Porträt: Marwan Abado

„Bitter-süße, hell-dunkle Geschichten. Liebeslieder, die weit sind wie die Wüste, sich gelassen und anmutig fortbewegen wie Wüstenschiffe, prall voll mit Leben und Geheimnissen wie üppige Oasen, flirrend bunte, labyrinthische Souks.“ Lassen Sie sich von Marwan Abado verzaubern und auf eine unvergessliche Reise wie in einem Märchen in „1001 Nacht“ mitnehmen..

„Der Palästinenser aus Ottakring“, so wird der als Kind maronitisch-palästinensischer Flüchtlinge aus Galiläa und in einem Flüchtlingslager in Beirut geborene Marwan Abado heute genannt. Seine Kindheit und Jugend verbrachte der Komponist, Musiker, Sänger und Poet größtenteils im Libanon. Er selbst bezeichnet sich als Palästinenser, Libanese und Österreicher, wobei alle drei kulturellen Einflussbereiche stark in seinem Wirken präsent sind. Wie kaum ein anderer wirkt er als Brückenbauer zwischen den verschiedenen Kulturen und vereint in seinen Stücken arabische Klangvorstellungen des Orients mit dem Wiener Lied und Jazz des Okzidents, wobei seine Musik vorwiegend auf der traditionellen Darstellungsform der arabischen Musik, dem „Taksim“ fußt, in der das rhythmische Gefüge vom inneren Puls der Musikerin oder des Musikers bestimmt wird und keinem äußeren zeitlichen Muster gehorcht. In ästhetischer Hinsicht ist Abado’s Musik stark von poetischer, klangmalerischer, warmer und nicht selten fast hypnotischer Qualität geprägt.

Abado’s musikalische Karriere begann mit rund 10 Jahren als er mit dem Gitarrespielen anfing. Ein ungemein positiver Zufall inmitten des trostlosen und von 1975 bis 1990 andauernden libanesischen Bürgerkriegs war, dass in unmittelbarer Nähe seines Elternhauses die „Fine Arts University“ einzog. Mit einem Schlag lernte Abado die ihm bisher unbekannte Welt der bildenden und darstellenden Kunst kennen und wurde von der außergewöhnlich positiven Stimmung der StudentInnen mitgerissen. Durch seinen musikalischen Unterricht kam er so mit neuen Ausdrucksformen wie dem Theater und Sprechgesang in Berührung. Es dauerte nicht lange, bis sich Abado seine erste Oud kaufte, die seither zu seinem Hauptinstrument zählt. Die Oud ist eine aus dem Nahen Osten stammende Kurzhalslaute und gilt als Vorläufer der europäischen Laute. Sie wird als jenes Instrument angesehen, das die charakteristische Klangsprache der arabischen Musik am besten verkörpert und genießt im Vergleich zur abendländischen Musik eine ähnliche Stellung wie das Klavier.

Erste und prägende Erfahrungen in einer Band sammelte Abado von 1983 bis 1985. In kollektiver Zusammenarbeit wurden teils  eigene Texte, teils Interpretationen bereits bestehender Titel erarbeitet und so aktuelle Eindrücke, Probleme und Erfahrungen der MusikerInnen behandelt. Die Musik war von Beginn an sowohl sprachlich als auch instrumental auf sehr hohem Niveau und hinterließ beim jungen Abado tiefe Spuren, die seine aufflammende musikalische Karriere stark beeinflusste. Als sich 1985 im Libanon die Bürgerkriegssituation im ersten „Lagerkrieg“ weiter verschärfte, übersiedelte Marwan Abado auf Anraten seiner Eltern zu seinem älteren Bruder nach Wien. Seine ersten Eindrücke beschrieb er so: „Da ich im Libanon ab meinem achten Lebensjahr im Krieg aufgewachsen bin, lagen hier Welten zwischen den Jugendlichen und mir. Die Dinge, die für sie wesentlich waren, hatten für mich keine Bedeutung. Und umgekehrt. Ich suchte nach Ventilen, um meine Erlebnisse zu verarbeiten und das war für mich naturgemäß die Musik.“ Die ersten Texte in seiner neuen Heimat handelten in erster Linie von Kulturschock und Entfremdung und halfen ihm, mit der gänzlich neuen Situation besser umgehen zu können. Abado setzte seine musikalische Ausbildung in Wien fort und verfeinerte sein Spiel beim irakischen Oud-Meister Asim Chalabi.

Rasch wurde Abado jedoch klar, dass er sich nicht ausschließlich auf die Vertonung seiner Texte konzentrieren konnte, da schlicht und einfach das passende Publikum in Österreich fehlte. Aus diesem Umstand heraus, entstand Abado’s erste Band in Österreich „Abado & Co“, die sich fast ausschließlich mit instrumentaler Musik beschäftigte. Gemeinsam mit Helmut Neundlinger (Sopransaxophon), Ivo Jordanov (Kontrabass), Svetlozar Dimitrov (Percussion) und später ergänzt um Klaus Neundlinger (Gitarre und Bass), Christian Breuer (Chello) sowie den neuen Percussionisten Levent Tarhan und Peter Rosmanith, wurden die beiden CDs „Kreise“ (1996) und „Rainspotting“ (2000) veröffentlicht. Thematisch beschreibt Abado den Fokus so: „Das große Überthema ist das Reisen. Wir verwenden Texte unter anderem von libanesischen und sudanesischen Dichtern, die in Europa leben, und mich aufgrund ähnlicher Erfahrungen von der Thematik stark ansprechen. […] Ich habe nie eine fertige Komposition, d.h. ich schlage ein Thema vor und dieses Thema wird in kammermusikalischer Manier bearbeitet. Alle Beteiligten in der Gruppe haben gleichberechtigte Räume. Der Klang entsteht durch unser Zusammenspiel, und durch unsere Bekanntschaft und die Wärme wird der Ton rund. Es geht uns in der Gruppe nicht darum, sein persönliches Können unter Beweis zu stellen, sondern wir wollen gemeinsam etwas schaffen, gemeinsam eine Idee rüberbringen. Das ist ein langwieriger, und oft auch nicht einfacher Prozess, aber es ist sehr spannend und macht großen Spaß.“

Seither veröffentlichte Abado weitere acht CDs in variierenden Besetzungen, wechselnden Projekten und MusikerInnen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen. So etwa die beiden Solo-CDs „Sohn des Südens“ (1999) und „Raushanah“ (2012), die Duo-Veröffentlichungen „Marakeb“ (2001) mit seinem Langzeit-Partner Peter Rosmanith und „entschuidigns“ (2003) mit Manfred Chobot sowie „`s geht eh!“ (2005) mit Krysztof Dobrek, Roland Neuwirth, Alegre Correa und Aliosha Biz, „Kabila“ (2005) mit Otto Lechner und Joanna Lewis, „Nard“ (2009) mit u.a. Miki Liebermann und Georg Graf oder „Zugvögel“ (2010) mit u.a. Viola Rehab. Für die CD „`s geht eh“ wurde Abado 2005 vom Musikmagazin „concerto“ mit seinen Mitmusikern zum besten Künstler in der Kategorie „world & folk“ gekürt. Ein Jahr darauf konnte er sich mit „Kabila“ in derselben Kategorie den zweitbesten Platz sichern. Daneben widmet sich Abado weiteren Projekten wie „Wor(l)ds“ gemeinsam mit Miki Liebermann (Gitarre) und Gina Mattiello (Stimme, Stimmperformance), „Saitun el Amal“ mit der eben genannten Viola Rehab als Sprecherin oder „Majimaz“ unter der Leitung von Simone Klebel-Pergmann.

Neben seiner konzertanten Tätigkeit beschäftigt sich Abado intensiv mit Film- und Theatermusik, ist im Kulturbereich tätig, hält Voträge und hat sogar ein Kochbuch gemeinsam mit Viola Rehab geschrieben. Seit mehr als 25 Jahren bereist Abado mit seinen hochmusikalischen Karawanen Europa, den arabischen Raum sowie die USA und verzaubert mit seiner wunderbar poetisch-musikalischen Mischung sein Publikum immer aufs Neue. Ein besonderes Anliegen ist ihm dabei stets der Dialog zwischen Palästinensern und Israelis. Für sein Engagement wurde Abado 2008 mit dem Bundesehrenzeichen für interkulturellen Dialog vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur gewürdigt.

Wann immer Sie die Lust verspüren dem Alltag für einen Moment zu entfliehen, empfiehlt es sich mit Marwan Abado eine kleine orientalische Reise zu unternehmen. Aber Vorsicht, es besteht die Gefahr, dass man nicht mehr zurück will!
Georg Demcisin

Link:
Marwan Abado