Seit acht Jahren sorgt das von Wien aus operierende Label Couch Records vor allem international für – in Genreverhältnissen gedacht – enorme Erfolge. Was mit Dzihan & Kamien begann, entwickelte sich zu einem breiten Pool an Künstlern verschiedenster Herkunft und musikalischer Ausformungen. Dass man bei Couch Records ein ebenso geschicktes Händchen für Musik als auch für die Ökonomie dahinter besitzt ist offensichtlich. Ein Gespräch mit Couch Records Geschäftsführer Oliver Kamien.
Sie üben als Geschäftsführer von Couch Records einen Job zwischen Musik und Ökonomie aus: Beruf oder Berufung?
Oliver Kamien: Beides, würde ich sagen. Meine Passion ist einfach die Musik und da ich selber kein Musiker bin, sehe ich darin die Möglichkeit dieses Hobby mit einem Beruf zu verbinden: Beruf und Berufung.
Mit dem neuesten Release (Richter – “Audioexile”), der stark in eine Singer/Songwriter Richtung geht, wird das stark elektronische Dogma von Couch Records ein wenig aufgebrochen. Die nunmehrige Firmenphilosophie?
Oliver Kamien: Grundsätzlich würde ich nicht nur von der Firmenphilosophie allein, sondern allgemein vom Musikbereich sagen: Man muss offen für alles sein. Wir sind natürlich bekannt, als Elektroniklabel. Da hat man uns im Handel auch immer eingestuft und kategorisiert. Natürlich auch die Medien usw.. Was am Anfang ja mehr oder weniger gestimmt hat. Aber mittlerweile ist es so, dass die gesamte DJ-Kultur meiner Meinung nach ein bisschen an Bedeutung verloren hat. Im Endeffekt hat sich die elektronische Musik dahingehend gewandelt, dass sie zum größten Teil Popmusik wurde. Vom Underground her kommend, ist es jetzt ganz selbstverständlich, dass Teile der elektronischen Musik nun auch Popmusik sind. Und wir haben das Glück, dass wir eben Künstler gefunden haben wie Richter – aber es wird auch ein neues Projekt Anfang Jänner geben, das heißt Nikko, das ist noch Singer/Songwriter-lastiger. Auch ein bisschen Eighties-Style. Man darf einfach nicht auf der Stelle stehen bleiben, man muss auch Trends setzen. Und das ist, würde ich jetzt mal sagen, eine der Philosophien die wir haben.
Fehlt der Musik- und Labellandschaft im Allgemeinen der Mut, abseits von bewährten musikalischen Mustern zu agieren?
Oliver Kamien: Das weiß ich nicht. Das sind wahrscheinlich mehrere Faktoren. Ich will jetzt nicht unbedingt über Philosophien von anderen Leuten spekulieren. Es wird verschiedene Gründe geben warum manche Leute bei dem bleiben was sie schon immer gemacht haben. Wir denken anders, wir wollen andere Sachen machen, wollen neue Akzente setzen.
“Wien ist mittlerweile seit längerem wieder auf der Landkarte als kreativer Musikschaffens-Meltin-Pot eingeringelt.”
Was zeichnet für Couch Records der Musikstandort Wien aus?
Oliver Kamien: Wien ist mittlerweile seit längerem wieder auf der Landkarte als kreativer Musikschaffens-Meltin-Pot eingeringelt. Das hilft schon. Außerdem leben wir hier – und das sehr gerne. Und seit nun mehr acht Jahren ist Wien der Standort unseres Unternehmens. von hier aus ?ziehen wir alle Fäden.
In den vergangenen Jahren hat sich im Zuge der Digitalisierung der Musik unglaublich viel getan. Vor allem in Hinsicht auf neue Vertriebswege. Wie wirkt sich das im Speziellen auf ein Label der Größe von Couch Records aus?
Oliver Kamien: Ausgesprochen positiv, kann ich nur sagen. Wir haben das Glück, dass wir einen direkten Vertrag mit iTunes haben. iTunes verlangt ja einen gewissen Katalog, um überhaupt einen direkten Vertrag zu bekommen. Wir hatten zum Zeitpunkt der Vertragsschließung vor eineinhalb Jahren, noch keinen ausreichenden Katalog. Aber ihnen haben unsere Sachen einfach so gut gefallen, dass wir einen direkten Vertrag bekommen haben. Das heißt wir müssen nicht über einen Aggregator gehen. Was natürlich die Arbeit speziell mit den Redaktionen von iTunes vereinfacht. Es findet ein reger Austausch statt, weil man mit diesen Redaktionen auch via die großen Musikmessen wie Midem oder Popkomm vernetzt ist. Wir haben ziemlich gute Erfolge gehabt über iTunes: Mit Coup de Bam sind wir in England in den World-Music-Album-Download-Charts auf Nummer Eins gekommen. Mit Madita haben wir in den USA große Erfolge gehabt, da sind wir auf Nummer drei in den Elektronik-Album-Downloadcharts gekommen und in vielen anderen Stores auch in die Top Ten gelangt. Es ist natürlich nicht so, dass man von den Download-Sales das Unternehmen am laufen halten kann. Weil in der Masse sind es ja doch nicht so viele Sales. Aber wir können trotzdem monatlich eine Steigerung in den Online-Umsätzen feststellen.
Lässt sich die Verkaufsrelation zwischen physischem Tonträger und Downloads repräsentativ beziffern?
Oliver Kamien: Das genau zu sagen – und diese Frage bekomme ich natürlich oft gestellt – das ist nicht so easy: Man darf eines nicht vergessen: Bei iTunes hab ich keine Manufakturkosten. Ich hab eigentlich auch kein Marketing, Promotion usw.. Deswegen hinkt der Vergleich, dass man sagen könnte: Es ist 80 zu 20 oder irgendwas. Man kann das sehr schwer beziffern. In Hinsicht auf Promotion und Marketing funktionieren die Dinge zum Beispiel so: In England, etwa, haben wir mit dem iTunes-Store einen Deal abgeschlossen, dass wir auf der Startseite unter der Rubrik Free-Single of the Week, einen gratis Track zur Verfügung stellten. Das ist natürlich ein extrem geiles Promotool. Denn wenn die Single gefällt, wird auch das Album runter geladen. Wir hatten, glaub ich, innerhalb einer Woche 60.000/70.000 Downloads dieser Single. Ich seh da eine große Zukunft.
Wie sehr verändern die neuen Vertriebsstrukturen das Tagesgeschäft? Banal gefragt: Explodiert das Arbeitspensum, weil völlig neue Gefilde zu beackern sind, die mit gewohnten Strukturen nichts gemein haben?
Oliver Kamien: Da hast du absolut recht. Die Frage hat sich aber wohl auch gestellt als neben dem Vinyl auch das CD-Format kam.
Die stellt man aber beide in den Plattenladen …
Oliver Kamien: Natürlich ist das ein Aufgabengebiet das dazu gekommen ist. Das man mitbearbeiten muss. Wie gesagt du hast eben keine Manufakturkosten, das Artwork steht, du musst kein völlig neues Produkt erschaffen. Es ist ein weiterer Schritt und Arbeitsprozess – es ist aber eine zusätzliche Einnahmequelle und somit ist die Arbeit gerechtfertigt und sinnvoll.
Stichwort Österreichischer Musikfonds: Der Segen schlechthin für ein Label wie Couch Records?
Oliver Kamien: Als Indie-Label-Macher sag ich natürlich: Jede Unterstützung von Außen bringt uns was. Ganz klar: Indie-Labels haben die Budgets nicht. Die ganzen Musiker von uns arbeiten eh Tag und Nacht: Da spielt der Schlagzeuger einer anderen Band was ein, dafür hilft ihm der Keyboarder einer anderen wieder aus – das ist ein reger Austausch. Aber gerade wenn man sagt, da haben wir jetzt ein schönes Projekt und wir wollen ein Video dazu haben: Da bleibt meistens die Kohle weg und wenn man da eine Förderung bekommt ist das eine tolle Sache. Ob das jetzt die letzte Weisheit für alles ist und die Musik dadurch besser wird, kann man natürlich auch bezweifeln. Aber es ist auf jeden Fall eine Unterstützung die sehr wichtig ist.
“Es ist ja kein Geheimnis, dass die Umsätze in der Musikbranche zurückgehen.”
Couch Records sind bekannt für umfangreiche Marketingaktionen und Kooperationen mit großen Firmen: Von T-Mobile-Electronic-Beats bis Bombay Sapphire Gin. Ökonomisch überlebenswichtige Maßnahmen?
Oliver Kamien: Sehr. Das ist extrem wichtig. Es ist ja kein Geheimnis, dass die Umsätze in der Musikbranche zurückgehen. Man muss versuchen seinen Katalog andersweitig zu verwerten und da gehören halt solche Projekte wie Bombay Sapphire oder Electronic Beats dazu – Brand-Music-Projects – nennen wir es mal so. Man muss schauen, dass man seinen Katalog in Werbeclips oder Spielfilmen unterkriegt. Da sind wir ja auch sehr gut drin und haben etliche Sachen gemacht: Musik bei Sex and the City, Six feet under oder englischen Werbeclips von Marks & Spencer usw.. Das ist ein wichtiges Zubrot das du brauchst wenn die Tonträgersales merklich zurückgegangen sind. Egal ob Indie oder Majors, die haben alle dasselbe Problem.
Oliver Kamien: Ein schwieriger Spagat? Die Bewahrung der Credibility mit gleichzeitiger Verbandelung mit der Industrie …
Wir prüfen natürlich die Jobs schon, die wir angeboten bekommen. Ich möchte ein Beispiel nennen aus den USA: Da hätten wir einen Dzihan & Kamien Titel für eine Werbekampagne lizenzieren können. Das war aber eine Firma die im so genannten “Black Book” vertreten war: Also eine jener Firmen die z.B. ihre Mitarbeiter unterbezahlen, von Kindern im Ausland Dinge produzieren lassen usw.: Wir haben diesen Auftrag abgelehnt, weil das nicht nur imageschädigend wäre, sondern natürlich auch aus moralischen Gründen. Solche Dinge muss man natürlich immer beachten.
Wo steht Couch Records in 10 Jahren im Idealfall?
Oliver Kamien: Wir werden dann mit Universal und SonyBMG fusionieren (lacht). Nein. Ich sehe die Zukunft schon so, dass wir immer mehr ein “Popart-Label” werden. Und noch internationaler ausgerichtet sind. Am schönsten wäre es, aber das ist noch Zukunftsmusik, wenn man eine Außenstelle in London, New York oder Tokyo hätte. Das ist natürlich sehr langfristig gedacht. Wir wollen weiter Künstler unter Vertrag nehmen die sehr gute Musik machen und wir wollen diese auch mit der best möglichen Performance releasen.
Interview: Johannes Luxner