. Die Größe des Marktes macht es aber auch interessant, dort mal seine Fühler auszustrecken. Prinzipiell, denke ich, ist es für österreichische Künstlerinnen und Künstler der logische Schritt, auch ins Ausland zu gehen, wenn sie auf einem gewissen Level arbeiten wollen. Der österreichische Markt ist leider sehr schnell abgefrühstückt. Allerdings muss der Schritt nicht sofort die USA sein. In unserem Fall sind die USA aber ein logischer Schritt, vor allem in Bezug auf Lizensierungen. In den USA ist das Urheberrechtsgesetz etwas anders als in Europa. Dort gibt es im TV beispielsweise die sogenannte „Blank License“ nicht. Das hat in USA zur Folge, dass jeder Schnipsel Musik im TV lizenziert werden muss. Der Sync-Markt in den USA ist dadurch automatisch viel größer und attraktiver.

Mit Streamingdiensten wie Netflix & Co haben auch Arthouse-Filme und Nischenthemen das Potenzial, ein großes Publikum zu erreichen. Natürlich braucht es nach wie vor auch Glück, um ein lukratives Placement zu bekommen, aber es ist prinzipiell möglich. Wie wichtig ist dieser Zweig für die Branche mittlerweile geworden?

Jürgen Distler: „Ink Music“ hatte schon ein paar Placements in US-Produktionen. Zuletzt erst wieder in der Showtime-Serie „Shameless“ mit der Band Daffodils und dem Song „Bright“. Meistens zeichnet sich so etwas in den Streaming- und Shazam-Zahlen des Songs schon ab. Aber das muss nicht immer sein. Es kommt sehr darauf an, in welcher Szene, in welchem Film bzw. welcher Serie ein Song eingesetzt wird, wie lang er zu hören ist usw. Um hier ein Placement zu erreichen, ist das internationale Netzwerk ganz entscheidend, wie etwa der direkte Kontakt zu „Music Supervisors“ in den USA. Dass der Streamingmarkt gerade so expandiert, ist für das Sync-Geschäft natürlich sehr von Vorteil. Allerdings heißt mehr Geschäft nicht automatisch mehr Möglichkeiten für alle. Netflix & Co expandieren zwar gerade ganz gut in viele Länder, allerdings sind diese Projekte sehr oft vom jeweiligen Land subventioniert und die Fördergelder bekommt man nur dann, wenn die Leistung im Land bleibt. Das heißt, dass es dann leider oft wichtiger ist, wo die Künstlerin oder der Künstler herkommt, als die Musik.

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Wie kann man als Band an dich herantreten? Was muss ich mitbringen?

Jürgen Distler: Schreib mir eine E-Mail oder meet me at the bar.

[Ein paar Wochen später, nach Ausbruch der Corona-Krise, eine Folgefrage, Anm.]

Die fortgeschrittene Ausbreitung der Corona-Krise hat massive Auswirkungen auf den Musikmarkt und die finanziellen Einkünfte von Musikschaffenden. Ist Sync auch in Zeiten von Covid-19 eine verlässliche Einnahmequelle?

Es wirkt so, als wenn sich die ganze Welt gerade eine kleine Auszeit nimmt, wovon der Sync Markt sicher auch ein bisschen betroffen ist. Filmprojekte werden gerade on hold gestellt, geplante Werbekampagne verschoben oder gecancelt. Die Auswirkungen sind sicher nicht so gravierend wie im Veranstaltungsbereich, das Volumen geht aber schon auch etwas zurück.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Ruth Ranacher

Links:
Ink Music
Lizenzvergabe für Film, Werbung und Computerspiele (mica Praxiswissen)

 

Hinweis: Dieses Interview wurde noch vor der Einführung der Maßnahmen gegen das Coronavirus seitens der Bundesregierung geführt. *) Coronabedingt wurde die Musexpo abgesagt.