„BEI MIR REICHT EINE GITARRE UND EIN WENIG ‚LALALA‘“ – STOOTSIE (THE SEESAW) IM MICA-INTERVIEW

Wer 30 Jahre nach seinem CD-Debüt immer noch Spaß an der Musik hat, kann wohl nicht viel falsch gemacht haben. Das gilt vor allem für die Salzburger Pop-Institution STOOTSIE. Dahinter verbirgt sich der versierte (Brit-)Pop-Enthusiast MICHAEL STEINITZ, der mit seinem Gitarrenladen „Riverside Guitars“ auch die lokale wie internationale Pop-Prominenz mit den richtigen „Werkzeugen“ versorgt und mittlerweile auf fast 20 Veröffentlichungen zurückblicken kann. Für mica hat sich Didi Neidhart mit STOOTSIE zum Interview getroffen.

Wie war das, als du vor 30 Jahren, im Herbst 1991, deine erste EP „Mercy! Beat“ auf dem eigenen Free Fall Records Label veröffentlich hast? War das nur so eine Liebhaberei, oder hast du das schon damals quasi als „Beginn einer Karriere“ angesehen?

Stootsie: Den Karrierestart hab ich eigentlich schon mit Gründung meiner Band The Wash 1985 gesehen. Es ging darum, die Kompromisse, die ich in der (jetzt natürlich legendären) Schulband Couso Main eingehen musste (viel Neil Young- und BAP-Cover spielen zu müssen), hinter mir zu lassen und mich auf mein mod-iges The Who-Revival konzentrieren!

Ich war damals aber auch voll jugendlichem Grant, als ich gemerkt habe, dass The Jam in England das schon deutlich länger vorher gemacht haben. Da war ich echt sauer…. Zumindest hat mir dann aber gleich die damals neue Errungenschaft eines 4-Track Heimstudio Recorders, wo auf normalen Compact-Kassetten mehrspurig aufgenommen werden konnte, mir eine neue Welt eröffnet. Ab da an hieß es: Songs schreiben und gleich alleine ein bisschen ausarrangieren.

Mit The Wash durften wir 1985 gleich beim von der Salzburger Jugendservicestelle initiierten Salzrock Festival auftreten. Das wurde komplett auf 16-Spuren vom Aardvarks Studio mitgeschnitten und so landeten wir dann mit einem eigenen Live-Song auf der Doppel-LP „Salzrock ’85“ und ich wurde dadurch mit 19 gleich auch AKM-Mitglied. Und aus dem Jugendservicestelle-Umfeld entwickelte sich später dann ja auch jene Bewegung, die schlussendlich zum Salzburger Rockhouse geführt hat.

Zum damaligen Zeitpunkt war das Thema „Social Media“ mit allem, was das mittlerweile für die Musik bedeutet, ja nicht mal ansatzweise vorhanden. Heutzutage veröffentlichst du halt einfach im Internet und machst die Promo selber auf diversen Social-Media-Kanälen. Aber wie kommt man 1991 in Salzburg auf die Idee, ein Label zu gründen und eine CD zu veröffentlichen?

Bild (c) Stootsie

Stootsie: Da war ich durch meine Kasettendemos schon gut vorbereitet. Ich bin da einfach mit den Demos von Salzburg nach Wien gedüst und habe sie bei all den großen Plattenfirmen vorbeigebracht. Gleich zu EMI in die Webgasse, ums Eck zu Polydor beim Westbahnhof. Legendär war es bei GIG Records, wo ich gleich vor Stefan Weber [Drahdiwaberl; Anm.] gestanden bin und Markus Spiegel sich Zeit genommen hat, das Band anzuhören. Sehr wohlwollend, aber danke nein! Ich war zu der Zeit auch öfters in London und habe auch dort bei den Labels Kassetten verteilt.

Das waren jedoch eher die kleineren Labels wie Go! Disc oder Stiff Records in Camden. Bei Creation hab ich kurz mit Alan McGee gequatscht, aber bei EMI London kam man ohne Termin am „Doorman“ sowieso nicht vorbei. Aber spannend war das immer.

Aus The Wash wurde dann 1988 Summer mit neuer Besetzung. Das Studio hab ich dann auf ein echtes 8-Spur-Tonband upgegradet. Zur selben Zeit wurde auf die Initiative von Herbert von Karajan in Anif das Sony CD Presswerk für Europa gebaut. Das war dann der Startschuss für mich doch eine CD in Eigenregie zu veröffentlichen.

„Ich war schon durch meine Kasettentouren gewohnt, alles direkt und persönlich zu machen.“

Du bist dann ja aber auch relativ schnell im Radio gespielt worden, u.a. in der Ö3-Musikbox und dem Nachtexpress. Und später natürlich auch viel auf FM4. Wie muss man sich da die Promo-Arbeit vorstellen? E-Mails verschicken mit Links oder MP3s war damals ja wohl noch Zukunftsmusik?

Stootsie: Ach, ich war schon durch meine Kasettentouren gewohnt, alles direkt und persönlich zu machen. Gerade am Anfang 1991/92/93 war das schon sehr lustig in der Argentinierstraße, bevor es noch FM4 gab. Bei FM4 dann sowieso.

Der Clou bei The Seesaw war ja, dass das damals ja gar keine Band, sondern nur du Solo an diversen Instrumenten gewesen bist. Wieso bist du nicht gleich als Solo-Act aufgetreten, sondern lieber als (Fake-)Band? Mochtest du das Format Band lieber?

Stootsie: Eine Band gab es zu dem Zeitpunkt keine, aber die neue Platte von Ed Ball’s The Times namens „Pure“! Die habe ich geliebt und die hat mich sehr in Richtung Do-it-yourself geschupst, aber auch, dass ich – lange vor dem späteren Hype – einen „The“-Bandnamen haben wollte. Ich hab dann völlig unspektakulär das Wörterbuch aufgeschlagen und mit dem Finger hinein gezeigt und: Thadaaah – The Seesaw! Das Wort kannte ich von den Moody Blues schon [„Ride My Seesaw“; Anm.] und The Jam hatten auch einen Song mit „Seesaw“ betitelt. Passt gut, hab ich mir gedacht.

Bild (c) Stootsie

„Ich bereite mich schon auf einige Solo-Shows für Herbst/Winter vor.“

2019 hast du mit „Riverside Tales“ deine zweite Solo-CD veröffentlich, und dabei erstmals die Arrangements am Computer aufgenommen. Jetzt sind frühe Seesaw-Aufnahmen aber auch quasi ähnlich entstanden. Damals halt mit Mehrspur-Tonbandmaschinen. Wie muss man sich das vorstellen. Du hast ja auch schon bevor The Seesaw eine „echte“ Band wurde, gelegentlich mit Gastmusiker gearbeitet?

Stootsie: Gastmusiker gab es natürlich, Markus Marageter hat oft Keyboards eingespielt und spielt auch jetzt hin und wieder, wenn es sich bei ihm ausgeht, mit. Stolz bin ich auf das Keyboard-Solo von Charlie Hart auf „One Too Far“. Als er mit Chris Jagger in Salzburg war, habe ich ihnen an ihrem Day Off mein Auto geliehen, um ins Salzkammergut zu fahren. Die „Leihgebühr“ war ein bisschen in meinem Studio in Leopoldskron auf zwei Tracks mitzuspielen. Steve Westfield hat auf der „Girl on the Phone“-EP gespielt und mitproduziert. Aber seit 2000 hat bei The Seesaw im Studio immer der Seesaw-Gitarrist Max am Computer im Sonic Flow Studio gearbeitet. Ich war da komischerweise zu uninteressiert, um mich damit auseinanderzusetzen.

The Seesaw haben sich dann nach einigem personellen Kommen und Gehen Mitte der 1990er als Trio konsolidiert. In den 1990ern und 2000er Jahren gab es viele Festival-Gigs und auch Konzerte in England und Kalifornien. Mittlerweile gibt es vor allem einzelne Solo-Auftritte von dir in der näheren Umgebung. Hat sich das Touren für dich erledigt? Ist das jetzt vorbei, weil zu viel Stress? Oder keine Herausforderung mehr?

Stootsie: Ganz im Gegenteil! Das „erledigt“ sich hoffentlich nie. Mit The Seesaw haben wir im Sommer einige Shows und Festivals gespielt. Lustig war auch der Streaming-Gig aus dem Rockhouse Mitte Mai. Ich bereite mich schon auf einige Solo-Shows für Herbst/Winter vor.

„Das mit Verkaufszahlen hat sich ja sowieso erledigt.“

Mit Songs wie „All the Same“ (2003) und „Generation Love“ (2004) hast du es ja auch locker an die Spitze der österreichischen FM4-Charts geschafft. Warst du nicht auch mal kurz bei einem Major-Label?

Stootsie: Nein, bei einem Major waren wir bzw. ich nie. Mitte der neunziger Jahre waren, aufgestachelt durch die Grunge- und Brit-Pop-Welle, Plattenfirmen auf der Suche nach Gitarrenbands. Ballyhoo wurden da in Österreich gesigned. Ich habe mich damals sehr mit Erich Krapfenbacher von EMI angefreundet, der uns gerne geholfen hätte, es aber verstanden hat, dass ich lieber „Indie“ bleiben wollte.

Bild (c) Stootsie

Wie wichtig ist, bzw. war dir Erfolg? Oder anders formuliert: Was ist Erfolg für dich? Verkaufszahlen, Chartplatzierungen, oder immer noch mit Freude Musik zu machen?

Stootsie: Erfolg fängt bei so einem Interview schon an. Das mit Verkaufszahlen hat sich ja sowieso erledigt und war niemals wirklich in der eigenen Vorstellung, dass da groß etwas passiert. Auf der anderen Seite ist durch diese Freude am Musikmachen und Fan-sein so unfassbar viel passiert. Wir haben extrem coole Gigs spielen dürfen.

Im Troubadour und Spaceland in Los Angeles, in London im Bull&Gate und im Dublin Castle, wo beim Aufbauen und Soundcheck Madness mit einem BBC-Team herumsaßen. Und dann gab es halt auch so „heilige Stätten“ wie den Cavern Club in Liverpool.

Gab es für dich mal den einen Moment, wo du dir gedacht hast, das war’s jetzt mit dem Musikmachen und mit Pop und allem, was damit zusammenhängt, ich muss jetzt „erwachsen“ werden?

Stootsie: Nicht eine Sekunde! Weil, es hat ja auch nie einen Stillstand gegeben! Auch wenn oft nicht viel an die Öffentlichkeit gedrungen ist, war doch seit über 30 Jahren Jahr-ein-Jahr aus Musik das Hauptthema bei mir.

Jetzt hat sich in den letzten 30 Jahren ja fast alles in Sachen Pop-Musik verändert. Nicht nur produktionstechnisch, sondern auch was Aspekte wie Vertreib, Promotion, Hörgewohnheiten, etc. betrifft. Inwieweit gehst du da mit der Zeit und wo sagst du, das muss ich jetzt (nicht) mehr mitmachen?

Stootsie: Ich bin da immer noch ein aggressiver Spotify-Verweigerer. Also das wird’s sicher nicht mehr werden. Ich kaufe ja selber immer noch sehr viel Musik. Andere Plattformen wie Bandcamp und Soundcloud empfinde ich als wichtige Mittel und auch spannend, um eigene Musik zu promoten. Facebook natürlich auch. Obwohl ich da, offen gesagt, zu faul (oder zu doof) bin, um mir einen Artist-Account anzulegen.

„‚Adult-Pop‘ könnte ich gar nicht […]

Wie motiviert man sich nach so langer Zeit immer noch „den perfekten Pop-Song“ zu suchen? Du könntest dich ja auch auf ein Best-Of deines umfangreichen Backkatalogs beschränken oder altersweisen „Adult-Pop“ machen?

Stootsie: Haha! „Adult-Pop“ könnte ich gar nicht, weil ich nur das kann, was ich vor 30 Jahren schon gekonnt habe. Da bin ich zum Glück sehr bildungsresistent! Bei mir reicht eine Gitarre und ein wenig „Lalala“!

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Was ist für 30 Jahre The Seesaw geplant? Wird es – abhängig von Corona – Live-Konzerte geben?

Stootsie: Pläne gibt es einige. Die Feierlichkeiten haben ja mit dem Jubiläums-Streamingkonzert im Mai begonnen, das man ja auch auf Youtube findet. Zusätzlich bin ich vor kurzem draufgekommen, dass mein erstes Solo-Album „Running Around“ im Jahr 2011 erschienen ist. Ich persönlich hätte auf 2012 geschworen, aber das bedeutet jetzt halt: More Party!! Und vielleicht schaffe ich auch noch eine Jubilee-EP. Es bleibt jedenfalls spannend!!

Danke für das Interview.

Didi Neidhart

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