„Das kommt nicht nur vom Beatles hören“ – ANT ANTIC im mica-Interview

Dass Onlinebeziehungen fruchten können, beweisen die beiden Oberösterreicher ANT ANTIC. Am 1. Mai erschien ihre Debüt-EP „Blood Sugar“ auf jhruza records. Auf dieser bringen sie Singer-Songwriter-Elemente mit Electronic- und Ambient-Sounds in Einklang. Über das gemeinsame Schaffen, authentischen Sound und Geheimnistuerei sprachen Tobias Koett und Marco Kleebauer im Interview mit Alexander Schroeder.

Sie gemeinsam gibt es noch nicht so lange, wie kam es zu Ant Antic?

Tobias Koett: Internetbeziehung – Online Relationship! Marco hat ein Projekt, in dem er selbst solo produziert, und hat dafür einen Sänger gesucht und mich angeschrieben.

Marco Kleebauer: Ich hab etwas ziemlich Konkretes gesucht, vom stimmlichen Sound her. Ein Freund, der aus derselben Umgebung wie Tobias kommt, hat mir erzählt, dass er einen extrem guten Sänger kennt.

Tobias Koett: Wir kommen beide aus unterschiedlichen Ecken Oberösterreichs. In Wien haben wir uns dann im Endeffekt kennengelernt. Davor haben wir hin und her gemailt und über die Entfernung am ersten Track gearbeitet. Bis der Song rausgekommen ist und wir live gespielt haben, kannten wir uns noch nicht. Wir haben einen gemeinsam Zugang beziehungsweise eine gemeinsame Symbiose gefunden und dann beide angefangen zu produzieren. Wir haben aber nicht nur eine musikalische gemeinsame Basis, sondern verstehen uns auch echt „okay“ (lacht).

Aus ursprünglich einem Track wurde dann Ant Antic.

Tobias Koett: Genau, ein gemeinsames Projekt. Gleichwertig.

Marco Kleebauer: Anfangs, vor allem beim ersten Track, war es so, dass ich produziert habe und Tobias wirklich nur den Gesang gemacht hat. Jetzt ist das schon 50 : 50, das variiert aber natürlich auch.

Tobias: Es ist im Endeffekt ein gemeinsames Bausteine-Bauen. Irgendwer hat eine Idee, schickt sie dem anderen, der baut dann weiter und haut wieder Sachen weg. Wir haben auch einen unterschiedlichen Zugang zur Musik. Ich habe eher den Fokus auf dem Gesamten, Marco ist der Detailverliebte.

Kann man sagen, dass Marco etwas näher bei der Musik bleibt und Sie eher nach außen hin agieren? Auch in Sachen Business?

Marco Kleebauer: Ich muss ehrlich sagen, ich habe keine Ahnung, wie ich Musik verkaufe. Wirklich! Darum hat man ja ein Management, ein Label. Ich kann Musik machen. Das mache ich schon ewig. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Für alles andere bin ich nicht der Mensch.

Tobias Koett: Es ist einfach ein notwendiges Übel, das man erledigen muss. Das ist aber auch eine interessante Challenge: Wie schafft man es, dass andere Leute auch realisieren, dass die Musik, die man macht und von der man selbst eigentlich weiß, dass sie gut ist, gut ist?

Sie haben gerade das Label angesprochen, da sind Sie jetzt ziemlich gut aufgestellt.

Tobias Koett: Ja, wir sind bei jhruza records, das Booking macht Ink Music.

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„Es ist ein absolutes Märchen, dass man als gerade entstehende Band nicht von vornherein etwas aufbauen kann.“

Ich kann mir vorstellen, dass sich viele Musikerinnen und Musiker eine solche Kombination wünschen würden. Wie einfach oder schwer war es, das so hinzubekommen?

Tobias Koett:
Das hat sich mehr oder weniger so ergeben. Wir haben die Songs ausgeschickt und uns mit den Leuten getroffen. Natürlich gab es am Anfang gewisse Verhandlungen und auch Forderungen. Keine direkten Forderungen, im Gespräch haben wir aber gemerkt, dass, wenn wir das mit einer gewissen Professionalität angehen, ein Deal für beide Seiten möglich ist.

Marco Kleebauer: Und es ist ein absolutes Märchen, dass man als gerade entstehende Band nicht von vornherein etwas aufbauen kann. Wir haben gleich sehr viel Zeit und Energie reingesteckt, damit die Songs gut sind.

Tobias Koett: Bis zu dem Moment, an dem wir wirklich zufrieden waren.

Marco Kleebauer: Und wir haben ein Video gemacht. Irgendwann ist die Aufmerksamkeit dann halt mal da.

Tobias Koett: Ich glaube, es ist total wichtig, als Musikerin beziehungsweise Musiker am Anfang so lange wie möglich Garagenmusik zu machen und jedes verdammte Beisl mal abgespielt zu haben – irgendwie mit Low Budget durchzukommen. Aber wenn man das schon mal gemacht hat, will man den Prozess ein bisschen überspringen. Insofern hat uns das jetzt mit jhruza und Ink schon sehr geholfen. Die wussten, dass wir einen gewissen Anspruch an uns selbst haben und wie wir Sachen angehen.

Wenn eine neue Band auf der Bildfläche erscheint, neigt man dazu, den Vergleich zu suchen. Im noisey-Interview wurden Moderat erwähnt. Beim ersten Durchhören von „Blood Sugar“ war Sohn meine erste Assoziation. Wie fühlen Sie sich in dieser Ecke beziehungsweise sehen Sie sich auch dort?

Tobias Koett: Ich glaube, es gibt zurzeit so viele Musikerinnen und Musiker, die elektronische Musik in eine Singer-Songwriter-Struktur einbauen, und das machen wir auch gerade. Ich will jetzt nicht so explizit sagen, dass Sohn uns und unseren Sound in keiner Art und Weise beeinflusst hat. Aber es gibt da natürlich Vorreiter, die vielleicht Sohn beeinflusst haben, James Blake zum Beispiel. Es wäre gelogen, wenn wir jetzt sagen, dass wir den nicht gut finden.

Marco Kleebauer: Natürlich stellt man sich auch selbst die Frage, ob man jetzt etwas aus dem Ärmel geschüttelt oder insgeheim irgendwo zusammengefladert hat. Wir haben beide zum Beispiel extrem viel Beatles gehört. Das kommt unterbewusst viel mehr zum Tragen als James Blake.

Tobias Koett: Wenn ich mir überlege, wie ich zu etwas singe, habe ich ganz andere Referenzen, als wenn ich etwas am Computer produziere. Sänger wie Gregory Porter haben da stärkeren Einfluss, das ist einfach jazziger und souliger.

„Wir wissen schon, wie moderner Sound zu machen ist. Das kommt nicht nur vom Beatles-Hören.“

Bei Ihnen finden sich also Einflüsse, die man vielleicht nicht erwarten würde?

Marco Kleebauer: Ich glaube, es ist unvorteilhaft, zu sagen, was unsere Einflüsse sind. Man tut sich ja keinen Gefallen, wenn man sich darauf beschränkt.

Tobias Koett: Wir wissen schon, was momentan geht oder wie ein moderner Sound zu machen ist, sagen wir es so. Das kommt nicht nur vom Beatles-Hören.

Marco Kleebauer: Natürlich kann man nicht sagen, wir hören nur die Beatles und darum machen wir jetzt elektronische zeitgenössische Musik. Da würde ja keiner checken, wie das geht.

Elektronische Musik wird immer häufiger live gespielt. Sie machen das auch so?

Marco Kleebauer: Ja, Duos gibt es in Wien schon so viele – und gute. Da musst du dich irgendwie von anderen abheben. Live spielen wir zu dritt.

Tobias Koett: Es ist ein riesiger Vorteil, dass Marco ein wahnsinnig guter Drummer ist. Aber auch, dass wir irgendwie alle Instrumente spielen können. Außerdem glaube ich, dass gerade so etwas wie ein Liveschlagzeug um einen Tick direkter und dynamischer ist und die Leute mehr drückt, als wenn wir einfach auf ein Pad hauen und die Leute den Sound nicht richtig zuordnen können. Live soll es greifbar und unmittelbar sein.

Marco Kleebauer: Ich finde auch, die Songs kommen dabei erst richtig gut rüber, auf eine andere Art und Weise. Es fühlt sich einfach besser an, wenn man live etwas spielt, als wenn man vor einem Computer steht. Du hast ja heute oft keine Verbindung mehr zu dem, was du hörst und siehst. Es wird produziert, bis zum Geht nicht mehr.

„Elektronische Musik ist nun mal nicht so, dass man sich ein Gerät kauft, einschaltet und Musik macht.“

Das heißt, die Produktion bleibt bei Ihnen beiden? Es wäre ja naheliegend, von vornherein zu dritt zu produzieren.

Tobias Koett: Wir werden niemals ein Proberaumprojekt, insofern, sagen wir, dass wir die Songs bei einer Jam schreiben. Wir sind keine Jamband, sondern sehr konzeptionell, wenn es um das Songwriting geht.

Marco Kleebauer: Das Unwort „Jam“ (lacht)!
Elektronische Musik ist nun mal nicht so, dass man sich ein Gerät kauft, einschaltet und Musik macht. Mann muss sich vorher damit beschäftigen. Bei vielen Acts wirkt das momentan wie ein Trend, elektronische Musik zu machen, anstatt eine Gitarre in die Hand zu nehmen. Man sollte eigentlich den Weg gehen, elektronische Musik zu machen und nicht Keyboard anstelle Gitarre zu spielen. Das wollten wir überhaupt nicht – einfach konvertieren.

Tobias Koett: Das wird total schräg, wenn irgendwelche Leute dann darüber schreiben: Aus der Gitarre wird der Synth – obwohl das nie die Absicht war.

Oder umgekehrt!

Marco Kleebauer: Genau, eigentlich ist es umgekehrt. Wir haben beide extrem viel elektronische Musik gemacht, bis wir überhaupt mal angefangen haben, professionell zu arbeiten. Du musst ja auch erst mal jedes Wort lernen, bevor du zu reden beginnst.

Tobias Koett: Sehr metaphorisch (lacht)!

Marco Kleebauer: Das kann man gleich so zitieren.

Werde ich machen. Die „Blood Sugar“-EP wurde gerade erst veröffentlicht und auch sehr gut angenommen. Beeinflusst das die zukünftige Produktion?

Marco Kleebauer: Na ja, man muss halt bei allem, was man macht, sehr vorsichtig sein. Man kann nicht mal eben ein Video veröffentlichen, sondern muss sich vor Augen halten, wie das ankommen könnte.

Tobias Koett: Was transportiere ich damit? Musikalisch machen wir uns in dem Sinne keine Sorgen. Wir wissen, dass das funktioniert und wir glücklich mit dem sind, was wir machen. Wir empfinden das weniger als Druck, sondern merken: „Hey! Da gibt’s auch andere Leute, denen das gefällt.“ Ich freue mich schon eher, dass wir auch ein Album rausbringen, weil jetzt auch Publikum da ist.

„Ich habe nicht den Anspruch, bewusst nicht mit dem Publikum zu reden.“

Wie sind Ihre bisherigen Konzerterfahrungen?

Marco Kleebauer: Cool!

Tobias Koett: Die Wien-Konzerte waren beide gesteckt voll. An so einem Abend entwickelt sich die Dynamik, das macht Spaß, definitiv.

Marco Kleebauer: Natürlich wollen wir dabei nicht so ein Mysterium um uns aufbauen. So: „Wir spielen nicht so oft in Wien und haben Kapuzenpullis auf.“

Und Masken.


Tobias Koett: Ich habe nicht den Anspruch, bewusst nicht mit dem Publikum zu reden, nur weil ich dann vielleicht interessanter bin. Ich glaube, dass ein Livekonzert auch immer eine gewisse Verbindung ergibt. Es ist cool, wenn das angenommen wird – wenn man sagt: „Wir machen Musik und müssen uns nicht auf ein Podest stellen und auf geheimnisvoll machen.“ Deshalb haben wir auch ein Livevideo, um zu zeigen: „So sind wir und nicht anders. Deal with it!“

Dieses Geheimnisvolle finde ich, ehrlich gesagt, gar nicht so spannend.

Tobias Koett: Aber es macht halt momentan jeder!

Marco Kleebauer: Ich finde, das kann passen, wenn es jemand unbewusst macht. Das soll es ja geben – dass jemand einfach ungern sein Gesicht ins Internet stellt. Man wird ja auch teilweise nicht gern fotografiert, weil man auf jedem Foto scheiße ausschaut. Das ist so ähnlich.

Tobias Koett: Ich finde, das muss man legitimieren können – Geheimnistuerei.

Marco Kleebauer:
Das darf nicht wie ein Image wirken. So: „Okay, was nehmen wir? Entweder gehen wir alle als Teletubbies – nein, das ist scheiße –, gut, dann geben wir uns mysteriös. Das ist besser.“

Sie haben vorhin das Album angesprochen, das kommt demnach definitiv. Und wann?

Tobias Koett: Sicher. Ab dem Moment, wo wir sagen, dass wir mit dem Material zufrieden sind, wird’s kommen. Vielleicht Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres.

Ich finde, ein Album ist immer etwas Spannendes, aber auch sehr Großes und Finales. Wie sehen Sie das?

Marco Kleebauer: Das ist gleichzeitig auch etwas Gefährliches. Eine EP zeigt immer nur, wie das Album so circa sein wird.

Tobias Koett: Ein Album ist, wie Sie schon gesagt haben, etwas Finales. Ein Statement. Insofern macht es überhaupt keinen Sinn, wenn wir am Ende des Jahres ein Album präsentieren, mit dem wir noch nicht zufrieden sind. Dann dauert’s halt noch ein halbes Jahr länger.

Marco Kleebauer:
Wir haben auch keine Deadline.

Tobias Koett: Es kann schon sein, dass sie „von oben“ mal sagen, dass es marketingtechnisch Sinn macht, wenn wir einen Zeitpunkt anpeilen. Im Endeffekt sind wir aber eh produktiv.

Das Label ist an der Stelle vermutlich auch hilfreich.

Tobias Koett: Man kann auf jeden Fall über alles reden. Wir haben null Druck und können eigentlich machen, was wir wollen. Es ist cool, wenn man eine zweite Meinung hat, auf die man vertraut. Gerade Julian Hruza und Lupo (Dominic Plainer/gemeinsam Julian & der Fux) sind beide schon viel länger im Business als wir.

Ratschläge nehmen Sie also gerne an?

Marco Kleebauer:
Beim Produzieren und beim Songwriting lassen wir uns nicht reinreden, bei allem anderen bin ich froh, wenn jemand einen Plan davon hat.

Tobias Koett:
Danach soll es vor allem ein Gespräch sein, im Endeffekt sind das Label und wir ja gleich beteiligt am Release.

Marco Kleebauer:
Ich glaube, bei jhruza finden die das, was wir machen, cool. Außerdem wird das vermutlich auch nicht so abgefahren …

Tobias Koett: Na ja, mal schauen!

Wer weiß, das können wir jetzt offenlassen, um Spannung zu erzeugen.

Tobias Koett: Es wird Jazz!

Marco Kleebauer:
EDM!

Tobias Koett: Jazz-EDM!

„Natürlich machen wir Musik mit einem gewissen Pop-Anspruch, aber noch lange keinen Pop.“

Eine Frage noch: Wie stehen Sie zu Musikcontests und Castingshows? Der ESC steht ja vor der Tür.

Tobias Koett: Ich glaube, für so etwas sind wir nicht die Persönlichkeiten. Es gehört ja ein gewisses Talent dazu, dass man in einer Castingshow oder für den ESC auf die Bühne geht und wirklich die fetteste Show abliefert. Dafür braucht man einen gewissen Pop Appeal und Catchiness. Natürlich machen wir Musik mit einem gewissen Pop-Anspruch, aber noch lange keinen Pop.

Marco Kleebauer: Ich habe noch nie darüber nachgedacht, weil es ein ganz anderes Universum ist.

Tobias Koett: Das gilt für alle Castingshows. Das ist ein anderes Universum von Musik. Das sind zwei Paar Schuhe. Da sind wir beide extrem idealistisch. Eigentlich ist es ein Wahnsinn, dass wir uns nicht gegenseitig total auf den Sack gehen.

Marco Kleebauer: Da hat er recht (lacht).

Es gibt somit noch keine gröberen Differenzen zwischen Ihnen?

Tobias Koett: Wir kommen sehr gut klar und sind sehr harmonisch. Wir wissen, wer was kann.

Marco Kleebauer:
Natürlich muss man sich bei einem gemeinsamen Projekt darauf einlassen, Kompromisse einzugehen.

Tobias Koett: In der Hinsicht sind wir aber sehr erwachsen.

Vielen Dank für das Interview.

Alexander Schroeder

ANT ANTIC live
17.07.15 Home is where the art is
18.08.15 Rock im Dorf Festival

Foto Ant Antic 1: Julian Mullan
Foto Ant Antic 2: Erli Grünzweil

Links:
Ant Antic