Unerhörtes humorvoll und ausgeklügelt an die Oberfläche bringen – Gerold Amann im Porträt

Seit seiner frühen Kindheit interessiert sich Gerold Amann für Schallereignisse, aus der Natur und der Umwelt und besonders für die Gesänge der Vögel. Die Nähe zu den Menschen und zum Umfeld im ländlichen Raum hat den Komponisten geprägt. In den 70er war der unkonventionelle Künstler in Vorarlberg einem überaus konservativen kulturellen Klima ausgesetzt. Und selbstverständlich ist er mit seinen kompromisslosen musikalischen Zugängen nicht selten auf Widerstand gestoßen. Doch Ablehnung oder kulturpolitische Irritationen haben seit jeher Gerold Amanns kreative Ader geweckt und seine Fantasie beflügelt. Nachhaltig hat er als Pädagoge zahlreiche Komponistenpersönlichkeiten geprägt, weil er den Jugendlichen das Eigentliche und die Kraft der Musik erfahrbar gemacht hat.

Musik von den Menschen für die Menschen

Das Selbstverständnis von Gerold Amann resultiert nicht aus einem traditionellen Kunstbegriff und ist auch nicht von der zeitgenössischen Musikszene geprägt. „Für mich ist eine Komposition ein Fantasieprodukt im akustischen Bereich. Ich komme mir nicht als zeitgenössischer Komponist vor, ich lebe nur meine akustische Fantasie aus“, betont Gerold Amann, wenn man ihn nach seinen Wurzeln fragt. In diesem Zusammenhang kommt er sogleich auf die Volksmusik zu sprechen, denn im Kern ist seine Musik Volksmusik. Wie er selbst sagt. „Volksmusik meine ich nicht in dem Sinn, dass die von oben etwas für die von unten tun. Das was in jedem von uns drinnen ist, das möchte ich ansprechen, Musik für die Menschen machen.“

Das Universum der Vogelgesänge

Über viele Jahre hinweg beschäftigte sich Gerold Amann mit Vogelstimmen, weil er darin eine Quelle für eine individuelle Kompositionslehre vermutete. „Ich bin der Ansicht gewesen, wenn etwas von der Natur stammt von der eigenen oder von außen, dann ist das, egal ob verlangsamt oder nicht, natürlich. Ich habe natürliche Musik gemacht in der Hoffnung, das wird jeder verstehen und spüren.“

Vogelgesänge zeichnete Gerold Amann auf, verlangsamte sie und machte sie für seine Kompositionen nutzbar. Akribisch transkribierte er die Schallaufzeichnungen und instrumentierte sie für traditionelle Instrumente. Klang und Klangphänomene interessierten ihn dabei weniger als die Strukturen und zufällige Regelmäßigkeiten innerhalb von musikalischen Phrasen. In den „Schallfossilen“ fasste der Komponist einige seiner zahlreichen Studien, Verlangsamungen und Transkriptionen zusammen. Immer noch ist Gerold Amann fasziniert von der Wunderwelt, die sich ihm öffnet, wenn er Schallereignisse wie durch die Lupe betrachtet. „Gerade durch die Verlangsamungen kommt man in eine musikalische Wunderwelt, das ist unglaublich. Dann habe ich das Bedürfnis das mitzuteilen.“

Die Kommunikation der Gibbonaffen

Im Laufe der Jahrzehnte verfasste Gerold Amann neben Singspielen und Musiktheatern zahlreiche Orchester- und Ensemblewerke. Nach jahrelangen Studien über Vogelgesänge wurde Gerold Amanns Interesse auch auf andere Tierlaute gelenkt. Vor allem die Lautäußerungen der Gibbons faszinierten ihn in weiterer Folge, denn die Gesänge dieser Affenart führten ihn zu den sogenannten Interjektionen. „Die Gibbongesänge haben mein Interesse auf die Frage gelenkt, wie Kommunikation und Sprache im Grenzbereich zwischen Mensch und Tier verstanden werden kann. Wir verwenden viele Interjektionen, um bestimmte Dinge auszudrücken, zum Beispiel ‚mhm’ für Zustimmung oder ‚hm?’ als Frage usw.“ In dieser Schaffensphase entstanden unkonventionelle Werke, in denen Gerold Amann in fantasievolle Zwischenbereiche der tierischen und menschlichen Kommunikation eintauchte.

Gemeinschaftskonzert

Langjährige Weggefährten des Komponisten gestalten anlässlich seines 75. Geburtstages ein Gemeinschaftskonzert, das Einblicke in das breite Schaffen von Gerold Amann bietet. Evelyn Fink hat einen besonderen Bezug zu den Werken des Schlinser Komponisten. Vielleicht auch deshalb, weil sie als Volksmusikforscherin das Potential, das in seinen Werken steckt, ganz unmittelbar spürt und auch umzusetzen versteht. Zusammen mit Ulrich Gabriel, Isabella Fink und Helmut Binder werden unter anderem eine Birkhahnbalz sowie die Vokalversion der Gibbongesänge dargeboten.

Das „Ensemble Plus“ hat in den vergangenen Jahren einige Werke von Gerold Amann zur Uraufführung gebracht und ist Initiator des Geburtstagskonzertes im ORF Landesstudio. Ergänzend zur Vokalversion der Gibbongesänge spielt das „Ensemble Plus“ die Streichquartettversion der Gibbongesänge.

Vor allem das Ensemble „Stella Brass“ hat Gerold Amanns Werke international bekannt gemacht. Zahlreiche Aufführungen gab es im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus unter anderem in Tallinn, Helsinki, Moskau, in den USA und Peking um nur einige zu nennen. Ende der 90er Jahre gastierte das Ensemble  „Stella Brass“ unter der Leitung von Josef Amann mit der Musikposse „Eirene“ auf Kreta und Chios. Dasselbe Ensemble hat dieses Werk im vergangenen Sommer auf Sardinien wieder zur Aufführung gebracht.

Musikalischer Spaß mit Comics

„Eirene“ bringt vor allem Gerold Amanns humoristische Ader hervorragend zum Ausdruck. Als Textvorlage für die Musikposse verwendete er Aristophanes’ gleichnamige Komödie. Den griechischen Dichter schätzt Gerold Amann besonders, weil er „viele gesellschaftspolitische Beobachtungen verarbeitet. Der Mensch und die Lächerlichkeit stehen bei ihm im Vordergrund. Aristophanes weiß genau, dass er nichts verbessern kann, aber er kann am Hochmut und der Eitelkeit der Mächtigen kratzen, das tut er und das würde ich auch gerne tun“, unterstreicht Gerold Amann.

„Eirene“ ist ein unterhaltsames Werk, das formal an einen Zeichentrickfilm angelehnt ist. „Anstatt intellektueller Überlegungen habe ich versucht, drastische und deutliche Hinweise auf die Inhalte des Textes zu geben“, erzählt der Komponist. Amann hat die Handlung mittels der ‘underscoring-Technik’ á la Walt Disney kommentiert. “Ich habe versucht, Effekte, die heute im Film üblich sind, kurios und possenhaft einzusetzen“, erklärt Gerold Amann. Dazu verarbeitete der Komponist etwa hundertdreißig Comics von Ernst Steininger. „Musikalisch verwende ich Mittel der Neuen Musik, aber eigentlich habe ich dieses Stück nicht als Kunststück ausgerichtet. Populär soll die Musik sein und lustig.“
Silvia Thurner

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft im Oktober 2012 erschienen.


Factbox


Samstag, 27. Oktober, 19:30 Uhr, ORF Landesstudio Dornbirn

Geburtstagskonzert von Gerold Amann, anlässlich des 75. Geburtstages. Gemeinschaftskonzert Stella Brass, Evelyn Fink und Freunde sowie Ensemble Plus.

Sonntag, 28. Oktober, 17 Uhr, Villa Falkenhorst Thüringen

Hommage an Gerold Amann. Anlässlich des 75. Geburtstages. Stella Brass unter der Leitung von Josef Amann.

 

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